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Vorschläge zum Zivilprozess der Zukunft

Gleich zwei Expertengremien, die in ihrem Arbeitsauftrag den „Zivilprozess der Zukunft“ auf der Agenda hatten, haben zu Beginn des neuen Jahres ihre Abschlussberichte vorgelegt. Eines von ihnen wurde von den Präsidentinnen und Präsidenten der Oberlandesgerichte eingesetzt; von ihm wurden bereits Ende vergangenen Jahres vorab die Ergebnisse im Rahmen einer Tagung vorgestellt (s. dazu auch ZAP 2024, 1164). Die andere Expertengruppe war eine offiziell von den Justizministerinnen und -ministern des Bundes und der Länder eingesetzte Reformkommission, die ebenfalls den Auftrag hatte, Vorschläge zur Beschleunigung und Effizienzsteigerung des Zivilprozesses vorzulegen.

Die Vorschläge der beiden Gremien überschneiden sich in vielen Bereichen, es gibt aber auch Unterschiede, die möglicherweise aus dem unterschiedlichen Fokus der Fachleute herrühren. Während die von den OLG-Präsidenten beauftragten Experten vor allem die Gerichte im Blick hatten, verfolgte die Reformkommission der Justizminister einen ganzheitlicheren Ansatz; sie hatte u.a. auch Verwaltungsjuristen, Professoren und Rechtsanwälte in ihren Reihen und blickte auch auf Rechtsdienstleister und Anwaltschaft. Einig waren sich am Ende alle Fachleute darin, dass es in Zukunft im Justizbereich stärkerer Digitalisierung bedarf.

So schlägt die Arbeitsgruppe der OLG-Präsidenten die Einrichtung einer bundeseinheitlichen cloudbasierten Kommunikationsplattform vor, die perspektivisch den elektronischen Rechtsverkehr in der Justiz ablösen soll. Auch die Reformkommission wünscht sich mehr Zentralisierung und eine Cloudlösung: sie schlägt die Errichtung eines bundesweiten Justizportals vor, das die zentrale Anlaufstelle für alle justizbezogenen Informationen und Dienstleistungen werden soll, auch für die Einreichung von Klagen. Die Kommunikation in Zivilprozessen soll hierbei ebenfalls über eine bundeseinheitliche und cloudbasierte Kommunikationsplattform erfolgen.

Für den besseren Zugang zum Recht schlägt die OLG-Arbeitsgruppe u.a. die Einführung eines streitwert- und verfahrensabhängigen besonderen Online-Verfahrens mit vergünstigten Gerichtsgebühren vor, dessen Verfahrensregeln auf eine ausschließliche digitale Verfahrensführung ausgerichtet sind. Für den Zivilprozess generell wünscht sie sich eine bessere Strukturierung der Verfahren, die sie u.a. durch Trennung von Tatsachenvortrag und sonstigem Vorbringen sowie durch zahlenmäßige und zeitliche Vorgaben für Schriftsätze und die Konzentration auf das schriftliche Vorverfahren erreichen möchte. Ähnliches schlägt auch die Reformkommission der Justizminister vor, die ebenfalls frühe verfahrensfördernde Maßnahmen des Gerichts in den Mittelpunkt stellt. Sie möchte zudem die Beweisaufnahme effizienter gestalten, u.a. durch digitale Beweisverzeichnisse und die digitale Verwertung von Zeugenaussagen aus Parallelverfahren. Zustellungen sollen nach dem Willen der Reformkommission künftig fingiert sowie die elektronischen Empfangsbekenntnisse abgeschafft werden.

Einigkeit besteht bei beiden Arbeitsgruppen auch darin, dass sie die Kammern an den Landgerichten stärken und Spezialzuständigkeiten ausbauen wollen. Insgesamt enthalten beide Vorschlagspapiere eine Fülle von z.T. kleinteiligen Vorschlägen zur Verfahrensgestaltung und zur Gerichtsorganisation, aber auch etliche größere Würfe, vor allem zur Digitalisierung. Die Justizministerien in Bund und Ländern werden sich mit den umfangreichen Vorschlägen in den kommenden Monaten beschäftigen müssen.

[Quellen: BMJ/OLG Düsseldorf]

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