Der Deutsche Bundestag hat Ende September den bereits Mitte vergangenen Jahres erstmals vom Bundesjustizministerium vorgelegten Gesetzentwurf zur Einführung von Leitentscheidungsverfahren beim Bundesgerichtshof (vgl. dazu ZAP 2023, 573) gebilligt. Damit kann das höchste deutsche Zivilgericht künftig in Massenverfahren schneller zu einer Rechtsvereinheitlichung beitragen.
Das massenhafte Einklagen von gleichgelagerten Ansprüchen im Wege einzelner Verfahren (z.B. im sog. Diesel-Skandal oder bei unzulässigen Klauseln in Fitnessstudio-, Versicherungs- oder Bankverträgen) hat in letzter Zeit stark zugenommen. Häufig gibt es dabei rechtliche Streitfragen, die alle Verfahren gleichermaßen betreffen. Solange diese Fragen noch nicht höchstrichterlich geklärt wurden, laufen die meisten dieser Verfahren durch alle Instanzen. Und selbst wenn ein Verfahren endlich beim BGH angekommen ist, kann eine höchstrichterliche Klärung durch die Parteien noch dadurch verhindert werden, indem das Revisionsverfahren durch eine Rücknahme oder einen Vergleich beendet wird. Aus Sicht des BMJ belastet diese Situation die Justiz unnötig; durch eine frühzeitige Klärung der einschlägigen Grundsatzfragen durch den BGH soll in derartigen Verfahren eine deutliche Verfahrensbeschleunigung erreicht werden. So soll Karlsruhe die einschlägigen grundsätzlichen Rechtsfragen in Massenverfahren auch dann entscheiden können, wenn die Parteien das Verfahren anderweitig beendet haben. Künftig soll gelten:
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Wird in einem Massenverfahren eine Revision eingelegt, so kann der BGH dieses Verfahren zu einem Leitentscheidungsverfahren bestimmen.
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Er entscheidet über die grundsätzlichen Rechtsfragen auch dann, wenn sich das Revisionsverfahren z.B. durch Rücknahme erledigt hat – er trifft die Entscheidung dann als neuartige Leitentscheidung.
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Diese Leitentscheidung hat keine Auswirkungen auf das einzelne Revisionsverfahren: Den Parteien bleibt es unbenommen, sich zu vergleichen oder die Revision zurückzunehmen.
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Die Leitentscheidung dient – wie eine Revisionsentscheidung sonst auch – den unteren Instanzen als Richtschnur und Orientierung. Dies soll für eine Entlastung der Gerichte durch Vermeidung weiterer Klagen oder Rechtsmitteleinlegungen zur selben Rechtsfrage sorgen und Betroffenen so auch Kosten ersparen.
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Gerichte können bei ihnen anhängige Parallelverfahren im Einverständnis mit den Parteien bis zur Revisions- oder Leitentscheidung aussetzen.