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Gesetzgeber reagiert auf Triage-Entscheidung des BVerfG

Im Dezember vergangenen Jahres hatte das BVerfG vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie klargestellt, dass der Staat für den Fall, dass über die Zuteilung knapper überlebenswichtiger intensivmedizinischer Ressourcen entschieden werden muss (sog. Triage), für den Schutz besonders schutzbedürftiger Personen, insb. Behinderte, sorgen muss (BVerfG, Beschl. v. 16.12.2021 – 1 BvR 1541/20, s. ZAP EN-Nr. 64/2022). Damit hatte das BVerfG der Politik in Berlin praktisch den Auftrag zu einer Neuregelung im Infektionsschutzrecht erteilt (vgl. Anwaltsmagazin ZAP 2022, 52). Diesem Auftrag ist man nun nachgekommen: Mitte Oktober wurde von der Bundesregierung ein entsprechender Gesetzesentwurf vorgelegt.

Bestehe das Risiko, dass Menschen bei der Zuteilung knapper Ressourcen wegen einer Behinderung benachteiligt werden, verdichte sich der Schutzauftrag zu einer konkreten Schutzpflicht, hieß es unter Verweis auf den Beschluss des BVerfG in der Vorlage. Entscheidend sei es, dass eine gesetzliche Regelung hinreichend wirksamen Schutz vor einer Benachteiligung wegen Behinderung bewirke.

Im Rahmen einer Sachverständigenanhörung wurde das Vorhaben seitens der geladenen Fachverbände im Grundsatz bereits begrüßt. Allerdings fordern einige der Experten Nachbesserungen am Gesetzentwurf, um die Reform in der Praxis handhabbar zu machen. So trug etwa die Deutsche Krankenhausgesellschaft vor, in den gesetzlichen Regelungen müsse auch berücksichtigt werden, dass die geplanten Entscheidungsabläufe nur dann eingehalten werden könnten, wenn ein geordnetes Verfahren überhaupt noch möglich sei; in absoluten Krisensituationen seien Ärzte manchmal gezwungen, Zuteilungsentscheidungen sehr schnell zu treffen.

Die Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin und der Berufsverband Deutscher Anästhesisten forderten nachdrücklich die Möglichkeit einer rechtssicheren „Ex-Post-Triage“, weil es andernfalls keine Zuteilungsentscheidungen in der Intensivmedizin geben würde und das Gesetz ins Leere liefe. Dem Gesetzentwurf zufolge wäre die in einer Notaufnahme oder im präklinischen Rettungsdienst unter maximalem Zeitdruck und mit einer unvollständigen Datenlage getroffene Entscheidung für eine Therapie unumkehrbar, selbst wenn sich im weiteren Verlauf der Behandlung die Überlebenswahrscheinlichkeit des Patienten als gering herausstellen sollte. Ärzte würden dann erheblich verunsichert, weil sie die Befürchtung haben müssten, dass eine einmal begonnene Intensivbehandlung nicht mehr abgebrochen werden dürfe.

Mit der Mehrheit beinahe aller Stimmen aus den Reihen der Koalitionsfraktionen hat der Bundestag am 10.11.2022 den Regierungsentwurf angenommen und das Infektionsschutzgesetz (IfSG) angepasst.

[Quelle: Deutscher Bundestag]

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