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BRAK zur Strafbarkeit des Besitzes einer „nicht geringen Menge“ Cannabis

Nach der Teillegalisierung von Cannabis durch das Konsumcannabisgesetz vom Frühjahr dieses Jahres (vgl. dazu ZAP 2024, 347) wurde auch die Strafbarkeit neu geregelt, insbesondere wurden die Strafrahmen erheblich herabgesetzt. Tatbestandsmerkmale, die zuvor im Betäubungsmittelgesetz (BtmG) verankert waren, wurden jedoch größtenteils übernommen, u.a. auch das Merkmal der „nicht geringen Menge“.

So liegt gem. § 34 Abs. 3 Nr. 4 KCanG ein besonders schwerer Fall i.d.R. dann vor, wenn der Täter „eine Straftat nach Absatz 1 begeht und sich die Handlung auf eine nicht geringe Menge bezieht.“ Und gem. § 34 Abs. 4 Nr. 3 bzw. Nr. 4 KCanG ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren, in minder schweren Fällen auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren, zu erkennen, wenn der Täter „eine in Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder Nummer 13 genannte Handlung begeht, die sich auf eine nicht geringe Menge bezieht, und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat“, oder „eine in Absatz 1 Nummer 4, 5 oder Nummer 11 genannte Handlung begeht, die sich auf eine nicht geringe Menge bezieht und dabei eine Schusswaffe oder einen sonstigen Gegenstand mit sich führt, der seiner Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt ist.“

Daran sind zwei Aspekte bemerkenswert: So hat der Gesetzgeber darauf verzichtet, selbst das Tatbestandsmerkmal der „nicht geringen Menge“ zu definieren und überlässt diese Bestimmung ganz offen der Rechtsprechung. Und letztere hält – obwohl der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung festgehalten hat, dass der Grenzwert im Lichte der Liberalisierung künftig höher anzusetzen sein müsse – an dem bisherigen Wert von 7,5 g THC (als nicht geringer Menge) fest (s. BGH, Beschl. v. 18. 4. 2024 – 1 StR 106/24). So hatte der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung ausgeführt: „Der konkrete Wert einer nicht geringen Menge wird abhängig vom jeweiligen THC-Gehalt des Cannabis von der Rechtsprechung aufgrund der geänderten Risikobewertung zu entwickeln sein. Im Lichte der legalisierten Mengen wird man an der bisherigen Definition der nicht geringen Menge nicht mehr festhalten können und wird der Grenzwert deutlich höher liegen müssen als in der Vergangenheit“ (BT-Drucks 20/8704, S. 132 ff.). Demgegenüber führt der 1. Strafsenat des BGH aus (a.a.O.), dass er sich an den gesetzgeberischen Willen nicht gebunden sieht, da die Richter weder die „geänderte Risikobewertung“ nachvollziehen könnten noch aus den neu gefassten Strafnormen zu erkennen wäre, dass „der Gesetzgeber die unter Strafe gestellten Handlungen nunmehr für weniger strafwürdig hält als zuvor“.

Diese Situation hat die Bundesrechtsanwaltskammer nun zum Anlass genommen, den Gesetzgeber zu einer Nachbesserung des § 34 KCanG aufzufordern. Die Norm genüge dem verfassungsrechtlich verankerten Bestimmtheitsgrundsatz (Art. 103 Abs. 2 GG) nicht, führte sie in einer Stellungnahme im August aus. Bereits das BVerfG habe festgestellt, dass der Gesetzgeber und nicht erst das Gericht über die Strafbarkeit oder Ahndung einer Handlung entscheiden müsse. Zwar müsse man anerkennen, dass auch der Strafgesetzgeber normative Tatbestandsmerkmale verwenden dürfe, um der Vielgestaltigkeit möglicher Fallgestaltungen Rechnung tragen zu können. Überlasse er die Strafbarkeit eines Verhaltens aber allein der rechtsprechenden Gewalt, so sei dies unvereinbar mit dem Delegationsverbot. Zudem liege hier ein Verstoß gegen das sog. Dezisionsgebot nahe, das dem Gesetzgeber aufgebe, dem Richter tatsächlich valide Bindungen aufzuerlegen. Daran bestünden hier Zweifel, da sich die obergerichtliche Rechtsprechung offenbar außer Stande sehe, dem Auftrag des Gesetzgebers folgend die geforderte Ausfüllung des betreffenden Rechtsbegriffes vorzunehmen.

Die BRAK schlägt deshalb folgende Lösung vor: Das Merkmal der „nicht geringen Menge“ in Abs. 3 der Vorschrift solle ersatzlos gestrichen werden; eine Regelungsnotwendigkeit bestehe nämlich nicht, da die Regelbeispielstechnik auch die Annahme eines „unbenannten besonders schweren Falles“ zulasse, d.h. bei außergewöhnlich großen Mengen ein unbenannter besonders schwerer Fall angenommen und dem erhöhten Ahndungsbedürfnis hierdurch Rechnung getragen werden könne. Im Ergebnis finde damit eine Verlagerung von der Tatbestandsseite in den Bereich der Strafzumessung statt, wo das Problem dem Willen des Gesetzgebers nach ohnehin besser verortet wäre. Auch die Qualifikation aus § 34 Abs. 4 KCanG will die BRAK als Regelbeispiel formulieren, dadurch würde die Strafzumessung insgesamt flexibler gestaltet. So könne der Strafrichter künftig weniger schwerwiegende Fälle – etwa das Mitführen eines Taschenmessers – ebenso mit dem Strafrahmen angemessen erfassen wie besonders gravierende Fälle – etwa den tonnenweisen Rauschgifthandel durch schwer bewaffnete Banden. Zum neuen THC-Grenzwert im Straßenverkehrsrecht vgl. Deutscher ZAP 2024, 833 ff. in diesem Heft.

[Quelle: BRAK]

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