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Zeitpunkt der Zustellung eines Einwurf-Einschreibens

Eine interessante Entscheidung zur Zustellung von Willenserklärungen durch die Post hat kürzlich das Bundesarbeitsgericht gefällt. Im Anschluss an die Rechtsprechung des BGH will das BAG auch bei der Zustellung von Einwurf-Einschreiben die Grundsätze des Anscheinsbeweises anwenden. Danach gilt: Wird ein Einwurf-Einschreiben von der Deutschen Post AG in den Briefkasten gelegt, gilt der Anschein des Zugangs zu postüblichen Zeiten an diesem Tag (BAG, Urt. v. 20.6.2024 – 2 AZR 213/23).

Der Fall: Einer angestellten Ärztin wurde von ihrem Arbeitgeber zum 31.12. per Einwurf-Einschreiben gekündigt. Die Parteien stritten anschließend darum, ob das Schreiben fristgerecht spätestens am 30.9. zugestellt worden war. Unstreitig war es an diesem Tag vom Briefträger in ihren Briefkasten gelegt worden; die Klägerin bestritt jedoch, dass dies zu den üblichen Postzustellungszeiten geschehen war.

Das BAG gab – wie schon die Vorinstanz – dem Arbeitgeber Recht. Zu seinen Gunsten greife hier ein Anscheinsbeweis. Die Erfurter Richter schlossen sich der Argumentation des BGH an, wonach der Beweis des ersten Anscheins bei typischen Geschehensabläufen eingreift, also in Fällen, in denen ein bestimmter Sachverhalt feststeht, der nach der allgemeinen Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache oder auf einen bestimmten Ablauf als maßgeblich für den Eintritt eines bestimmten Erfolgs hinweist. Dabei bedeutet Typizität nicht, dass die Ursächlichkeit einer Tatsache für den Erfolg bei allen Sachverhalten der Fallgruppe immer vorhanden sein muss; sie muss aber so häufig gegeben sein, dass die Wahrscheinlichkeit, einen solchen Fall vor sich zu haben, sehr groß ist (vgl. BGH, Urt. v. 12.12.2023 – VI ZR 76/23). Diese Voraussetzung sah der Senat vorliegend als gegeben an: Die postüblichen Zustellzeiten würden durch das Zustellverhalten von Briefzustellern der Deutschen Post AG geprägt. Und diese hätten die Zustellungen im Rahmen der ihnen zugewiesenen Arbeitszeiten zu bewirken. Deshalb spreche hier alles dafür, dass das fragliche Schreiben während der regulären Arbeitszeit des Postboten und damit auch zu den „postüblichen Zustellzeiten“ in den Briefkasten der Ärztin eingeworfen worden sei.

Der Senat betonte, dass der Anscheinsbeweis der Zustellung allerdings dadurch erschüttert werden könne, dass der Empfänger atypische Umstände des Einzelfalls darlege und Tatsachen nachweise, die die ernsthafte Möglichkeit eines abweichenden Geschehensablaufs nahelegten (so schon BGH, Urt. v. 26.1.2016 – XI ZR 91/14). Das könne, so das BAG, etwa der Fall sein, wenn andere Zustelldienste einen maßgeblichen Anteil an der Postzustellung hätten und diese außerhalb der Arbeitszeit der Briefzusteller der Deutschen Post AG vornähmen. Dazu habe die Klägerin hier aber nichts vorgetragen; vielmehr habe sie sich auf eine sog. Erklärung mit Nichtwissen beschränkt.

[Quelle: BAG]

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