Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) hat Anfang Februar den Gesetzentwurf einer Neuregelung zur Insolvenzsicherung im Pauschalreiserecht vorgelegt. Es zieht damit die Konsequenz aus der Pleite des Reiseveranstalters Thomas Cook im Jahr 2019, bei dem der Staat für die Entschädigung der Pauschalreisenden einspringen musste, weil die Versicherungsdeckung unzureichend war. Das Ministerium plant statt des bisherigen Versicherungssystems einen Reisesicherungsfonds, in den die Pauschalreiseanbieter umsatzabhängig einzahlen.
Die Insolvenzsicherung bei Pauschalreisen – derzeit geregelt in § 651r BGB – soll künftig über einen Reisesicherungsfonds erfolgen, der in Form einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung errichtet wird und sich überwiegend aus Entgelten der abgesicherten Reiseanbieter finanziert. Der Reisesicherungsfonds soll der alleinige Insolvenzabsicherer werden. Nur Kleinstunternehmen sollen sich weiter über eine Versicherung oder eine Bank absichern dürfen. Die bisherige Möglichkeit zur Haftungsbegrenzung auf 110 Mio. € pro Jahr wird künftig entfallen. Stattdessen knüpft die Einstandspflicht des Insolvenzabsicherers an den Maximalverlust an, der im Insolvenzfall zu erwarten ist. Nach dem Gesetzentwurf entspricht dieser erwartbare Maximalverlust 22 % des Jahresumsatzes des jeweiligen Reiseveranstalters.
Die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) hat den Gesetzentwurf bereits verhalten positiv bewertet; sie hält das Vorhaben für „vertretbar“. Nicht nachvollziehen kann sie allerdings die vorgesehene Haftungsbegrenzung auf 22 % des Jahresumsatzes des jeweils abzusichernden Reiseveranstalters. Hierfür, so die BRAK, gebe das Ministerium keine wirklich plausible Begründung. Bei kleineren Reiseveranstaltern sei diese Grenze unangemessen; hier könnte eine Absicherung der Kunden nach dem bisherigen Muster sicherlich eine bessere Lösung sein.
In eine ähnliche Richtung geht die Kritik von Verbraucherschützern. So kritisiert der Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (vzbv), dass der geplante Fonds lediglich auf die gleichzeitige Insolvenz eines der größten und eines weiteren, mindestens mittelgroßen Reiseveranstalters ausgelegt sein muss. Der Referentenentwurf sehe vor, dass nur mindestens ein Marktanteil von 15 % abgedeckt sein müsse. Zwar müssten der EU-Pauschalreiserichtlinie zufolge tatsächlich sehr unwahrscheinliche Risiken nicht berücksichtigt werden. Der vzbv gibt aber zu bedenken, dass sich der Maßstab, was als sehr unwahrscheinlich einzuschätzen ist, im Zuge der COVID-19-Pandemie deutlich verschoben hat. Pandemien würden nunmehr als immanenter Bestandteil einer hochgradig vernetzten, globalisierten Welt erscheinen. Es stehe auch zu befürchten, dass viele Pauschalreiseanbieter krisenbedingt Insolvenz anmelden würden, sobald die Aufhebung der Insolvenzantragspflicht beendet sei. Der vom Reisesicherungsfonds abzudeckende Marktanteil solle daher deutlich angehoben werden, fordert der vzbv.
In der Gesamtschau begrüßen die Verbraucherschützer das Vorhaben aber: Das geplante brancheninterne Solidaritätsprinzip sei weitaus vorzugswürdiger als das bisherige System. Die Reiseanbieter bekämen einen viel besseren Einblick in den Reisemarkt und könnten über den neuen Reisesicherungsfonds Kontrolle und korrigierenden Einfluss auf sich abzeichnende wirtschaftliche Missstände ausüben. Außerdem schaffe die Möglichkeit der Absicherung über einen Reisesicherungsfonds für viele Reiseanbieter überhaupt erst die Möglichkeit, ihr Geschäft zu vertretbaren Kosten weiter zu betreiben.
[Quellen: BMJV/BRAK/vzbv]
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