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EuGH bestätigt Fremdbesitzverbot bei Anwaltskanzleien

Über das Fremdbesitzverbot, also die im deutschen anwaltlichen Berufsrecht enthaltene Bestimmung, wonach es unzulässig ist, Geschäftsanteile an einer Rechtsanwaltsgesellschaft auf einen reinen Finanzinvestor zu übertragen (§ 59e BRAO), wird unter Berufsrechtlern seit Jahren gestritten. Während die einen es für unverzichtbar halten, um die anwaltliche Unabhängigkeit gegenüber Kapitalinvestoren zu gewährleisten, sehen andere vor dem Hintergrund sich wandelnder wirtschaftlicher Rahmenbedingungen die Notwendigkeit, Kapital für Investitionen etwa im Legal-Tech-Bereich durch den Einstieg von Investoren zu mobilisieren. Nun hat sich der EuGH – auf Vorlage des Bayerischen Anwaltsgerichtshofs – zu der Streitfrage geäußert. Er hält das Fremdbesitzverbot für mit EU-Recht vereinbar (EuGH, Urt. v. 19.12.2024 – C-295/23, vgl. ZAP 2025, 86, in diesem Heft).

Hintergrund der Vorlage an den EuGH war der Fall der Halmer Rechtsanwaltsgesellschaft, die 2021 eine Mehrheit ihrer Anteile (51 %) an eine österreichische Beteiligungsgesellschaft abgetreten hatte. Obwohl zuvor durch Satzungsänderung klargestellt wurde, dass der neue Mehrheitseigner keinen Einfluss auf die anwaltliche Tätigkeit nehmen darf, widerrief die Rechtsanwaltskammer München die Zulassung der Anwaltsgesellschaft. Der daraufhin von den Anwälten angerufene Anwaltsgerichtshof hatte Zweifel, ob das von der Kammer geltend gemachte Fremdbesitzverbot nicht vielleicht gegen höherrangiges EU-Recht (Niederlassungsfreiheit und Grundsatz des freien Kapitalverkehrs) verstößt und bat den EuGH um Klärung.

Dieser hielt die fragliche deutsche Berufsausübungsregelung für EU-rechtskonform. Wie die Luxemburger Richter ausführten, stellt das Fremdbesitzverbot zwar eine Beschränkung der EU-Dienstleistungsrichtlinie und der Bestimmungen über den freien Kapitalverkehr dar; die Einschränkung sei aber durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt. Ein Mitgliedstaat könne nämlich legitimerweise davon ausgehen, dass ein Rechtsanwalt nicht mehr in der Lage sei, seinen Beruf unabhängig und unter Beachtung seiner Berufs- und Standespflichten auszuüben, wenn er einer Gesellschaft angehöre, zu deren Gesellschaftern Personen zählen, die ausschließlich als reine Finanzinvestoren handelten, ohne den Rechtsanwaltsberuf oder einen anderen, vergleichbaren Regeln unterliegenden Beruf auszuüben. Für die Ausübung des Anwaltsberufs sei es unerlässlich, dass es nicht zu Interessenskonflikten komme, führt das Gericht aus; diese Konflikte seien aber nicht auszuschließen, wenn Finanzinvestoren an einer Anwaltsgesellschaft beteiligt seien. Ihr Einfluss könne die Unabhängigkeit der anwaltlichen Berufsausübung beeinträchtigen, selbst wenn der Einfluss nicht direkt auf die Mandatsbearbeitung, sondern nur mittelbar ausgeübt werde; denkbar seien hier z.B. ein Hinwirken auf Kostensenkungen oder auf eine bestimmte Zusammensetzung der Mandantschaft. Die berufsrechtlichen Regelungen seien auch verhältnismäßig, denn sie würden nicht über das hinaus reichen, was zur Erreichung des legitim verfolgten Ziels erforderlich sei.

Die Entscheidung des EuGH erging zwar zur alten Fassung des § 59e BRAO, also derjenigen, die vor der sog. Großen BRAO-Reform im Juli 2022 galt. Mit der Reform hat der Gesetzgeber die Regelung etwas gelockert und den Kreis der sozietätsfähigen Berufe auf alle freien Berufe nach § 1 Abs. 2 PartGG ausgeweitet (Abs. 1 Nr. 4). An dem eigentlichen Fremdbesitzverbot hat er aber nichts geändert, so dass anzunehmen ist, dass das Urteil des EuGH auch auf die neue Rechtslage anwendbar ist. Dennoch zeigten sich nach der Entscheidung einige Berufsrechtler enttäuscht, dass die Luxemburger Richter auf die neue Rechtslage nicht mehr eingegangen sind. Ebenso bemängelten sie, dass das Urteil die Bedenken des Generalanwalts des EuGH in dessen Schlussanträgen nicht aufgegriffen habe; in diesen Empfehlungen an das Gericht hatte der Generalanwalt ausgeführt, dass er die fraglichen deutschen Berufsrechtsregelungen insgesamt für „nicht kohärent“ halte (vgl. näher dazu ZAP 2024, 701 f.). Das aber wären die „eigentlich spannenden“ Fragen gewesen, so die Kritik.

Demgegenüber begrüßten die Bundesrechtsanwaltskammer und der Deutsche Anwaltverein das Urteil aus Luxemburg umgehend. Das Fremdbesitzverbot zähle zu den „Kernwerten der Anwaltschaft“, betonte die BRAK in einer Mitteilung; Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte müssten ihren Beruf frei ausüben können, das diene in besonderem Maße auch dem Schutz der Mandantinnen und Mandanten, die sich auf die Unabhängigkeit der sie beratenden Anwältinnen und Anwälte verlassen können müssten. Ähnlich bekräftigte der DAV, dass die Unabhängigkeit der Anwaltschaft „hinsichtlich des Beteiligungsverbots reiner Finanzinvestoren nicht verhandelbar“ sei.

[Quellen: EuGH/BRAK/DAV]

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