Unverhältnismäßig hohe anwaltliche Erfolgshonorare können die Meinungsfreiheit verletzen. Das ist jedenfalls dann der Fall, wenn für einen Zeitungsverlag das Prozessrisiko derart erhöht wird, dass davon die Berichterstattung beeinflusst wird. Dies hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) kürzlich entschieden (Entscheidung v. 12.11.2024 – Appl.-Nr. 37398/21).
Hintergrund der Entscheidung war ein in Großbritannien entschiedener Zivilprozess. Eine britische Zeitung hatte über Hintergründe eines Terroranschlags berichtet und dabei auch einen in England lebenden libyschen Staatsbürger namentlich genannt. Er war zwar Gegenstand der polizeilichen Ermittlungen, diese mündeten allerdings in seinem Fall nicht in ein Strafverfahren. Der Betroffene machte anschließend in einem Schadensersatzprozess gegen die Zeitung geltend, er habe durch die Berichterstattung seine Anstellung verloren und auch weitere Nachteile erlitten. Das Gericht sprach dem Kläger Schadensersatz zu, darunter auch fast 250.000 britische Pfund für ein anwaltliches Erfolgshonorar.
Dies wiederum hielt die Verlagsgesellschaft der Zeitung für eine Verletzung ihrer Rechte und klagte vor dem EGMR. Mit Erfolg: Der Straßburger Gerichtshof sah in der Belastung der zivilprozessualen Beklagten mit einem außerordentlich hohen Erfolgshonorar eine Verletzung der Meinungsfreiheit i.S.d. Art. 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK). Derartige Erfolgshonorare könnten das Prozesskostenrisiko für Medienunternehmen nämlich so stark erhöhen, dass sie im Zweifel auf eine Berichterstattung verzichteten.
Dass die im Schadensersatzprozess unterlegene Verlagsgesellschaft nach einer persönlichkeitsverletzenden Berichterstattung aber für die Versicherungsprämien des Klägers aufkommen muss, die dessen Rechtskostenrisiko voll abdecken (sog. After-the-Event-Versicherungen – ATE), hielt das Gericht hingegen mit Blick auf den Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit für unbedenklich. Begründung: Die ATE-Versicherung biete nicht nur einem Kläger, sondern auch einem erfolgreichen Beklagten Schutz. So hätte es im konkreten Fall nämlich keinerlei Anhaltspunkte dafür gegeben, dass der Kläger im Falle der Erfolgslosigkeit seiner Klage selbst hätte für die Prozesskosten der Beklagten aufkommen können.
[Quelle: EGMR]