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Beschlüsse der Herbst-Justizministerkonferenz

Ende November fand in Berlin die diesjährige Herbst-Justizministerkonferenz statt. Unter dem Vorsitz des Landes Niedersachsen erörterten die Ressortchefs des Bundes und der Länder – neben vielen zivil- und strafrechtlichen Themen – insb. Fragen der Digitalisierung in der Justiz. Beschlossen wurde die Einrichtung einer innovativen Justiz-Cloud, die den derzeitigen elektronischen Rechtsverkehr perspektivisch ablösen soll. Im Ausländerrecht soll nach dem Willen der Justizminister der anwaltliche Beistand teilweise beschnitten werden. Die aus Anwaltssicht interessantesten Beschlüsse sind nachfolgend kurz zusammengefasst.

I.Digitalisierung der Justiz

Auf der Grundlage einer kürzlich erstellten Machbarkeitsstudie haben die Justizminister in Berlin die Grundlage für die Einführung einer bundeseinheitlichen Justiz-Cloud, d.h. einer gemeinsamen Cloud-Infrastruktur für justizbezogene IT-Anwendungen von Bund und Ländern gelegt. Deren Aufbau soll noch 2025 beginnen und bereits Ende 2026 in einer ersten Version arbeitsfähig sein. Nach Auffassung der Ressortchefs hat eine Cloud-Infrastruktur für justizbezogene IT-Anwendungen zahlreiche Vorteile: Entwicklungen und Ressourcen würden gebündelt, die Anwendungen zentral betrieben und könnten für alle Nutzer ohne Installation auf deren jeweiligen Endgeräten bereitgestellt werden. Auch die Kommunikation würde stark vereinfacht: Dokumente müssten nicht mehr hin- und hergeschickt werden, sondern würden einfach in der entsprechenden Cloud-Anwendung abgelegt. Eine solche Justiz-Cloud werde ein „Meilenstein“, der – aus Kosten- und Effizienzgründen – jetzt kommen müsse, bekräftigten die Konferenzteilnehmer.

In weiteren Beschlüssen regten die Ressortchefs die Einrichtung von sog. KI-Reallaboren an, um die Vorteile künstlicher Intelligenz – etwa bei der Bewältigung komplexer Verfahren und wegen immer knapper werdender personeller Ressourcen – sowohl der Justiz als z.B. auch den Rechtsdienstleistern zur Verfügung stellen zu können. Um die Digitalisierung weiter voranzubringen, sollen zudem auch Banken, Versicherungen, Rechtsdienstleister und große Unternehmen zur Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr verpflichtet werden. Ebenso sollten nach dem Willen der Minister §§ 135 und 137 GBO mit dem Ziel geändert werden, die an Grundbuchsachen beteiligten Behörden zur Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr zu verpflichten.

II.Zivilrecht

Ein Schwerpunkt der Tagung lag auf dem Zivilrecht, zu dem die Minister rund ein Dutzend Beschlüsse fassten. Mehrere „Baustellen“ hatten sie z.B. im Mietrecht ausgemacht. Hier bemängelten sie u.a. Vermieterpraktiken, bei denen Wohnungssuchenden ein Mietvertragsabschluss häufig nur um den Preis einer „Vertragsausfertigungsgebühr“ oder ähnlicher Einmalzahlungen’gewährt wird. Derartige Gebührenvereinbarungen, die die angespannte Marktsituation im’Wohnungsbereich ausnutzten, stünden im Widerspruch zu Grundprinzipien des Zivilrechts, etwa dem „Bestellerprinzip“, sind die Ressortchefs überzeugt. Sie forderten den Bundesjustizminister auf, ein gesetzliches Verbot solcher Zusatzgebühren in Angriff zu nehmen. Bei sog. Haustürgeschäften wollen sie die Konsumenten besser vor unseriösen Geschäftspraktiken schützen. Hier reiche die bisher geltende 14-tägige Widerrufsfrist für Käufer häufig nicht aus, um rechtlichen Rat zum weiteren Vorgehen einzuholen, argumentierten die Minister. Sie schlugen eine Verlängerung auf 30 Tage vor.

Im Familienrecht beschäftigten sie sich u.a. mit der möglichen Kollision einer Vaterschaftsanerkennung nach deutschem Recht mit der nachwirkenden Vaterschaft nach einer im Ausland nach dortiger Rechtsordnung erfolgten Ehescheidung. Die Anwendung des Art. 19 Abs. 1 EGBGB führe hier oft zu unbefriedigenden Ergebnissen, wenn ein Kind unmittelbar nach einer rechtskräftigen Scheidung zur Welt komme und die Vaterschaftsanerkennung mit der ausländischen Vorschrift der nachwirkenden Vaterschaft des geschiedenen Ehemannes kollidiere, so die Minister. Sie schlugen eine Neuregelung vor, die der Vaterschaftsanerkennung nach deutschem Recht Vorrang vor einer ausländischen nachwirkenden Vaterschaft einräumt.

III.Ausländerrecht

Migration und Asyl bildeten im Unterschied zu’vorangegangenen Tagungen diesmal keinen Schwerpunkt der Konferenz; lediglich drei Tagesordnungspunkte befassten sich mit diesem Themenkreis. Trotzdem dürfte einer der Punkte für Aufsehen – vor allem in der Anwaltschaft – sorgen: Die Minister beschlossen, eine Aufhebung des § 62d AufenthG vorzuschlagen, d.h. sie wollen das Recht auf (anwaltlichen) Rechtsbeistand bei der Abschiebehaftanhörung streichen. Die Vorschrift habe zu einer Mehrbelastung der Justiz geführt, so die Begründung. Die Vorbereitung und die Durchführung von Abschiebungshaftanhörungen seien durch die in jedem Fall von Amts wegen erforderliche Bestellung eines Rechtsanwalts zeitintensiver sowie komplexer geworden; das Ziel des Gesetzes, Rückführungen zu erleichtern, sei insoweit erschwert worden. Eine Abschaffung des Paragrafen sei vertretbar, da schon die bislang bestehenden Vorschriften zur Bestellung eines Verfahrenspflegers und Beiordnung eines Rechtsanwalts die Rechte der Betroffenen wahren würden.

IV.Strafrecht/Strafprozess

Schwerpunkte des strafrechtlichen Teils der Konferenz waren das Vorgehen gegen die organisierte Kriminalität sowie die Ausweitung der Befugnisse der Ermittlungsbehörden. So schlugen die Ressortchefs u.a. eine Ausdehnung der Quellen-TKÜ nach § 100a Abs. 1 StPO auf weitere Straftaten vor, ebenso eine vereinfachte Funkzellenauswertung i.S.d. § 100g Abs. 3 StPO. Auch wünschen sie sich einen besseren Zugriff der Strafverfolger auf verschlüsselte Messenger-Dienste. Probleme der Ermittler sehen die Minister derzeit auch bei der Anbringung von Abhörgeräten in modernen, zunehmend besser gegen Einbruch und Diebstahl geschützten Pkw; hier sollen die Kfz-Hersteller in Zukunft zur Mitwirkung bei der sog. „verdeckten Fahrzeugöffnung“ verpflichtet werden.

Nicht zuletzt wünschen sich die Ressortchefs einen besseren (auch strafrechtlichen) Schutz älterer Menschen. Vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung sehen sie ältere Menschen zum einen zunehmend durch „täuschungsbasierte Eigentums- und Vermögensdelikte“ wie etwa Schockanrufe und Enkeltricks gefährdet; zum anderen verweisen sie auch auf das Phänomen der Gewalt- und Aggressionsdelikte im häuslichen und stationären Pflegebereich. Diesen Gefährdungen wollen die Justizminister durch gesetzgeberische Maßnahmen, ggf. in Kooperation mit ihren Ministerkollegen aus den Familienressorts, entgegenwirken.

[Quelle: JuMiKo]

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