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Weiterhin hohe Schlichtungsbereitschaft in der Anwaltschaft

Weiterhin hohe Schlichtungsbereitschaft in der Anwaltschaft

Im Februar hat die Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft bereits zum zehnten Mal seit Aufnahme ihrer Tätigkeit im Jahr 2011 ihren Tätigkeitsbericht vorgelegt. Seit diesem Zeitpunkt hat sie in über 10.000 Fällen erfolgreich Streitigkeiten zwischen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten und ihrer Mandantschaft geschlichtet, davon über 1.000 Fälle im Jahr 2020. Die Schlichtungsstelle schlichtet in vermögensrechtlichen Streitigkeiten zwischen Rechtsanwälten und ihren (ehemaligen) Mandanten aus dem Mandatsverhältnis bis zu einem Wert i.H.v. 50.000 €. Dazu gehören Streitigkeiten über Vergütungsrechnungen und/oder Schadensersatzforderungen. Antragsteller können sowohl Verbraucher als auch Unternehmer sein. Auch wird die Stelle auf Antrag von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten tätig, wenn z.B. Gebührenforderungen streitig sind. Sie ist eine unabhängige Stelle, die bei der Bundesrechtsanwaltskammer eingerichtet wurde und seit dem Inkrafttreten des Verbraucherstreitbeilegungsgesetzes (VSBG) im April 2016 auch eine anerkannte Verbraucherschlichtungsstelle.

Wie aus dem aktuellen Bericht hervorgeht, ist die Bereitschaft der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, an Verfahren bei der Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft teilzunehmen, auch im Corona-Jahr 2020 nahezu gleichbleibend hoch geblieben. Die Annahmequote der unterbreiteten Schlichtungsvorschläge konnte auf 62 % gesteigert werden. Das dokumentiere, so der Bericht, die hohe Akzeptanz der Schlichtungsstelle in der Anwaltschaft.

Der Tätigkeitsbericht enthält Angaben zum organisatorischen Aufbau der Schlichtungsstelle sowie statistische Auswertungen; daneben stellt er typische Fallkonstellationen dar und gibt Empfehlungen zur Vermeidung von Streitigkeiten. Beispielhaft werden anonymisierte Schlichtungsfälle dokumentiert. Der Bericht hebt bereits eingangs hervor, dass es der Einrichtung dank eines hohen Digitalisierungsgrades, der Einrichtung von Homeoffice-Arbeitsplätzen und des Engagements des gesamten Teams auch im vergangenen Jahr gelungen ist, den Geschäftsbetrieb der Stelle über das gesamte Jahr, auch während der Lockdown-Phasen, uneingeschränkt fortzuführen.

Bei den 1.072 im Jahr 2020 erledigten Verfahren handelte es sich in 521 Fällen um reine Gebührenstreitigkeiten, 310 erledigte Verfahren betrafen ausschließlich Schadensersatzforderungen und 241 Verfahren hatten sowohl Streitigkeiten über die Gebühren als auch Schadensersatzforderungen zum Gegenstand. Wie auch im Vorjahr betrafen damit ca. 51 % der im Jahr 2020 erledigten Verfahren (auch) Schadensersatzforderungen.

Was die einzelnen Rechtsgebiete der Streitfälle angeht, betraf der überwiegende Anteil der im Jahr 2020 eingegangenen Schlichtungsanträge das allgemeine Zivilrecht (357 Fälle), gefolgt von Familienrecht (125), Erbrecht (111), Miet- und WEG-Recht (72), Straf- (70) und Arbeitsrecht (65). Gar keine Fälle gab es etwa im Transport- und Speditionsrecht, im Informationstechnologierecht oder im Vergaberecht. Im Vergleich zum Vorjahr blieb die Verteilung der Anträge auf die einzelnen Rechtsgebiete weitestgehend konstant.

Im Ergebnis hat die Schlichtungsstelle im vergangenen Jahr insgesamt 486 Schlichtungsvorschläge unterbreitet und konnte 288 Streitigkeiten erfolgreich befrieden. 198 Schlichtungsvorschläge sind von beiden Parteien angenommen worden und in 90 weiteren Angelegenheiten konnte mit Hilfe der Schlichtungsstelle eine einvernehmliche Beilegung der Streitigkeit erzielt werden, ohne dass die Schlichtungsstelle einen Schlichtungsvorschlag ausarbeiten musste. 178 der im Berichtszeitraum unterbreiteten Schlichtungsvorschläge sind von beiden oder von einer Partei abgelehnt worden bzw. die Parteien haben sich nach dem Schlichtungsvorschlag nicht mehr gemeldet.

Die Verfahrensdauer für die Unterbreitung eines Schlichtungsvorschlags (§ 20 Abs. 2 VSBG) betrug im Jahr 2020 durchschnittlich 64 Tage. Die durchschnittliche Gesamtverfahrensdauer aller im Jahr 2020 erledigten Schlichtungsverfahren betrug durchschnittlich 101 Tage.

Die Teilnahmebereitschaft der Rechtsanwälte (i.d.R. die Antragsgegnerinnen und Antragsgegner) war im Berichtsjahr mit ca. 91 % im Vergleich zum Vorjahr gleichbleibend hoch. Von den 1.072 im Berichtsjahr erledigten Verfahren mussten lediglich 100 Verfahren beendet werden, weil Antragsgegner die Teilnahme oder Fortführung des Schlichtungsverfahrens ablehnten.

Auf den Streitpunkt Gebührenforderungen geht der Schlichtungsbericht an einer Stelle näher ein. So wird aufgeschlüsselt, dass der Großteil der Streitigkeiten zwischen Mandanten und Rechtsanwälten vier Aspekte betrifft: die Aufklärung über die Kosten, Vergütungsvereinbarungen, den Gegenstandswert und den Gebührenfaktor. Sie allein sorgten im Berichtszeitraum für rund 72 % aller Differenzen um die Anwaltsvergütung. So schildert der Bericht, dass die meisten Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte zwar einen von ihren Mandanten unterschriebenen Hinweis vorlegen konnten, dass sich die zu erhebenden Gebühren nach dem Gegenstandswert richten, d.h. ihrer Pflicht nach Aufklärung über die Kosten formal nachgekommen waren. Jedoch hätten die Schlichter oft feststellen müssen, dass viele Mandantinnen und Mandanten diesen Hinweis offenbar nicht verstanden hatten bzw. keine konkreten Nachfragen zur Bedeutung dieses Hinweises und zu der sich daraus für sie ergebenden Höhe der entstehenden Gebühren stellten.

Auch bei Streitigkeiten über die Wirksamkeit von Vergütungsvereinbarungen sei es meist um Fragen der Transparenz und Bestimmtheit der vereinbarten Klauseln gegangen. Offenbar seien Vergütungsvereinbarungen, die zahlreiche Regelungen zur Abänderung der gesetzlichen Vergütung enthalten, für viele Mandantinnen und Mandanten in ihrer konkreten Auswirkung nicht nachvollziehbar. Dazu gehörten z.B. Klauseln zur Abrechnung von gesetzlichen Gebühren in doppelter Höhe, zum Anfall von gesetzlichen Gebühren ohne Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen (z.B. Terminsgebühr, Einigungsgebühr) oder die Vereinbarung von verschiedenen Mindestgegenstandswerten. Bei Stundensatzvereinbarungen stünden zwischen den Beteiligten häufig die Anzahl und Angemessenheit der von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten abgerechneten Stunden im Streit. Aus Sicht der Schlichtungsstelle – so das Fazit der Schlichter – könnten viele Mandantinnen und Mandanten aus den Vergütungsvereinbarungen nicht erkennen, welche Kosten und Gebühren tatsächlich auf sie zukommen.

Der vollständige, 79-seitige Bericht der Schlichtungsstelle kann unter https://www.schlichtungsstelle-der-rechtsanwaltschaft.de/sites/default/files/taetigkeitsbericht_2020.pdf eingesehen und heruntergeladen werden.

[Quelle: Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft]

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