Eine Studie, die im Auftrag des Rechtsschutzversicherers ARAG erstellt wurde, hat kürzlich untersucht, wie es um das Vertrauen der Bürger in ihren Rechtsstaat bestellt ist. Anders als der Roland-Rechtsreport (s. dazu zuletzt ZAP 2024, 306) wurde die Untersuchung nicht nur in Deutschland, sondern in sechs ausgewählten europäischen Ländern (Deutschland, Großbritannien, Italien, Niederlande, Norwegen und Spanien) sowie den USA durchgeführt. Mit der Erhebung sollte die Einschätzung der Bürger zum Rechtssystem insgesamt, aber auch zu einzelnen Institutionen, wie etwa Gerichten, Rechtsanwaltschaft und Rechtsschutzversicherungen, beleuchtet sowie auch ein internationaler Vergleich durchgeführt werden.
Die Studie zeigt auf, dass bei den sechs untersuchten europäischen Staaten ein starkes Nord-Süd-Gefälle bezüglich des Vertrauens in den eigenen Rechtsstaat herrscht: Mit Abstand am meisten vertrauen die Menschen in Norwegen in ihren Rechtsstaat (81 %). Es folgen das Vereinigte Königreich (74 %) und die Niederlande (64 %). An diese hohen Vertrauenswerte kommen die Werte aus Deutschland nicht ganz heran: 62 % der Befragten sprachen hierzulande dem Rechtsstaat ihr Vertrauen aus. Die beiden südeuropäischen Länder Spanien und Italien wiesen mit 49 bzw. 43 % die niedrigsten Werte aus. In den USA gaben 71 % der Befragten an, ihrem Rechtsstaat zu vertrauen.
Bei den Detailfragen zeichnen meist die Niederländer das positivste Bild von ihrem Rechtsstaat. Von ihnen sind beispielsweise 77 % der Meinung, dass ihr Staat ihre Grundrechte schützt, gefolgt von den USA (72 %), Deutschland (70 %), Norwegen (69 %) und dem Vereinigten Königreich (68 %). In Spanien sind hingegen nur 57 % und in Italien die Hälfte der Befragten davon überzeugt. Vor den Gerichten ihres Landes gut aufgehoben fühlen sich 68 % der Bewohner der Niederlande, gefolgt von den Norwegern, Deutschen und den Briten. In den USA sind es nur gut die Hälfte. Italien hat mit 36 % auch hier den niedrigsten Wert.
Bei der Einschätzung, ob alle Bürger vor dem Gesetz gleich seien, herrscht in den Niederlanden mit 72 % die höchste Zustimmung; demgegenüber denken dies nur 37 % der Italiener und 34 % der Spanier. In Deutschland, Norwegen, dem Vereinigten Königreich und den USA sind jeweils etwas mehr als die Hälfte der Befragten von einer Gleichbehandlung überzeugt. Sind die Richter meines Landes unbefangen? Davon sind 69 % der Niederländer und 61 % der Deutschen überzeugt. Norwegen und das Vereinigte Königreich liegen auf Platz drei und vier. Am wenigsten an die Unbefangenheit ihrer Richter glauben die Befragten in Italien (38 %), den USA (37 %) und Spanien (33 %).
Interessant ist auch, wie die Menschen in den untersuchten sieben Ländern konkret mit eigenen Rechtsproblemen umgehen. So wenden sich in Deutschland die meisten Befragten zunächst an einen Anwalt (57 %), die zweitwichtigste Anlaufstelle der Deutschen ist mit 37 % der Rechtsschutzversicherer, gefolgt von Organisationen wie Verbrauchervereinen und Gewerkschaften (32 %) sowie Familie und Freunden (30 %). In allen anderen Ländern sind die ersten Anlaufstellen für rechtliche Probleme nach den Anwälten die Familie bzw. Freunde und Bekannte, erst danach kommen die genannten Organisationen sowie die Rechtsschutzversicherer – mit Ausnahme der Niederlande: Hier sind die Versicherer sogar die erste Anlaufstelle für Rechtssuchende.
Nahezu jeder Vierte gab bei der Erhebung zudem an, dass er bisher mindestens einmal einen rechtlichen Streitfall nicht vor Gericht verfolgt und damit nachgegeben habe, obwohl er sich im Recht fühlte. Die Hauptgründe für die Vermeidung eines Rechtsstreits sind die hohen Kosten, in erster Linie für Anwälte, der Stress und die emotionale Belastung sowie die Befürchtung, dass die Kosten des Rechtsstreits die potenziellen Vorteile überwiegen. Auch bestätigte die Studie, dass länderübergreifend nicht einmal die Hälfte der Befragten glaubt, dass sie ihre rechtlichen Probleme schnell vor Gericht lösen können. Am meisten denken dies noch mit 46 % die Niederländer. Das Vereinigte Königreich, Norwegen, die USA und Deutschland liegen zwischen 39 % und 34 %, Spanien und Italien bei 22 bzw. 21 %.
Speziell mit Blick auf Deutschland zog Dr. Renko Dirksen, Vorstandssprecher der ARAG, das folgende Fazit aus der Studie: „Im internationalen Vergleich genießt der deutsche Rechtsstaat nicht das Vertrauen, das ihm eigentlich zusteht. Die starke Regulierung des deutschen Rechtsmarktes scheint kein Qualitätsmerkmal mit erkennbarem Mehrwert für die Rechtssuchenden zu sein.“
[Quelle: ARAG]