Ausgangslage
In einer dynamischen Wirtschaftswelt sind Unternehmen ständig gefordert, sich an neue Marktbedingungen anzupassen. Ob technologische Innovationen, veränderte Kundenbedürfnisse, veränderte Marktlagen oder wirtschaftliche Krisen – all diese Faktoren können dazu führen, dass bewährte Geschäftsmodelle überdacht werden müssen. Eine Restrukturierung ist dabei ein zentrales Instrument, um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten, wiederherzustellen oder im „worst case“ – die Geschäftstätigkeit gänzlich einzustellen. Doch welche Herausforderungen bringt eine Restrukturierung für HR-Verantwortliche und Geschäftsführer mit sich und wie kann sie erfolgreich umgesetzt werden? In diesem Beitrag beleuchten wir die wichtigsten Aspekte, Risiken und Stolperfallen einer Unternehmensrestrukturierung.
Sofern der Entschluss gefasst ist, eine Restrukturierung anzugehen, bedarf es für die Umsetzung einer frühzeitigen und sorgfältigen Planung, die eine klare Vorstellung von den Zielen und den damit verbundenen Maßnahmen vorsieht und die Bildung eines interdisziplinären Kernteams, das die Restrukturierung durch inhaltliche und zeitliche Planung steuert. Zu den zentralen Planungsschritten zählen dabei die Definition der Zielstruktur, die Analyse der arbeitsrechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sowie die frühzeitige Abstimmung mit dem Betriebsrat. Gleichzeitig muss sichergestellt werden, dass die operative Handlungsfähigkeit des Unternehmens während und nach der Restrukturierung gewährleistet bleibt, weshalb der Prozess so gestaltet sein muss, dass die täglichen Geschäftsabläufe möglichst wenig gestört werden.
Der erste Schritt jeder Restrukturierung ist die Verschriftlichung einer unternehmerischen Entscheidung, die in der Regel von den Gesellschaftern getroffen und von der Geschäftsleitung umgesetzt wird. Hierbei handelt es sich um den Willensakt des Unternehmers, also dessen Organisationsentscheidung, die einer (späteren) Kündigung vorausgeht und zum Wegfall eines oder mehrerer Arbeitsplätze führt. Je präziser eine unternehmerische Entscheidung gefasst ist, umso besser kann in einem späteren Kündigungsschutzverfahren auf diese verwiesen werden, wenn eine betriebsbedingte Kündigung inhaltlich begründet werden muss. Bei einer unternehmerischen Entscheidung herrscht der Grundsatz der freien Unternehmerentscheidung, sodass die Gerichte nicht befugt sind, die unternehmerische Entscheidung als solche auf ihre sachliche Rechtfertigung hin zu kontrollieren. Allerdings kann das Gericht prüfen, ob die unternehmerische Entscheidung offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist (BAG, Urt. v. 28.2.2023 – 2 AZR 227/22), weshalb es wichtig ist, bei der unternehmerischen Entscheidung auf eine präzise Wortwahl zu achten.
Individualarbeitsrechtliche Besonderheiten
Um die in der unternehmerischen Entscheidung vorgesehene Zielstruktur zu erreichen, werden in der Regel mehrere arbeitsrechtliche Schritte notwendig. In der Regel führt die Entscheidung, ein Unternehmen oder einen Unternehmensteil umzustrukturieren, zu unvermeidbaren (betriebsbedingten) Kündigungen und/oder Versetzungen.
Ist es angedacht, Kündigungen auszusprechen, müssen stets mit Hinblick auf den aufgestellten Zeitplan ebenfalls individuelle Kündigungsfristen berücksichtigt werden. Nicht selten kommt es vor, dass Arbeitnehmer bereits seit mehr als 20 Jahren im Unternehmen angestellt sind oder bereits kurz vor der Rente stehen. Vor diesem Hintergrund sind mögliche Rationalisierungsabkommen und tarifliche Vereinbarungen zu beachten, die betriebsbedingte Kündigungen entweder verhindern oder erheblich erschweren können, indem sie einen speziellen Schutz für betroffene Arbeitnehmer vorsehen. Insbesondere tarifvertragliche Regelungen über den Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen müssen in die Planung einbezogen werden. Oftmals finden sich in Verträgen sog. Bezugnahmeklauseln. Diese verweisen auf Tarifverträge und legen hierdurch fest, welche tariflichen oder betrieblichen Regelungen auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finden. Eine solche Klausel kann bspw. dazu führen, dass betroffene Arbeitnehmer bei Erreichen bestimmter Schwellenwerte (Alter oder Betriebszugehörigkeit) als ordentlich unkündbar gelten. Die Identifizierung und spätere Aufteilung der Arbeitnehmer mit Bezugnahmeklauseln im Arbeitsvertrag stellt die Personalabteilung oftmals vor eine hohe organisatorische Hürde, insbesondere dann, wenn nicht alle Dokumente digitalisiert verfügbar sind.
Darüber hinaus kann ein gesetzlicher Sonderkündigungsschutz zu zeitlichen Verzögerungen und Mehraufwand im Rahmen der Restrukturierung führen. Betriebsratsmitglieder genießen gem. § 15 Abs. 1 KSchG Sonderkündigungsschutz und können im Falle einer Stilllegung frühestens zum Zeitpunkt der Stilllegung gekündigt werden. Daher kann man sich merken, dass Betriebsratsmitglieder in der Regel „die letzten“ sind, die „gehen“. Schwerbehinderte sowie Schwangere und Arbeitnehmer in Elternzeit genießen ebenfalls gesetzlichen Sonderkündigungsschutz, der in der Regel nur durch ein vorangehendes Antragsverfahren (§§ 167 ff. SGB IX, § 17 Abs. 2 MuSchG, § 18 BEEG) bei der zuständigen Behörde aufgehoben werden kann. Ohne die entsprechende Zulässigerklärung der jeweiligen Kündigung, kann diese jedenfalls nicht rechtswirksam ausgesprochen werden. Auch hier ist zu berücksichtigen, dass die Beteiligten des Antragsverfahrens, also sowohl der betroffene Arbeitnehmer als auch das Unternehmen, gegen die Entscheidung der Behörde ein Rechtsmittel einlegen können. Die Entscheidung der Behörde wird sodann im Rahmen eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens überprüft. Derartige Verfahren sind daher ebenfalls zeit- und kostspielig.
Sofern ein Unternehmen nicht im Ganzen stillgelegt, sondern ggf. nur ein Teil restrukturiert werden soll, muss festgelegt werden „wer geht“ und „wer bleibt“. Dies erfolgt im Wege der Sozialauswahl. Hierbei kommt es nicht darauf an, ob ein bestimmter Arbeitnehmer bessere Arbeit erbringt als der jeweils andere oder ob dieser „beliebter“ ist. Maßgeblich sind hier die Sozialkriterien, wie Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Unterhaltspflichten, Qualifikationen und das Vorliegen einer Schwerbehinderung. Die Vergleichbarkeit der jeweiligen Arbeitnehmer bestimmt sich anhand des Arbeitsvertrags und der ausgeübten Tätigkeit. Arbeitnehmer sind dann vergleichbar, wenn ihnen der jeweils andere Arbeitsplatz im Rahmen des Direktionsrechts zugewiesen werden kann (sog. arbeitsplatzbezogene Vergleichbarkeit). Zudem ist die Vergleichbarkeit auf dieselbe Hierarchieebene beschränkt (sog. horizontale Vergleichbarkeit). Die Identifikation der Vergleichbarkeit der Arbeitnehmer untereinander ist insofern mit einem hohen logistischen Aufwand verbunden. Eine falsche Sozialauswahl kann insofern zur Unwirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung führen.
Um die Zielstruktur zu erreichen sind nicht immer Beendigungskündigungen notwendig. Vorrangig vor Ausspruch einer Beendigungskündigung ist zu prüfen, ob Arbeitnehmer aufgrund der eigenen Stellenbeschreibung auf eine andere Position versetzt werden können. Dies stellt insofern das „mildere Mittel“ dar. Die Versetzung erfolgt entweder über das gesetzliche oder arbeitsvertragliche Direktionsrecht des Arbeitgebers. Versetzungsklauseln im Arbeitsvertrag können dem Arbeitgeber einen weiten Handlungsspielraum bieten, müssen jedoch stets im Rahmen der vertraglichen Bestimmungen und unter Berücksichtigung der Zumutbarkeit für den Arbeitnehmer erfolgen. Fehlt eine entsprechende Versetzungsklausel oder kann der Arbeitgeber keine andere Position im Wege des gesetzlichen Direktionsrechts zuweisen, ist vor einer betriebsbedingten Beendigungskündigung die Möglichkeit einer Änderungskündigung zu prüfen. Hierbei kann einem Arbeitnehmer eine freie Stelle angeboten werden, die ihm nicht im Wege des Direktionsrechts zugewiesen werden konnte. Auch bei einer Änderungskündigung ist stets eine Sozialwahl durchzuführen.
Kollektivrechtliche Besonderheiten
Besteht in einem Unternehmen ein Betriebsrat, kann eine Restrukturierung nicht ohne diesen durchgeführt werden. Daher muss der Betriebsrat ebenfalls frühzeitig eingebunden werden. Wichtig ist, dass ein gemeinsamer pragmatischer Ansatz der Zusammenarbeit gefunden wird. Denn dem Betriebsrat stehen bei Betriebsänderungen gem. § 111 BetrVG umfangreiche Unterrichtungs-, Beratungs- und Mitbestimmungsrechte zu, sodass der Betriebsrat erheblichen Einfluss auf den zeitlichen und organisatorischen Ablauf einer Restrukturierung hat. Der Betriebsrat hat Anspruch darauf, rechtzeitig über geplante Betriebsänderungen informiert und in die Verhandlungen einbezogen zu werden, insbesondere wenn es um die Stilllegung, die Schließung von Betriebsteilen oder allgemein Entlassungen geht.
Bei Betriebsänderungen sind gem. § 112 BetrVG ein Interessenausgleich sowie ein Sozialplan zu verhandeln und schriftlich zu unterzeichnen. Der Interessenausgleich zielt auf die unternehmerische Maßnahme selbst und die Modalitäten der Durchführung der Betriebsänderung ab. Der Interessenausgleich ist vor der Umsetzung von Betriebsänderungen abzuschließen. Der Sozialplan beinhaltet die Beseitigung bzw. Milderung der Folgen der Betriebsänderung für die Arbeitnehmer. Sowohl bei der Erstellung des Interessenausgleichs als auch des Sozialplans, spielt der Betriebsrat als Verhandlungspartner eine zentrale Rolle und kann maßgeblich auf die Restrukturierung Einfluss nehmen und diese im Einzelfall stark erschweren.
Schaffen es die Betriebsparteien nicht, einen Interessenausgleich bzw. einen Sozialplan einvernehmlich zu vereinbaren, muss ein solcher ggf. in der Einigungsstelle unter Beiziehung eines Einigungsstellenvorsitzenden abgeschlossen werden. Auch auf dieses „worst case“-Szenario sollte ein Unternehmen vorbereitet sein: Es ist insofern ratsam, sich mit dem Betriebsrat bereits vor Aufnahme der Verhandlungen auf einen Einigungsstellenvorsitzenden zu verständigen und diesen nach seiner Verfügbarkeit zu fragen. Denn scheitern die Verhandlungen plötzlich, kann es unter Umständen Monate dauern bis man sich (nach aufgeheizten Gesprächen im Rahmen der Interessenausgleichsverhandlungen) auf einen Einigungsstellenvorsitzenden einigt und dann im Rahmen der Einigungsstelle schließlich die Verhandlungen führt.
Noch prekärer wird es, wenn nach Scheitern der Interessenausgleichsverhandlungen keine Einigung in Hinblick auf einen Einigungsstellenvorsitzenden erzielt werden kann: Sodann entscheidet auf Antrag im Rahmen eines sog. Einigungsstelleneinsetzungsverfahrens gem. § 100 ArbGG das Gericht über die Besetzung der Einigungsstelle. Ein solches Verfahren kann ebenfalls sehr viel Zeit in Anspruch nehmen – ohne, dass in der Zwischenzeit Maßnahmen zur Betriebsänderung wirksam vereinbart werden können. Derartige Szenarien sind vor diesem Hintergrund möglichst proaktiv durch gute Kommunikation und gute Abstimmung mit dem Betriebsrat zu vermeiden.
Scheitern Verhandlungen mit dem Betriebsrat, befindet man sich konsequenterweise oftmals in einer zeitlich intensiven Einigungsstelle. In dieser Zeit kommt oftmals die Frage auf, ob denn wirklich gar nichts unternommen werden kann, um die Restrukturierung voranzubringen. Im Grunde können (unwirksame) und nicht mit dem Betriebsrat abgestimmte Maßnahmen vorgenommen werden. Allerdings könnten hieraus evtl. sog. Nachteilsausgleichsansprüche der Arbeitnehmer gem. § 113 BetrVG entstehen, über die man sich – mit jedem Arbeitnehmer individuell – (gerichtlich) streiten kann. Die Durchführung nicht abgestimmter Maßnahmen kann ferner zu Unterlassungsansprüchen des Betriebsrats führen. Ob also mit dem Betriebsrat nicht abgestimmte Maßnahmen vorgenommen werden, muss nach einer vorherigen Abwägung (Kosten/Nutzen/Zeit-Faktoren) entschieden werden.
Good to know
Insgesamt spielt auch die Agentur für Arbeit eine wichtige Rolle, insbesondere bei Massenentlassungen oder umfangreichen Betriebsänderungen, sodass diese ebenfalls früh mit einzubeziehen ist. Sie kann frühzeitig bei Transfermaßnahmen unterstützen oder bei der Ermittlung der Kosten für den Sozialplan helfen und insbesondere dafür sorgen, dass betroffene Arbeitnehmer zügig in neue Arbeitsverhältnisse vermittelt oder von Transfergesellschaften unterstützt werden. Zudem bietet die Agentur Förderprogramme zur beruflichen Weiterbildung und Umschulung an, die den betroffenen Arbeitnehmern den Übergang in den Arbeitsmarkt erleichtern.
Neben den obligatorischen Maßnahmen können auch sog. „Freiwilligenprogramme“ als Instrument zur Reduktion der Arbeitnehmerzahl in Betracht gezogen werden. Diese Programme bieten zwar eine attraktive Möglichkeit, bergen jedoch das Risiko, dass wichtige Arbeitnehmer, die für den laufenden Betrieb unverzichtbar sind, freiwillig ausscheiden, was zu kurzfristigen Engpässen in der Betriebsorganisation führen kann. Daher ist es unabdingbar, solche Programme sorgfältig zu prüfen und klar zu definieren. Ergänzend dazu sind Haltegespräche mit Leistungsträgern ein wichtiges Instrument, um Key-Knowledge-Träger während des Restrukturierungsprozesses im Unternehmen zu halten. Diese Gespräche sollten frühzeitig und gezielt geführt werden, um sicherzustellen, dass wertvolle Erfahrungen und Kompetenzen trotz der Umstrukturierungen erhalten bleiben und dem Unternehmen weiterhin zur Verfügung stehen.
Fazit
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass eine erfolgreiche Restrukturierung eine umfassende und vorausschauende Planung, eine enge Zusammenarbeit aller beteiligten Bereiche und vor allem eine präzise, transparente Kommunikationsstrategie erfordert. Neben der strategischen und operativen Vorbereitung müssen arbeitsrechtliche Fallstricke beachtet werden, um rechtliche Konflikte und Verzögerungen zu vermeiden. Der Faktor Zeit spielt in diesem Prozess eine entscheidende Rolle, weshalb eine enge Abstimmung mit dem Betriebsrat sowie die frühzeitige Einbindung externer Partner, wie der Agentur für Arbeit, unerlässlich sind. Nur durch eine sorgfältige und gut koordinierte Vorgehensweise kann eine Restrukturierung sowohl effizient als auch sozialverträglich gestaltet werden. Unternehmen, die diese Prinzipien beherzigen, sichern sich langfristig ihre Wettbewerbsfähigkeit und meistern den Veränderungsprozess erfolgreich.