Im Sozialrecht geht es oft um existenzbedrohende Situationen für Rechtssuchende. Doch gerade auf diesem Rechtsgebiet gibt es womöglich bald kaum noch genug Rechtsanwälte, die den Betroffenen rechtlichen Beistand leisten können. Vor einer „dramatischen Versorgungslücke“ hat jetzt der Deutsche Anwaltverein gewarnt. In einem Appell an den Gesetzgeber forderte er im September, sozialrechtliche Mandate für die Anwaltschaft wieder attraktiver zu machen.
Der DAV verweist darauf, dass die Zahl der Fachanwältinnen und -anwälte für Sozialrecht zuletzt bereits deutlich zurückgegangen ist – seit 2020 um fast 12 %. Dafür gebe es mehrere Gründe. Als wichtigsten Grund nannte der DAV, dass die gesetzlichen Gebühren im Sozialrecht mittlerweile kaum noch kostendeckend sind. Die Folge davon sei, dass immer weniger Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte Mandate zu gesetzlichen Gebühren übernehmen könnten. In der Konsequenz würden Betroffene häufig keine anwaltliche Vertretung mehr finden, falls sie sich keine Honorarvereinbarung leisten könnten. Für sie bleibe dann nur der Weg zu Sozialverbänden oder Gewerkschaften, die die Masse der Fälle aber nicht annähernd auffangen könnten.
Die missliche Situation im Sozialrecht, erläutert der DAV, habe auch die Präsidentin des Bundessozialgerichts, Christine Fuchsloch, bestätigt. Sie habe bereits öffentlich darauf hingewiesen, dass vor den Gerichten die Beiordnung von Anwältinnen und Anwälten immer schwieriger werde; als Hauptgründe habe die Präsidentin die hohe Komplexität sozialrechtlicher Verfahren bei gleichzeitig sehr geringen Verdienstmöglichkeiten der Anwälte benannt. Nikolaos Penteridis, Vorsitzender der AG Sozialrecht und Vorstandsmitglied des Deutschen Anwaltvereins, sieht in dieser Entwicklung perspektivisch eine Gefährdung des Vertrauens in den Staat: „Gerade in den sensibelsten Bereichen des Sozialrechts, also Existenzsicherung, Gesundheit, Pflege, Behinderung etc., bleiben Rechtsuchende immer öfter ohne professionelle Vertretung, oder es wird frustriert gänzlich auf Rechtsschutz verzichtet. Das untergräbt das – ohnehin sinkende – Vertrauen in Rechts- und Sozialstaat, und das kann sich eine Gesellschaft auf Dauer nicht leisten.“
Nicht ganz unschuldig an dieser Entwicklung sieht der Anwaltverein auch die restriktive Kostenpraxis mancher Gerichte. Nicht selten würden hier die ohnehin engen Gebührenrahmen weiter nach unten gedrückt. Dabei werde den Anwältinnen und -anwälten im Sozialrecht zugemutet, eine Vergütung im Bereich des Mindestlohns oder sogar darunter hinzunehmen, beklagt der Verein. Offenbar nicht berücksichtigen würden die Gerichte hierbei, dass von den anwaltlichen Gebühren auch Büroinfrastruktur, Angestellte und sonstige Unternehmerkosten bestritten werden müssten.
Aus den genannten Gründen fordert der DAV den Gesetzgeber auf,
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die Betragsrahmengebühren im Sozialrecht auf ein kostendeckendes Niveau anzuheben;
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„klare Leitplanken“ gegen pauschale Absenkungen durch die Gerichte einzuführen.
Das Versprechen des Rechtsstaats, den Zugang zum Recht auch für mittellose Rechtsuchende in existenzbedrohlichen Rechtsstreitigkeiten zu garantieren, habe bereits Schaden genommen, so der Deutsche Anwaltverein. Es müsse jetzt gegengesteuert werden.
[Quelle: DAV]



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