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Zur beA-Nutzungspflicht bei Ausfall des Gerichtsfaxes

Zur beA-Nutzungspflicht bei Ausfall des Gerichtsfaxes

Der BGH hat kürzlich eine wichtige Entscheidung für eine Fallkonstellation gefällt, die im Kanzleialltag nur allzu wohlbekannt ist: Eine wichtige Schriftsatzfrist läuft in wenigen Stunden oder gar Minuten ab und ausgerechnet in dieser Situation klappt die Übertragung an das Gerichtsfax nicht. Erfreulich ist, dass die höchsten deutschen Zivilrichter diesmal im Sinne der betroffenen Anwälte entschieden haben: Nutzt ein Rechtsanwalt, der sich mit dem elektronischen Anwaltspostfach (beA) noch nicht vertraut gemacht hat, trotz drohenden Fristablaufs sein beA nicht, so handelt er nicht ohne Weiteres schuldhaft, befanden die Richter des III. Zivilsenats. Ein Erlernen des Umgangs mit dem beA „auf die Schnelle“ sei dem Anwalt nicht zumutbar (Beschl. v. 17.12.2020 – III ZB 31/20, ZAP EN-Nr. 100/2021 [in dieser Ausgabe]).

Hintergrund des Falls war ein Schadensersatzprozess, der in erster Instanz für den Kläger verloren ging und der deshalb in die Berufung ging. Am Tag des Fristablaufs versuchte seine Prozessbevollmächtigte am späten Nachmittag mehrfach vergeblich, die Berufungsbegründung per Fax an das OLG zu übersenden. Allerdings war das Faxgerät des Gerichts seit dem Nachmittag ausgefallen und für mehrere Tage defekt. Da kein anderer Anschluss zur Verfügung stand, übersandte sie die eingescannte Begründung per E-Mail abends an das Verwaltungspostfach des OLG.

Bei Gericht wurde die Mail erst am nächsten Tag ausgedruckt, die Frist war damit versäumt. Daraufhin beantragte die Kollegin Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand, leider ohne Erfolg. Das OLG wies den Antrag mit der Begründung zurück, der Anwältin habe ja das beA als sicherer Übermittlungsweg nach § 130a Abs. 3 i.V.m. Abs. 4 Nr. 2 ZPO zur Verfügung gestanden, um eine fristgerechte Übersendung zu gewährleisten. Die dagegen eingelegte Rechtsbeschwerde hatte Erfolg.

Anders als das OLG sah der BGH kein dem’Berufungskläger zuzurechnendes Verschulden der Anwältin an der Fristversäumung. Die Gerichte dürften bei Auslegung der die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand regelnden Vorschriften die Anforderungen an das, was der Betroffene veranlasst haben muss, um Wiedereinsetzung zu erlangen, nicht überspannen, argumentierten die Richter des III. Senats. Zunächst wiesen sie darauf hin, dass im vorliegenden Fall die entscheidende Ursache für die Fristsäumnis in der Sphäre des Gerichts zu suchen war, nämlich im Ausfall des Gerichtsfaxes. Werde dieser Übermittlungsweg durch das Gericht eröffnet, so dürfen die aus den technischen Gegebenheiten dieses Kommunikationsmittels herrührenden besonderen Risiken nicht auf den Nutzer dieses Mediums abgewälzt werden. Allerdings müsse dieser, wenn er die Störung bemerkt habe, nach Alternativen suchen, die „sich aufdrängen“.

Als solche Alternative gelte aber nicht unbedingt das beA. Entscheidend sei neben der Möglichkeit einer bestimmten Übermittlungsart auch ihre Zumutbarkeit und der zu treibende Aufwand. So komme bei einer gescheiterten Übermittlung mittels Telefax durchaus eine Versendung über das besondere elektronische Anwaltspostfach in Betracht, falls dieses von dem Prozessbevollmächtigten in der Vergangenheit bereits aktiv zum Versand von Schriftsätzen genutzt worden sei, er also mit seiner Nutzung vertraut sei. Ist letzteres nicht der Fall, so gelte, dass Rechtsanwälte derzeit nicht zur aktiven Nutzung des beA verpflichtet seien. Deshalb sei es einem Prozessbevollmächtigten auch nicht zuzumuten, sich innerhalb kurzer Zeit vor dem Fristablauf erstmals mit den Voraussetzungen dieser für ihn neuen Zugangsart vertraut zu machen.

Der BGH hat mit diesem Diktum zugleich eine Rechtsfrage entschieden, die in Rechtsprechung und Schrifttum schon seit einiger Zeit kontrovers diskutiert wurde. So wurde teilweise vertreten, dass es einem Anwalt, der sein beA bereits eingerichtet habe, zumutbar sei, einen Schriftsatz hierüber zu versenden. Eine Ausnahme sei nur zuzugestehen, falls er glaubhaft mache, dass eine solche Übermittlung aufgrund technischer oder zwingender organisatorischer Einschränkungen ebenfalls nicht möglich sei (so etwa OLG Dresden NJW 2019, 3312). Die Gegenmeinung verweist hingegen auf die derzeit nur passive Nutzungspflicht und die Praxis des digitalen Schriftsatzverkehrs zwischen Gerichten und Rechtsanwälten; die Erfahrung zeige, dass viele Anwälte sich noch nicht in das beA eingearbeitet hätten (so etwa LG Mannheim NJW 2020, 940). Dieser Auffassung hat sich der BGH nun – für viele Anwälte/Anwältinnen erfreulicherweise – angeschlossen.

[Red.]

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