Nach dem Bruch der Ampel-Koalition Anfang November ist unklar, wie viele der derzeit im Gesetzgebungsgang befindlichen Vorhaben im Rest der laufenden Legislaturperiode noch umgesetzt werden können oder nach den bereits für Februar geplanten Neuwahlen der sog. materiellen Diskontinuität unterfallen und damit entweder als gescheitert betrachtet oder aber in der nächsten Legislatur ganz neu aufgesetzt werden müssten. Einigermaßen sicher ist nur, dass Vorhaben, die parlamentarisch nicht ohnehin bereits auf der „Zielgeraden“ sind, keine Chance auf Realisierung mehr haben. Dazu dürfte etwa die große Reform im Familienrecht mit den geplanten Modernisierungen im Kindschaftsrecht, im Abstammungsrecht und im Unterhaltsrecht zählen, ebenso wie einige Vorhaben aus dem Bundesarbeits- und Sozialministerium, wie das Rentenpaket II.
Aus Sicht von Rechtsanwälten besonders misslich ist, dass viele weit gediehene Gesetzgebungsprojekte, für die die Anwaltschaft lange und intensiv gekämpft hatte, ebenfalls auf der Kippe stehen. Dazu zählen etwa das geplante Kostenrechtsänderungsgesetz 2025 mit der dringend benötigten Anhebung der Anwaltsvergütung (s. dazu näher ZAP 2024, 659), die ZPO-Änderungen zur Videoverhandlung und die von Strafrechtlern lange angemahnte Dokumentation der Hauptverhandlung. Auch weitere „Baustellen“, wie die Rettung der Sammelanderkonten und die Klärung der künftigen anwaltlichen Kommunikation mit den Finanzämtern (s. hierzu zuletzt ZAP 2024, 1007) sowie die Erprobung von Online-Verfahren im Zivilprozess (s. dazu ZAP 2024, 661), drohen zu verwaisen. Vieles wird davon abhängen, welche Kompromisse über Parteigrenzen hinweg noch im Bundestag organisiert werden können.
Größere Hoffnung gibt es hierbei für Projekte, die auch von der Opposition mitgetragen werden. Dazu zählt vor allem die Stärkung der Resilienz des Bundesverfassungsgerichts. Diese wurde unmittelbar nach dem Ende der Ampel-Koalition in einem gemeinsamen Appell mehrerer juristischer Verbände – darunter die BRAK, der DAV, der Deutsche Richterbund, der deutsche Juristinnenbund und der Deutsche Juristentag – nochmals angemahnt und dürfte es – dank eines breiten parlamentarischen Konsenses – vor der Neuwahl noch ins Bundesgesetzblatt schaffen (zu der Sachverständigenanhörung hierzu s. auch den nachstehenden Beitrag).
Es bleibt zu hoffen, dass noch einige weitere wichtige der bereits im parlamentarischen Gang befindlichen Gesetzesprojekte kurzfristig ihren Abschluss finden. In ihnen steckt nicht nur viel geleistete Arbeit aus Ministerien, Verbänden, Wirtschaft und Wissenschaft; viele werden auch dringend benötigt.
[Red.]