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Aufklärung des Mandanten über veränderte Erfolgsaussichten

Aufklärung des Mandanten über veränderte Erfolgsaussichten

Eine wichtige Entscheidung zu den Hinweispflichten des Rechtsanwalts hat kürzlich der IX. Zivilsenat des BGH gefällt. Danach muss der Anwalt, wenn sich die Sach- oder Rechtslage und damit die Erfolgsaussichten während eines Prozesses verändern, seinen Mandanten darüber aufklären – und zwar unabhängig davon, ob dieser rechtsschutzversichert ist. Unterlässt er dies, riskiert er einen Regress auch gegenüber dem Rechtsschutzversicherer, der zuvor den Deckungsschutz zugesagt hatte (BGH, Urt. v. 16.9.2021 – IX ZR 165/19, s. ZAP EN-Nr. 571/2021 [in dieser Ausgabe]).

In dem vom BGH entschiedenen Fall ging es um einen Anlagefehler eines Anlagevermittlers. Die jetzt in Regress genommenen Anwälte, die für zahlreiche geschädigte Kapitalanleger tätig waren, hatten Ende 2012 Güteanträge bei einer staatlichen Vermittlungsstelle eingereicht, um die Verjährung zu hemmen, die Ende 2012 eintrat. Nachdem die 2013 eingereichte Klage der Geschädigten erstinstanzlich wegen Verjährung abgewiesen worden war, verkündete der BGH im Juni 2015 in einer anderen Sache ein Urteil, aus dem auch gefolgert werden konnte, dass der seinerzeitige Güteantrag der Kanzlei tatsächlich nicht den Anforderungen genügte, um die Verjährung zu hemmen. Trotzdem führten die Rechtsanwälte den Rechtsstreit fort. Nachdem dieser letztinstanzlich verloren ging, nahm der Rechtsschutzversicherer die Anwälte auf Erstattung der Kosten für den zweiten und dritten Rechtszug in Regress.

Der IX. Zivilsenat des BGH folgte jetzt im Wesentlichen der Argumentation des Versicherers. Die Anwälte hätten ihren Mandanten nach Bekanntwerden der BGH-Auffassung zur Verjährungshemmung von einer Weiterführung des Prozesses abraten müssen. Dann wäre es zu einer wesentlichen Verminderung der Prozesskosten gekommen. Denn es sei davon auszugehen, dass Mandanten i.d.R. ihren Deckungsanspruch nicht einsetzen würden, um aussichtslose Verfahren nur zugunsten des Gebühreninteresses von Anwälten zu führen.

Dass der Rechtsschutzversicherer zuvor für jeden neuen Rechtszug ausdrücklich Deckung erteilt hatte, entlastet die Anwälte nach Auffassung der Richter nicht. Denn etwaige mit der Deckungszusage verbundene Obliegenheitspflichten des Versicherers bestünden zum einen lediglich gegenüber dem Versicherungsnehmer, zum anderen liefe es dem Zweck des § 86 VVG (Übergang von Ersatzansprüchen auf die Versicherung) zuwider, wenn eine (irrtümliche) Deckungszusage die Haftung des Anwalts ausschlösse. Allerdings sei die Anwaltshaftung aber auch kein Mittel zum Ausgleich einer möglicherweise unzureichenden Erfolgsprüfung durch den Rechtsschutzversicherer. Ein sachgerechter Interessenausgleich lässt sich aus Sicht des Senats durch die allgemeinen Regeln der Anwaltshaftung erreichen. Die Sache wurde zur weiteren Aufklärung an das OLG zurückverwiesen.

[Quelle: BGH]

Tipp der Redaktion:

Interessierte Leser:innen können an folgenden ZAP-Webinaren (inkl. Skript und teilweise FAO-Teilnahmebescheinigung) teilnehmen:

  • Große Schuldrechtsreform – Das neue Kaufvertragsrecht zum 1.1.2022: Handlungsbedarf in der Anwaltspraxis“ Weitere Termine: 2.12.2021 (10-11.30 Uhr) und 12.1.2022 (15.30-17 Uhr)Referent: Prof. Dr. Gerhard Ring
  • Sichere Datenübermittlung ins Ausland“ am 17.11.2021 (15.30 – 17.00 Uhr)Referent: RA Michael Rohrlich

Anmeldungen jederzeit möglich unter: https://www.zap-verlag.de/webinare

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