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BVerfG soll über Abgeltungssteuer entscheiden

BVerfG soll über Abgeltungssteuer entscheiden

Ein Senat des Finanzgerichts Niedersachsen hält die im Jahr 2009 eingeführte Abgeltungsteuer auf Kapitaleinkünfte für verfassungswidrig. Diese pauschale Abgeltung sei nicht mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG und dem sich daraus ergebenden Grundsatz der gleichmäßigen Besteuerung nach der individuellen Leistungsfähigkeit vereinbar. Die Bezieher von Kapitaleinkünften hätten Vorteile, ohne dass dies gerechtfertigt wäre. Aus diesem Grund hat der 7. Senat des FG jetzt die einschlägigen Vorschriften dem BVerfG zur Prüfung vorgelegt (Beschl. v. 18. 3. 2022 – 7 K 120/21).

Der Fall: Das FG Nds. hat zurzeit den Fall eines Versicherungsmaklers zu entscheiden, der Einkommen teils aus Kapitaleinkünften (Steuer: pauschal 25 %), teils aus Gewerbeeinnahmen (Steuersatz höher als 25 %) erzielt und sich mit seinem Finanzamt über die genauen Anteile beider Einkommensarten an seinen Gesamteinkünften streitet. Das FG sieht eigentlich den klagenden Makler im Recht, kann aus seiner Sicht der Klage aber trotzdem nicht stattgeben, weil es die – dann überwiegend anzuwendende – niedrige pauschale Besteuerung der Kapitaleinkünfte für verfassungswidrig hält.

Der 7. Senat des FG ist nämlich der Überzeugung, dass die Anwendung der Abgeltungsteuer, also der Ansatz des abgeltenden Steuersatzes i.H.v. 25 %, auf die Kapitaleinkünfte zwar auf Grundlage der geltenden Gesetzeslage zutreffend erfolgt sei, die zugrunde liegenden Vorschriften aber gegen die in Art. 3 Abs. 1 GG verankerte Vorgabe der Gleichbehandlung aller Einkunftsarten und einer gleichmäßigen Besteuerung nach der individuellen Leistungsfähigkeit verstoßen und daher verfassungswidrig sind. Die Abgeltungsteuer führe zu einer Ungleichbehandlung zwischen Beziehern privater Kapitaleinkünfte und den übrigen Steuerpflichtigen. Während die Bezieher von Kapitaleinkünften (nach § 32d Abs. 1 EStG i.V.m. § 43 Abs. 5 EStG) mit einem Sondersteuersatz von 25 % abgeltend belastet würden, unterlägen die übrigen Steuerpflichtigen gem. § 32a EStG einem Steuersatz von bis zu 45 %.

Die in den Gesetzesmaterialien genannten Rechtfertigungsgründe für den niedrigen pauschalen Steuersatz genügen nach Auffassung des Senats den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht. Die Abgeltungsteuer sei nicht zur Verwirklichung eines effektiven Steuervollzugs oder zur Beseitigung eines etwaigen strukturellen Vollzugsdefizits geeignet. Unabhängig von der Frage der grundsätzlichen Geeignetheit der Regelung sei zudem die Erforderlichkeit zwischenzeitlich entfallen, da sich seit dem Inkrafttreten der Abgeltungsteuer die Möglichkeiten der Finanzverwaltung, im Ausland befindliches Vermögen zu ermitteln, stark verbessert hätten. Die Abgeltungsteuer sei auch weder zur Standortförderung des deutschen Finanzplatzes geeignet noch führe sie zu einer wesentlichen Vereinfachung im Besteuerungsverfahren.

Die Frage dürfte nun die Verfassungsrichter beschäftigen. In der Zeit nach Einführung der Abgeltungssteuer wurde diese überwiegend – mit Blick auf eine Steuervereinfachung und den Ausgleich eines Vollzugsdefizits – für verfassungsgemäß erachtet (vgl. etwa FG Nürnberg, Urt. v. 7.3.2012 – 3 K 1045/11). In diesem Sinne hatte sich zuvor auch schon das BVerfG in seinem „Zinsurteil“ geäußert (BVerfGE 84, 239). Sollte die jetzige Vorlage des FG Niedersachsen in Karlsruhe überhaupt angenommen werden, dürfte vermutlich deshalb nun die Frage im Vordergrund stehen, ob die die gesetzliche Regelung tragenden Gründe inzwischen weggefallen sind.

[Quelle: FG Niedersachsen]

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