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C. Die aktive Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs durch Behörden

I.Einleitung

Bereits seit dem 1.1.2018 mussten Behörden, Körperschaften oder Anstalten des öffentlichen Rechts gemäß § 174 Abs. 3 S. 4 ZPO einen sicheren Übermittlungsweg für die Zustellung elektronischer Dokumente eröffnen.

Gemäß § 130a Abs. 4 Nr. 3 ZPO i.V.m. §§ 6 ff. ERVV können Behörden sowie juristische Personen des öffentlichen Rechts die Einrichtung eines besonderen elektronischen Behördenpostfachs (beBPo) beantragen. Alternativ können sie ein DE-Mail-Konto vorhalten. Eine Zustellung an das beBPo oder die DE-Mail-Adresse einer Behörde kann auch erfolgen, wenn diese bestimmte Aufgaben einzelnen seiner Beamten oder Angestellten übertragen hat. Seit dem 1.1.2022 ist diese Verpflichtung in § 173 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO geregelt.

Bereits seit dem 10.10.2013 ist bekannt, dass professionelle Verfahrensbeteiligte – wozu auch Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse gehören – ihre (schriftlichen) Anträge und Erklärungen ab dem 1.1.2022 als elektronische Dokumente an das Gericht übermitteln müssen, § 14b Abs. 1 FamFG. Für die technische und organisatorische Umsetzung dieser Vorgaben war somit etwas mehr als acht Jahre Zeit.

Schon in den ersten Monaten seit der Einführung der aktiven Nutzungspflicht des elektronischen Rechtsverkehrs hat sich gezeigt, dass die Behörden noch zahlreiche Hindernisse bewältigen müssen.

II.Die Einreichung eines elektronischen Dokuments

Die elektronischen Dokumente müssen gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 130a Abs. 3 ZPO entweder mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person nach Art. 3 Nr. 12 VO (EU) Nr. 910/2014 (eIDAS-Verordnung) versehen sein und über einen sicheren Übermittlungsweg (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 ERVV) bzw. das elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) (§ 4 Abs. 1 Nr. 2 ERVV) eingereicht werden oder von der verantwortenden Person mit einer einfachen Signatur versehen und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden, § 130a Abs. 3, Abs. 4 ZPO. Ein elektronisches Dokument, das nicht über einen sicheren Übermittlungsweg zu Gericht gelangt und dem keine qualifizierte elektronische Signatur beigefügt ist, ist unwirksam.

Somit waren seitens der Behörden Vorarbeiten nötig, um pünktlich zum 1.1.2022 zur aktiven Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs in der Lage zu sein. Nunmehr liegen jedoch bedauerlicherweise die ersten Entscheidungen vor, aus denen sich ergibt, dass nicht alle Behörden rechtzeitig tätig geworden sind.

Das Landgericht Lübeck hatte über einen Sachverhalt zu entscheiden, in dem der zuständige Kreis einen schriftlichen Unterbringungsantrag gem. § 8 Abs. 1 PsychHG SH gestellt hatte. Ein Mitarbeiter des Kreises hatte diesen samt einer schriftlichen ärztlichen Stellungnahme am 9.1.2022 in den Nachtbriefkasten des zuständigen Amtsgerichts eingeworfen. Der Betroffene wandte sich gegen die aufgrund dieses Antrags erlassene einstweilige Anordnung seiner befristeten Unterbringung.

Das Beschwerdegericht hat den Beschluss aufgehoben und den Unterbringungsantrag als unzulässig verworfen, weil er nicht in der durch § 8 Abs. 1 PsychHG SH i.V.m. § 14b Abs. 1 FamFG vorgeschriebenen Form eingelegt wurde.

Nach § 8 Abs. 1 PsychHG SH kann eine Unterbringung durch das Gericht nur auf schriftlichen Antrag des Kreises oder der kreisfreien Stadt angeordnet werden. Die Notwendigkeit eines schriftlichen Antrags ergibt sich auch aus § 22 PsychKG BE, § 17 NPsychKG, § 14 PsychKG RP; § 5 Abs. 1 UBG SL und § 8 Abs. 1 Satz 1 ThürPsychKG. Sie unterfallen somit § 14b Abs. 1 S. 1 FamFG. Hiernach sind schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen von Behörden als elektronisches Dokument im Sinne der §§ 14 Abs. 2 S. 2 FamFG, 130a Abs. 2 bis 6 ZPO einzureichen.

§ 14b FamFG wurde durch das Gesetz zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 5.10.2021 noch kurz vor seinem Inkrafttreten geändert. Eine Verpflichtung zur Einreichung eines elektronischen Dokuments besteht nur noch für schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen von Rechtsanwälten, Notaren, Behörden und juristischen Personen des öffentlichen Rechts. Aus der Begründung des Regierungsentwurfs ergibt sich, dass die Gesetzesänderung u.a. erfolgte, weil Verfahren nach dem FamFG mit erheblichen Grundrechtseingriffen verbunden und zugleich so eilbedürftig sein können, dass über sie auch der Bereitschaftsdienst entscheiden muss, wie beispielsweise Unterbringungsmaßnahmen. Durch § 14b Abs. 2 FamFG sollte klargestellt werden, dass bei Vorliegen besonderer Umstände auch auf andere Formen der Antragstellung ausgewichen werden darf. Die Gerichte sollten dadurch – gerade im Bereitschaftsdienst – von der im Einzelfall möglicherweise aufwendigen Prüfung des Verfahrensrechts befreit werden.

Das Landgericht Lübeck vertrat, dass eine Übergangszeit nach Inkrafttreten der Regelung des § 14b FamFG zum 1.1.2022 nicht erforderlich sei, da die kommunalen Gebietskörperschaften mehr als acht Jahre Zeit hatten, um die notwendigen Voraussetzungen zu schaffen. Diese Argumentation überzeugt. Ebenfalls überzeugend ist die Feststellung des Landgerichts Lübeck, dass es sich um eine zwingende verfahrensrechtliche Voraussetzung handele, die von Amts wegen zu prüfen sei. Sie könne nicht durch Absprachen zwischen dem Antragsteller und dem Gericht modifiziert werden.

In die gleiche Richtung ging eine Entscheidung des OLG Frankfurt. Ein Beschluss des Familiengerichts wurde dem Jugendamt am 23.12.2021 zugestellt. Am 23.12.2021 scheiterte dessen Versuch, eine Beschwerdeschrift per Telefax an das Familiengericht zu übermitteln. Daraufhin übersandte es die Beschwerdeschrift per Post an das Gericht, wo sie am 5.1.2022 einging. Das Beschwerdegericht verwarf die Beschwerde als unzulässig, weil sie innerhalb der Beschwerdefrist nicht in der vorgeschriebenen Form eingelegt wurde. Als Behörde war das Jugendamt seit dem 1.1.2022 gem. § 14b Abs. 1 Satz 1 FamFG verpflichtet, schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen von Behörden als elektronisches Dokument einzureichen.

§ 64 Abs. 2 Satz 1 FamFG gestattet für Familiensachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit die Wahl zwischen einer Beschwerdeeinlegung zur Niederschrift der Geschäftsstelle und einer schriftlichen Beschwerdeeinlegung. Die Möglichkeit der Beschwerdeeinlegung zur Niederschrift der Geschäftsstelle führt nicht dazu, dass bei einer schriftlichen Beschwerde die Formvorgaben des § 14b Abs. 1 Satz 1 FamFG nicht eingehalten werden müssen.

III.Einfache Signatur

Aus § 14 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 130a Abs. 3, Abs. 4 ZPO ergibt sich eindeutig, dass das elektronische Dokument, wenn es auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht wird, von der verantwortenden Person mit einer einfachen Signatur versehen werden muss. Trotzdem musste das OLG Bamberg über einen Sachverhalt entscheiden, in dem eine Beschwerde gegen einen familiengerichtlichen Beschluss über das besondere elektronische Behördenpostfach (beBPo) eingereicht wurde und die Beschwerdeschrift lediglich mit der Formel „Mit freundlichen Grüßen“ endete. Eine Namensnennung der verantwortenden Person oder eine Unterschrift fehlte. Im Kopf des Schreibens befand sich die Angabe, wer Ansprechpartner ist.

Das OLG Bamberg hat die Beschwerde als unzulässig verworfen, weil sie nicht in der durch § 64 Abs. 2 FamFG vorgeschriebenen Form eingelegt worden ist. Das Dokument wurde weder mit einer qeS i.S.v. Art. 3 Nr. 12 der Verordnung (EU) Nr. 910/2014 (elDAS-VO) noch mit einer einfachen Signatur der verantwortenden Person versehen. Bei einer einfachen Signatur handelt es sich entweder um einen maschinengeschriebenen Namenszug oder eine eingescannte Unterschrift.

Die Unterschrift dient der Identifizierung der natürlichen Person, die den Schriftsatz verantwortet, mit dem Zweck, den Schriftsatz von einem versehentlich übermittelten Entwurf unterscheidbar zu machen (Abschlussfunktion der Unterschrift) und die Authentizität des elektronischen Dokuments nachzuweisen.

Insbesondere bei der Nutzung des beBPos sind die Identifizierungsfunktion und die Abschlussfunktion von großer Bedeutung. Nur sie ermöglichen die Feststellung, dass der Versand des elektronischen Dokuments durch eine entsprechend autorisierte Person willentlich veranlasst wurde. Die einfache Signatur kann nicht durch die Angabe eines Sachbearbeiters oder Ansprechpartners ersetzt werden.

IV.Fazit

Die Digitalisierung der Justiz schreitet stetig voran. Mittlerweile ist sie für professionelle Verfahrensbeteiligte unvermeidbar. Seit dem 10.10.2013 war bekannt, dass professionelle Verfahrensbeteiligte – wozu auch Behörden gehören – ihre Anträge und Erklärungen ab dem 1.1.2022 als elektronische Dokumente an das Gericht übermitteln müssen. Nunmehr zeigt sich, dass trotz der langen Übergangszeit eine rechtzeitige Umstellung auf den elektronischen Rechtsverkehr nicht überall fristgemäß erfolgt ist. Es kann nur allen Betroffenen geraten werden, die notwendigen organisatorischen Maßnahmen nun schnellstmöglich zu ergreifen. Ansonsten drohen Rechtsverluste, da Anträge als unzulässig, weil sie nicht formgemäß sind, zurückgewiesen werden.

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