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Grenzen für das Schufa-Scoring

Bereits nach den Schlussanträgen des EuGH-Generalanwalts Pikamäe im März dieses Jahres (vgl. dazu ZAP 2023, 312) hatten viele Beobachter vermutet, dass der Gerichtshof der EU das sog. Scoring der Schufa – d.h. die Berechnung eines Wahrscheinlichkeitswerts für die Kreditwürdigkeit eines Verbrauchers – „kippen“ oder zumindest erheblich einschränken werde. Das ist nun geschehen: Mit Urt. v. 7. Dezember (Rechtssachen C-634/21, C-26/22 und C-64/22) hat der EuGH die entsprechende Praxis der deutschen Schufa für teilweise mit der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) unvereinbar erklärt und ihr im Übrigen enge Grenzen gezogen.

Vorgelegt worden war dem EuGH die Rechtsfrage vom VG Wiesbaden. Dort sind mehrere Klagen deutscher Verbraucher, denen ein Kredit mangels ausreichender Schufa-Bonität verwehrt wurde, gegen den zuständigen Datenschutzbeauftragten anhängig. Dieser hatte sich geweigert, sowohl gegen das „Scoring“ der Schufa als auch gegen die mehrjährige Speicherung von aus öffentlichen Registern übernommenen Informationen über ihre Restschuldbefreiung vorzugehen.

Nachdem schon der Generalanwalt zu dem Schluss gekommen war, dass im konkreten Fall sowohl das Scoring als auch die Speicherdauer bzgl. der Restschuldbefreiung gegen die DSGVO verstößt, hat sich auch der EuGH in diesem Sinne ausgesprochen. Die Luxemburger Richter erklärten ein Scoring für zwar nicht grundsätzlich unzulässig; sei es aber die alleinige Entscheidungsgrundlage für ein Unternehmen, ob es einen Vertrag mit einem Verbraucher abschließe, handele es sich um eine von der DSGVO grundsätzlich untersagte „automatisierte Entscheidung im Einzelfall“. Wie der EuGH weiter ausführt, werde eine solche Praxis, die Kreditvergabe ganz maßgeblich bzw. allein von einem ausreichenden Score-Wert abhängig zu machen, beispielsweise von Banken praktiziert. Ob dies auch in den vorliegenden Verfahren der Fall ist, muss nun noch einmal das Verwaltungsgericht prüfen.

In jedem Fall gegen die Vorgaben der DSGVO verstößt nach Auffassung des EuGH die von der Schufa praktizierte Speicherdauer bzgl. Informationen über eine Restschuldbefreiung. Es sei rechtswidrig, wenn private Auskunfteien solche Daten länger speicherten als das nationale öffentliche Insolvenzregister. Eine erteilte Restschuldbefreiung solle nämlich dem Schuldner ermöglichen, sich erneut am Wirtschaftsleben zu beteiligen, und habe daher für ihn existenzielle Bedeutung. Bei der Bewertung der Kreditwürdigkeit würden solche Informationen aber stets als negativer Faktor verwendet. Der deutsche Gesetzgeber habe eine sechsmonatige Speicherung der Daten vorgesehen; eine längere Speicherung durch private Auskunfteien widerspreche der Intention des Gesetzgebers und sei daher unzulässig.

Die Entscheidung der Frage, ob während dieser sechsmonatigen Höchstfrist eine parallele Speicherung der Insolvenzdaten in einem öffentlichen und einem privaten Register überhaupt sinnvoll ist, will der EuGH dem nationalen Gesetzgeber überlassen. Allerdings legt er der privaten Speicherung zugleich europarechtliche Zügel an: Selbst wenn das nationale Recht eine parallele Speicherung von Insolvenzdaten in öffentlichen und in privaten Registern zulässt, habe der betroffene Schuldner nach EU-Recht die Befugnis, eine Löschung seiner Daten im privaten Register zu verlangen. Eine Ausnahme von diesem Recht auf Löschung will der Gerichtshof der betreffenden Auskunftei nur dann zubilligen, wenn sie das Vorliegen zwingender schutzwürdiger Gründe für eine parallele Speicherung nachweisen könne.

Da nun der „Ball“ wieder beim VG Wiesbaden liegt’und auch der deutsche Gesetzgeber auf der Grundlage der EuGH-Entscheidung weitere Vorgaben machen könnte, dürften nach Einschätzung von Beobachtern möglicherweise noch mehrere Jahre vergehen, bis Klarheit in Sachen Schufa-Scoring und Datenspeicherung herrscht. Aus den Verbraucherzentralen kam bereits der Appell an den Gesetzgeber, das Schutzniveau der DSGVO nicht durch nationale Gesetze wieder abzusenken.

[Red.]

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