Die Regelung in einem vor dem Arbeitsgericht geschlossenen Prozessvergleich, nach der der Arbeitnehmer „unwiderruflich unter Fortzahlung der monatlichen Vergütung (…) und unter Anrechnung auf offene Urlaubsansprüche bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt [wird]“, hat in Ansehung der Vergütungsfrage keinen vollstreckungsfähigen Inhalt.
[Redaktioneller Leitsatz]
I. Der Fall
Prozessvergleich
Die Parteien streiten über die Vollstreckbarkeit eines zwischen ihnen in einem vorangegangenen Rechtsstreit geschlossenen Vergleichs. Im Rahmen eines Kündigungsschutzverfahrens hatten die Parteien, neben den üblichen Regelungen bezüglich des Beendigungsdatums, des Zeugnisses und der Urlaubsabgeltung, folgende Vereinbarung bezüglich der Freistellung der Klägerin und den während dieser Zeit zu leistenden Gehaltszahlungen geschlossen: „Die Klägerin wird ab dem 1.11.2019 unwiderruflich unter Fortzahlung der monatlichen Vergütung in Höhe von 4.000,– EUR brutto und unter Anrechnung auf offene Urlaubsansprüche bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt.“
ausbleibende Gehaltszahlung
Die Beklagte erfüllte die Regelungen des Vergleiches, zahlte an die Klägerin jedoch keinerlei Gehälter. Nachdem die Klägerin erfolglos Zahlungen angemahnt hatte, kündigte sie die Einleitung von Vollstreckungsmaßnahmen an und beantragte den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschluss bei dem insoweit zuständigen Amtsgericht Berlin.
Vollstreckungsgegenklage
Die Beklagte erhob hieraufhin Vollstreckungsgegenklage und beantragte die Aussetzung der Zwangsvollstreckung bis zur Entscheidung des Rechtsstreits.
Verfahrensgang
Das Arbeitsgericht Weiden entschied mit Urt. v. 11.2.2022 (4 Ca 575/21), dass die Zwangsvollstreckung aus dem geschlossenen Prozessvergleich unzulässig sei. Gegen dieses Urteil richtet sich die von der Klägerin eingereichte Berufung.
II. Die Entscheidung
kein vollstreckungsfähiger Inhalt
Das Landesarbeitsgericht Nürnberg wies die Berufung der Klägerin zurück. Wie bereits zuvor das Arbeitsgericht stellte es fest, dass der von den Parteien in dem vorangegangenen Rechtsstreit geschlossene Vergleich bezüglich der Vergütungsansprüche der Klägerin während der Freistellungszeit keinen vollstreckungsfähigen Inhalt besitze.
Doppelnatur des Prozessvergleichs
Zur Begründung weist das Gericht darauf hin, dass der Prozessvergleich eine rechtliche Doppelnatur besitze. Einerseits handelt es sich bei einem solchen Prozessvertrag um eine Prozesshandlung, die sich nach den Regeln des Verfahrensrechtes richte. Andererseits stelle der Vergleich eine materiell-rechtliche Vereinbarung dar. Die Möglichkeit, aus einem solchen Vergleich die Zwangsvollstreckung zu betreiben sei davon abhängig, ob die von den Parteien vereinbarte Regelung einen aus sich heraus bestimmbaren Inhalt habe. Maßstab dafür sei, dass das Vollstreckungsorgan ohne weiteres erkennen könne, welche Leistungen der Vollstreckungsschuldner zu erbringen habe und ob er dieser Verpflichtung nachgekommen ist. Zur Aufgabe des Vollstreckungsorgans gehöre es nicht festzustellen, ob und in welcher Höhe Ansprüche des Vollstreckungsgläubigers bestünden. Diese Frage müsse im Rahmen eines Erkenntnisverfahrens geklärt werden.
unklarer Zahlungsanspruch
Die von den Parteien vereinbarte Regelung, dass der Klägerin „bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses“ ein Gehalt in Höhe von monatlich 4.000,– EUR zustehe, erfülle diese Voraussetzungen nicht. Dem Inhalt dieser Regelung sei nicht zu entnehmen, wie lange der Anspruch bestehe, da hierzu die Feststellung erforderlich sei, ob das Beschäftigungsverhältnis noch fortbestehe. Immerhin müsste in Betracht gezogen werden, dass das Beschäftigungsverhältnis vor dem Ende des Freistellungszeitraums beendet werde. Darüber hinaus sei mit den Mitteln des Zwangsvollstreckungsverfahrens auch nicht festzustellen, ob der Klägerin die vereinbarten Gehaltsansprüche zustünden, wenn diese beispielsweise über längere Zeit arbeitsunfähig erkrankt sei.
III. Der Praxistipp
vollstreckungsfähiger Vergleichsinhalt
Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichtes verdeutlicht noch einmal, wie wichtig es ist, bei Abschluss eines Vergleichs auf den Inhalt der jeweiligen Regelungen genau zu achten und abzuwägen, welcher Erfolg damit erzielt werden soll. Völlig zutreffend hält das LAG Nürnberg fest, dass sich aus der, sicherlich den Praktikern bekannten Regelung, für die Durchsetzung der Vergütungsansprüche kein vollstreckungsfähiger Inhalt ergibt. Soll also mit einem derartigen Vergleich auch sichergestellt werden, dass ohne Weiteres die Vergütungsansprüche zwangsweise beigetrieben werden können, bedarf es einer anderen, konkreten Vereinbarung.
Markus Pillok, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Köln, pillok@michelspmks.de