Die Bundesregierung will Abschiebungen von Personen ohne Bleiberecht in Deutschland erleichtern. Sie hat dazu Ende Oktober einen Gesetzentwurf zur Verbesserung der Rückführung auf den Weg gebracht. Geplant sind u.a. mehr Befugnisse für Behörden, weniger Vorwarnungen für Betroffene und ein längerer Ausreisegewahrsam.
Vorgesehen sind im Einzelnen folgende Maßnahmen:
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Die Höchstdauer von Ausreisegewahrsam soll im Einklang mit dem verfassungs- und europarechtlichen Rahmen von derzeit 10 auf 28 Tage verlängert werden. Damit sollen die Behörden mehr Zeit erhalten, eine Abschiebung vorzubereiten.
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Im Falle einer Rückführung von Straftätern, die mind. zu einem Jahr Freiheitsstrafe verurteilt wurden, soll das Ausweisungsinteresse künftig besonders schwer wiegen, was eine Abschiebung erleichtert.
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Die Ausweisung von Schleusern soll besonders forciert werden.
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Auch die Ausweisung von Mitgliedern krimineller Vereinigungen soll deutlich erleichtert werden. Sie wird unabhängig von einer individuellen strafgerichtlichen Verurteilung bei hinreichenden Tatsachen ermöglicht, die eine Mitgliedschaft in der kriminellen Vereinigung belegen. Die Bundesregierung sieht dies als ein weiteres Instrument zur Bekämpfung von Strukturen der organisierten Kriminalität.
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Die Durchsuchung von Wohnungen nach Datenträgern und Unterlagen wird ermöglicht, insb. um die Identität einer Person zweifelsfrei klären zu können.
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Unter engen rechtsstaatlichen Voraussetzungen sollen die Möglichkeiten zum Betreten weiterer Räume in Gemeinschaftsunterkünften geschaffen werden. Damit soll sichergestellt werden, dass im Falle einer Abschiebung die betroffene Person auch tatsächlich in der Gemeinschaftsunterkunft ausfindig gemacht werden kann.
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Verstöße gegen Einreise- und Aufenthaltsverbote werden als eigenständiger Grund für Abschiebehaft geregelt.
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Eine Abschiebung wird bei inhaftierten Ausreisepflichtigen nicht mehr angekündigt. Ebenso soll die einmonatige Ankündigungspflicht für Abschiebungen, denen eine mind. einjährige Duldung vorausging, gestrichen werden. Ausnahmen gelten für Familien mit Kindern unter zwölf Jahren.
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Einreise- und Aufenthaltsverbote sollen ebenso wie Wohnsitzauflagen und räumliche Beschränkungen künftig sofort vollziehbar sein, um ihre Wirksamkeit zu erhöhen.
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Darüber hinaus greift der Gesetzentwurf Vorschläge zur Entlastung der Ausländerbehörden auf. Konkret ist eine längere Gültigkeitsdauer von Aufenthaltsgestattungen im Asylverfahren (sechs statt drei Monate) und von Aufenthaltserlaubnissen von subsidiär Schutzberechtigten (drei Jahre statt einem Jahr) sowie von elektronischen Aufenthaltstiteln von Ausländern mit Niederlassungserlaubnis oder Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EU vorgesehen.
Derzeit liegt der Gesetzentwurf den Ländern und Verbänden zur Stellungnahme vor. Einige haben das Vorhaben aber bereits jetzt heftig kritisiert. So ist etwa der Deutsche Anwaltverein (DAV) der Auffassung, dass zahlreiche der im Rückführungsverbesserungsgesetz vorgesehenen Neuregelungen verfassungsrechtlich bedenklich sind oder gegen Unionsrecht verstoßen. Die vorgeschlagenen Änderungen bedeuteten in vielen Fällen auch eine erhebliche Mehrbelastung für Behörden und Gerichte, ohne nennenswerte Ergebnisse zur Folge zu haben, so der Verein. Nicht zuletzt bedeute die Ausweitung der Strafbarkeit von Angaben im Asylverfahren einen Verstoß gegen den Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit, meint der DAV. „Der Entwurf ist nicht durchdacht. Er wird Abschiebungen nicht beschleunigen, sondern möglicherweise verlangsamen, und das auf Kosten zahlreicher grundlegender Rechte. Aber offensichtlich möchte der Gesetzgeber gar nicht hören, was wir zu sagen haben, sondern auf die Schnelle Handlungsfähigkeit demonstrieren“, urteilte die Vorsitzende des DAV-Ausschusses Migrationsrecht, Gisela Seidler.
Auch die Deutsche Richtervereinigung (NRV) mutmaßt, dass das Vorhaben v.a. auf die Stimmung in der Bevölkerung abzielt. Es werde die „Das Boot ist voll“-Mentalität bedient, kritisierte der Verein in einem Statement Ende Oktober. Statt populistisch um Wählerstimmen zu buhlen, müsse man die Flucht- und Migrationsursachen in den Blick nehmen. Auch ließen sich die Kapazitäten des BAMF, der Verwaltungsgerichte und die der Kommunen sinnvoller entlasten, indem man diejenigen, „die es hierher geschafft haben, zu Bildung und Arbeit verhilft, statt sie von der Gesellschaft zu isolieren, in Containern zu verwahren und zum Nichtstun zu verurteilen“, meint die NRV.
Weitaus positiver beurteilt allerdings der Deutsche Richterbund (DRB) das Gesetzesvorhaben. Auch für die Betroffenen sei eine möglichst schnelle rechtskräftige Entscheidung wichtig, erklärte der Bundesgeschäftsführer des DRB, Sven Rebehn, gegenüber der Presse. Allerdings forderte auch er Nachbesserungen: Wenn ein gerichtliches Asylverfahren für Angehörige aus Staaten mit geringer Anerkennungsquote künftig innerhalb von drei Monaten abgeschlossen sein solle, brauche es dafür neben etwaigen Änderungen im Prozessrecht v.a. zusätzliches Personal für die Verwaltungsgerichte, erläuterte Rebehn unter Verweis auf die derzeit hohen Verfahrenszahlen.
[Quellen: Bundesregierung/DAV/NRV]