Die Bundesregierung hat kürzlich ein neues Gesetzespaket beschlossen, um die Sicherheitslage in Deutschland zu verbessern. Vorgesehen sind darin verschiedene Maßnahmen zur Bekämpfung irregulärer Migration, Verschärfungen im Waffenrecht und mehr Befugnisse für die Ermittlungsbehörden, etwa zur Auswertung des Internets mittels biometrischer Verfahren (vgl. dazu auch ZAP 2024, 891). Ende September fand zu dem Vorhaben eine Sachverständigenanhörung im Innenausschuss des Deutschen Bundestages statt. Die eingeladenen Experten äußerten sich überwiegend skeptisch, was die Praxistauglichkeit des Sicherheitspakets betrifft; mehrere von ihnen hielten das Vorhaben sogar für verfassungs- bzw. europarechtswidrig.
So sah es der Vertreter des Deutschen Städte- und Gemeindebundes als fraglich an, ob die Inhalte des Sicherheitspakets tatsächlich die objektive Sicherheit in Deutschland effektiv erhöhen würden. Erwar vielmehr der Meinung, dass es relevanter Reformen bei den Zuständigkeiten und Kompetenzen aller Beteiligten bedarf. Insbesondere müssten die Polizei, die Ausländerbehörden sowie die mit den Abschiebungen befassten Stellen der Länder personell besser ausgestattet werden. Ein von der Freien und Hansestadt Hamburg entsandter Beamter machte ebenfalls grundsätzliche Bedenken gegen die Systematik und gegen die Vollzugsfähigkeit der Regelungen im Gesetzentwurf geltend. Er hob vor allem auf die geplanten neuen Waffenverbotszonen ab; danach soll es ermöglicht werden, größere Teile von Deutschland generell als Verbotsgebiete auszuweisen, also etwa alle Volksfeste oder den gesamten öffentlichen Nahverkehr. Zu befürchten sei, so der Experte, dass schon aufgrund des Umfangs umfassende polizeiliche Kontrollen nicht möglich seien. Auch ein Kriminaloberrat von der Leitstelle Nationales Waffenregister (NWR) in Hamburg meinte, bezogen auf das Waffenrecht zeuge der Gesetzentwurf von Praxisferne, beinhalte fachliche Fehler und mache den derzeit ohnehin schon bestehenden Wust an unnötiger Bürokratie noch größer. Keine der vorgesehenen waffenrechtlichen Maßnahmen hätte nach seiner Überzeugung die Taten von Mannheim und Solingen verhindert.
Mit Blick auf die geplanten neuen Ermittlungsbefugnisse zur biometrischen Durchleuchtung des Internets äußerte ein Experte von der Universität Bremen, die Vorschläge überträfen alles, was es bisher im Bereich der digitalen Überwachung gegeben habe. Er sprach von einem „sicherheitsbehördlichen Daten-Supergau“. Bei der geplanten Vorfeld-Erfassung von persönlichen Daten solle der Ausnahmefall unbegründet zum Regelfall gemacht werden. Dies gewinne immer mehr an Gefährlichkeit, je mehr Daten imInternet gespeichert seien. Damit käme man dem viel befürchteten „gläsernen Bürger“ näher als jemals zuvor. Eine Vertreterin von der Gesellschaft für Freiheitsrechte sprach von zahlreichen übereilten Maßnahmen, die das Land nicht sicherer machen würden. Den Verfassern der geplanten Regelungen habe es offenbar an der nötigen Besonnenheit und an einem rechtsstaatlichen Augenmaß gefehlt. Die Verschärfungen ließen eine gewissenhafte Abwägung von Grundrechten vermissen und berücksichtigten an vielen Stellen nicht die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sowie höherrangiges Recht. Ein Professor von der Universität des Saarlandes war der Auffassung, dass die technische Konzeption zur Verarbeitung personenbezogener Daten, besonders die Biometrie, in dem Entwurf so unkonkret gefasst sei, dass sie kaum im Detail zu überprüfen sei. Dabei seien sehr weitreichende Eingriffe vorgesehen, ohne dass sie irgendwie eingehegt würden und ohne dass die Bürger wüssten, worauf sie sich einstellen müssten. Es gehe hier nicht nur um Daten von Verdächtigen, sondern im Prinzip unbegrenzt um „alles, was man im Internet finden könne“. Er bezweifelte deshalb die Vereinbarkeit mit höherrangigem europäischem Recht.
Einen gegenteiligen Standpunkt nahm die Vizepräsidentin des Bundeskriminalamtes ein. Sie betonte die Bedeutung der Regelungen zum biometrischen Internet-Abgleich. Die Identifizierung von Attentätern oder Gefährdern, die noch nicht polizeilich in Erscheinung getreten seien, werde dadurch erheblich erleichtert. Die Schaffung neuer Rechtsgrundlagen, etwa für eine automatisierte Datenanalyse, sei für eine zeitgemäße Polizeiarbeit von wesentlicher Bedeutung. In eine ähnliche Richtung argumentierte der Bundesvorsitzende der Bundespolizeigewerkschaft. Er legte dar, dass sich in Deutschland derzeit rund 300.000 ausreisepflichtige Personen befänden, von denen 50.000 sofort ausreisepflichtig und teilweise sogar mit Haftbefehlen ausgeschrieben seien; sie würden von der Bundespolizei regelmäßig insb. an Bahnhöfen festgestellt. Derzeit seien der Behörde aber die Hände gebunden, um aufenthaltsbeendende Maßnahmen durchzusetzen, da es ihr an Zuständigkeiten mangele.
[Quelle: Bundestag]