Die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) hat kürzlich eine Anpassung des Streitwertkatalogs der Verwaltungsgerichtsbarkeit angemahnt. Die aktuellen Streitwerte seien nicht mehr zeitgemäß, erläuterte die Kammer ihren Vorstoß. Die Verwaltungsgerichtsbarkeit habe erstmals Anfang 1996 einen Streitwertkatalog bekanntgegeben. Dieser sei zunächst im Jahr 2004 überarbeitet, dann 2011/2012 ein weiteres Mal angepasst und seit 2013 in der derzeitigen Fassung gültig.
Da somit seit der letzten Aktualisierung des Streitwertkatalogs bereits mehr als zehn Jahre verstrichen seien, sei aus Sicht der Anwaltschaft eine erneute Überprüfung und ggf. Aktualisierung des Streitwertkataloges dringend geboten, argumentiert die BRAK. Dabei müsse berücksichtigt werden, dass allein aufgrund der erheblichen Preissteigerungen in den letzten Jahren schon inflationsbedingt eine Anhebung aller Streitwerte angezeigt sei. Dies gelte insb. auch für den Auffangstreitwert. Die Kammer verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass sich die Geldentwertung im Zeitraum zwischen Januar 2013 und September 2023 auf 28,68 % beläuft.
Nach Auffassung der BRAK begegnet der Streitwertkatalog darüberhinaus in verschiedenen Bereichen einer grundsätzlichen Kritik, die letztlich darauf hinausläuft, dass die von den Gerichten festgesetzten Streitwerte mit den realen wirtschaftlichen Gegebenheiten nicht mehr in Einklang stehen. Die Bearbeitung verwaltungsrechtlicher Mandate sei – bedingt durch umfangreiche Akteneinsichten, notwendige Behördengänge und ggf. zeitintensive Ortstermine – deutlich aufwändiger als ein vom Gegenstandswert vergleichbarer zivilrechtlicher Rechtsstreit. Es gebe im Verwaltungsrecht kaum standardisierte Verfahren. Gerade in wirtschaftlich bedeutsamen Angelegenheiten müsse berücksichtigt werden, dass diese für die beteiligten Rechtsanwälte sehr arbeitsintensiv seien, so dass eine ordnungsgemäße anwaltliche Begleitung zu den üblichen RVG-Sätzen faktisch nicht kostendeckend sei. Dies gelte erst recht in den Fällen der Prozesskostenhilfe, in denen der Rechtsanwalt bei Wertansätzen über 4.000 € statt nach § 13 RVG auf der Basis der noch geringeren Gebührensätze nach § 49 RVG abrechnen müsse.
Gerade auch i.R.d. COVID-Pandemie mit ihrer Fülle an verwaltungsgerichtlichen Klagen habe sich gezeigt, dass die vorgesehenen Streitwerte regelmäßig völlig unzureichend seien. Beispielsweise sei in diesen Fällen die Bedeutsamkeit der Entscheidungen vor allen Dingen unter Berücksichtigung der massiven Einschränkungen von Freiheitsrechten von Bürgern gar nicht hoch genug anzusetzen gewesen. Gerade in diesen Rechtsstreitigkeiten stünden aber die angesetzten Streitwerte regelmäßig in keinem Verhältnis zur wahren Bedeutung der Sache für die Prozessbeteiligten.
Nicht zuletzt sei bei der Diskussion um eine Erhöhung der Streitwerte auch zu berücksichtigen, dass durch sie nicht der Zugang zum Recht für den Bürger beeinträchtigt bzw. verhindert werden dürfe. Aus Sicht des Bürgers, der ohne anwaltliche Hilfe gegen den aus seiner Sicht „rechtswidrig handelnden Staat“ klage, hätten die niedrigen Streitwerte den Vorteil, dass der Kostenaufwand für eine Klage keine den effektiven Rechtsschutz beeinträchtigende Hemmschwelle sei. Die Nachteile könnten allerdings querulatorische Klagen oder Klagen sein, die rein aus taktischer Sicht erhoben würden. In diesem Zusammenhang wäre eine Erhöhung der Streitwerte aus Sicht der BRAK auch geeignet, eine entsprechende „Filterwirkung“ herbeizuführen, da dann regelmäßig nur ernsthafte rechtliche Anliegen durch die Verwaltungsgerichte geklärt werden müssten.
[Quelle: BRAK]