Richterbund gegen „Stakkato“ neuer Gesetze
Der Deutsche Richterbund (DRB) fordert von einer neuen Bundesregierung, dem Vollzug bestehender Gesetze den Vorrang vor neuer Gesetzgebung einzuräumen. „Priorität sollte in den nächsten vier Jahren stärker die wirksame Durchsetzung des Rechts haben und nicht die Produktion immer neuer Gesetze“, erklärte DRB-Bundesgeschäftsführer Sven Rebehn im Oktober die Haltung seiner Vereinigung gegenüber der Presse.
Rebehn erinnerte daran, dass allein der letzte Bundestag mehr als 500 neue Gesetze beschlossen hat. Es fehle dem Rechtsstaat jedoch nicht in erster Linie an detaillierten Regelungen, sondern an gut genug ausgestatteten Gerichten und Behörden, um die bestehenden Gesetze stringent durchsetzen zu können, sagte er. Eine neue Regierung, die auch in der Rechtspolitik für einen neuen Kurs stehe, sollte eine Legislaturperiode des „effektiven Gesetzesvollzugs“ ausrufen. Die zuletzt stetig gewachsenen Aufgaben der Justiz, insb. im Strafrecht, müssten jetzt vollständig mit dem dafür nötigen Personal unterlegt werden. Man solle sich erst gar nicht an unterbesetzte Gerichte und Staatsanwaltschaften gewöhnen.
Die Baustellen seien zahlreich, erläuterte Rebehn auch in einem Gastkommentar des „Weserkurier“. In vielen Gerichten und Staatsanwaltschaften sei ein Modernisierungsstau entstanden, wie die Corona-Pandemie in aller Schärfe gezeigt habe. Wenngleich viele Länder inzwischen umgesteuert und kräftig in ihre Justiz-IT investiert hätten, werde es ohne ein höheres Innovations- und Investitionstempo kaum gelingen, den Umstieg auf eine flächendeckend digitalisierte Justiz rechtzeitig bis zum Starttermin der E-Akte am 1.1.2026 gut zu bewältigen. Es gelte z.B. massiv in Hardware und E-Akten-Software, in Breitbandanschlüsse und Videotechnik sowie in den Aufbau bürgerfreundlicher Klage-Tools und Online-Verfahren zu investieren.
Eine besonders große Baustelle verortet der Richterbund im Strafprozess. Nach zahlreichen Novellen im Strafrecht arbeiteten insb. die Strafgerichte und Staatsanwaltschaften „am Limit“ und hätten mit steigenden Verfahrenslaufzeiten zu kämpfen. Die Entlastungseffekte durch die mit dem ersten Bund-Länder-Rechtsstaatspakt von 2019 geschaffenen zusätzlichen Stellen seien überschaubar geblieben, weil zahlreiche neue bundesgesetzliche Aufgaben die Stellenzuwächse wieder aufgezehrt hätten. Es fehle den Strafverfolgern zudem vielfach noch an innovativen Werkzeugen zur Datenauswertung, sodass die Ermittler mit der Bewertung gesicherter Dateien häufig kaum hinterherkämen. Vielversprechende Modellprojekte – etwa der Einsatz künstlicher Intelligenz zur Vorprüfung von Kinderporno-Dateien – sollten deshalb schrittweise ausgebaut werden.
[Red.]