Nicht nur Mandatsträger, Vollstreckungs- und Rettungskräfte sehen sich in den letzten Jahren vermehrt Übergriffen und Bedrohungen ausgesetzt; diese haben inzwischen einen Umfang angenommen, der den Gesetzgeber veranlasst hat, bessere Vorschriften zum Schutz dieser Berufsgruppen einzuführen (s. dazu zuletzt ZAP 2024, 797 und 947). Auch Rechtsanwältinnen undRechtsanwälte werden in der Freiheit und Sicherheit ihrer Berufsausübung zunehmend bedroht. In einem Bericht zur Lage der Anwaltschaftin seinen 46 Mitgliedstaaten kam der Europarat bereits im Jahr 2017 zu dem Ergebnis, dass Anwältinnen und Anwälte in vielen Ländern Repressalien ausgesetzt sind und physische Bedrohungen erfahren. Diese gehen zum Teil von der Staatsgewalt selbst aus, indem die Berufsangehörigen etwa an der Berufsausübung gehindert oder sogar inhaftiert werden.
Zum Schutz von Anwälten gibt es zwar bereits einige UN-Resolutionen, etwa die „Basic Principles on the Role of Lawyers“ von 1990, sowie auch eine Empfehlung des Europarat-Ministerkomitees aus dem Jahr 2000 über die freie Ausübung des Rechtsanwaltsberufs. Diese Regelungen sind aber nicht verbindlich und z.T. auch nicht mehr auf dem Stand der heutigen Bedrohungslage. Der Europarat plant aus diesem Grund derzeit ein rechtlich bindendes völkerrechtliches Instrument zum Schutz der Anwaltschaft als Organ der Rechtspflege. Er hat denEntwurf einer Europäischen Konvention zum Schutz der anwaltlichen Berufsausübung (European Convention for the Protection of the Profession of Lawyers) erarbeitet, die als – weltweit erstes rechtlich bindendes Instrument zum Schutz von Anwältinnen und Anwälten – Vorschriften zum individuellen Schutz der Anwältinnen und Anwälte und ihrer Tätigkeit enthalten soll, von der Freiheit der Mandatsübernahme über die Sicherung der ungehinderten Mandantenkommunikation bis hin zur Verhältnismäßigkeit und Gesetzmäßigkeit von Disziplinarmaßnahmen. Nach dem Konventionstext müssen die Staaten künftig für einen angemessenen Schutz von Anwälten Sorge tragen, etwa durch hinreichende Strafgesetze oder auch durch Präventionsmaßnahmen. Darüber hinaus will die Konvention auch die anwaltlichen Berufsvertretungen schützen. Der Europarat erachtet deren Unabhängigkeit als zentral, da sie die Interessen der einzelnen Berufsangehörigen wahrnehmen und auch kollektivdie Interessen des Berufsstands gegenüber der Politik vertreten.
Mitte November hat die geplante Konvention eine entscheidende Hürde genommen: Der Ausschuss für rechtliche Zusammenarbeit des Europarates hat den Regelungsvorschlag in seiner 103. Plenarsitzung angenommen. Gebilligt werden muss die Konvention jetzt auch noch durch das Ministerkomitee, was etwa für Mitte Mai deslaufenden Jahres geplant ist. Danach steht esjedem Mitgliedstaat frei, die Konvention zu zeichnen und zu ratifizieren.
[Red.]