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Wenn Rumpelstilzchen ins Gericht schwebt … Anwälte im Satire-Kreuzfeuer

Der schmale Grat zwischen Meinungsfreiheit und Verletzung persönlicher Rechte beschäftigt die Gerichte immer wieder. Was geht als Satire durch, wann werden Sprachgefechte zur Beleidigung? Zuletzt haben sich das OLG Dresden und das Bundesverfassungsgericht damit beschäftigt, wenn spitze Spottfedern auf die Juristenzunft zielen. Die muss dann mitunter einiges einstecken. Wo die Grenzen verlaufen und wann Anwälten im Einzelfall Schadenersatz zustehen kann, greift dieser Beitrag auf.

 

Rauer Alltagssound im Anwaltsgeschäft. Was eine Satire darf, wird oft eigenwillig interpretiert.

Sprach- und Umgangsformen haben in den letzten Jahren ordentlich gelitten. Rüde Wortwechsel, heftige Krawallausbrüche in den Social-Media-Schluchten und kalkulierte Grenzüberschreitungen in Unterhaltungsformaten setzen ein übles Kommunikationspuzzle zusammen, das auch die dienstleistenden Berufe spüren. Die Robenträger sind mittendrin, die meisten kennen typische Episoden. Da ist die Anwältin, die sonntagmorgens in einer WhatsApp-Nachricht angeblafft wird, wann „endlich das Geld komme“. Ohne Anrede und Gruß, die Wörtchen „bitte“ und „danke“ sind ohnehin aus der Zeit gefallene Duden-Relikte. Oder der Jurist, dem aus dem Schreiben der Gegenseite der Satz „Wer lesen kann, ist klar im Vorteil, Herr Anwalt!“ ins Gesicht springt. Durchaus ärgerliche Episoden, die zwar lästig sind, aber schließlich nicht die eigene Reputation beschädigen.

Auf eine völlig andere Stufe geht es, wenn Anwälte sich sogenannter „Satireattacken“ gegenübersehen, die als digitale Tornados oft zu großen Reichweiten aufbrausen. Eine Zeichnung, ein spöttischer Text, oft wild durch die Übertreibungsmaschine gedreht. Der Begriff der Satire wird gern weit gedehnt und nicht wenige sehen so ziemlich jede verbale Entgleisung noch irgendwie von der Meinungsfreiheit gedeckt. Gerichte schauen im Einzelfall sehr genau hin, ob tatsächlich Grenzen überschritten wurden. So wie im Fall einer Anwältin, die vor dem OLG Dresden Schmerzensgeld einklagte (Beschl. v. 04.09.2023, Az. 4 U 1126/23).

 

Plötzlich im Spottlicht: Anwältin darf zur „schwebenden Escort-Dame“ werden, wenn als satirisch erkennbar. Kunstform sprengt gern Grenzen von Geschmack und Sprache

Besagte Anwältin hatte ihren Mandanten in einer OWi-Sache vertreten. Dieser verarbeitete anschließend seinen Verhandlungstag in spöttisch-satirischer Form in einem Zeitungsartikel. Geradezu „filmreif“ sei seine Verteidigerin in den Gerichtssaal hereingeschwebt, schrieb er, „elegant, selbstbewusst und attraktiv“ gleich einer „Dame vom Escort-Service“. Die Anwältin klagte daraufhin auf eine Entschädigung in Höhe von mindestens 10.000 EUR – und ging leer aus. Das OLG sah im Text eine für Durchschnittsleser erkennbar satirisch angelegte Glosse, inklusive Justiz-Klischees, Verfremdung und Verzerrung. Alles in allem also klassische Zutaten eines Satirecocktails.

Der Text hätte die Anwältin auch nicht mit Prostituierten gleichgesetzt. Satiren würden nun mal gern die Grenzen des guten Geschmacks oder einwandfreien Sprachgebrauchs überschreiten. Eine Niveaukontrolle dürfe dabei nicht stattfinden.

 

Ist das Kunst oder darf ich beleidigt sein? Satire darf so einiges, aber Anwälte dürfen nicht herabgewürdigt werden.

Für Anwälte gilt zunächst dasselbe wie für den Normalbürger: Bei Vorwürfen einer Persönlichkeitsrechtsverletzung oder strafbaren Beleidigungen müssen Gerichte zwischen zwei Grundrechten abwägen: Auf der einen Seite die Meinungs- bzw. Kunstfreiheit, die eine satirische Aussage schützt. Auf der anderen das allgemeine Persönlichkeitsrecht der angegriffenen Person.

Sogenannte Schmähkritiken, also kritische Äußerungen ohne Sachbezug, bei denen hauptsächlich eine Person gekränkt und diffamiert wird, sind grundsätzlich verboten.

Beispielsweise wenn private Dinge über den Anwalt publiziert werden, die nichts mit dem Mandat zu tun haben. Die berufliche Existenz kann ins Wanken kommen, wenn Integrität und Glaubwürdigkeit eines Anwalts unter Beschuss geraten. Karikaturen und Satiren können beleidigend sein, wenn die Überzeichnung menschlicher oder sachlicher Schwächen die betroffene Person „ernstlich herabwürdigt“. Die Kunstfreiheitsgarantie ist kein bequemes Deckmäntelchen, in das sich Verleumdungen oder beleidigende Attacken einkleiden lassen.

Die Grenze des Zulässigen wird aber nicht so schnell überschritten. Verarbeiten Mandanten wie hier im OLG-Fall ihre eigene Gerichtsverhandlung einschließlich des Auftretens ihrer Anwälte in einem Artikel, rechtfertigt das grundsätzlich keine Geldentschädigung. Eine schwerwiegende Verletzung der Persönlichkeitsrechte lässt sich hieraus nicht ableiten. Bejaht das Gericht aber eine solche Verletzung, weil ein Anwalt unabhängig von einem konkreten Handeln als Person bzw. einem Sachbezug verunglimpft oder beleidigt wird, ist Schadenersatz denkbar. Legt der Anwalt beispielsweise dar, dass sich Mandanten abwandten bzw. angebahnte Mandate nicht zustande kamen oder Einrichtungen oder Unternehmen eine schon länger bestehende Zusammenarbeit beendeten, z.B. da über den Anwalt private Fotos und Fotomontagen publiziert wurden, kann auch eine entsprechende Klage erfolgreich sein.

 

Recht polemisch. Beim Kampf vor Gericht kann ein Anwalt zum „Rumpelstilzchen“ werden. Letztlich zählt der Kontext

Neben der Ebene zwischen Anwalt, Mandanten und Dritten gibt es noch die sprachlichen Florettkämpfe, die sich direkt in Verfahren und Schriftsätzen zwischen Bevollmächtigten abspielen.

Neben satirisch gefärbten Spitzen greift man mitunter auch zu drastischen Ausdrücken. Kürzlich entschied das BVerfG in einem Fall, in dem ein Bevollmächtigter als „fetter Anwalt“ und „Rumpelstilzchen“ bezeichnet worden war (Beschl. v. 24.11.2023, Az. 1 BvR 1962/23). Dasselbe Spiel auch hier: Abwägung zwischen Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) und Persönlichkeitsrecht.

Das BVerfG warf den Vorgerichten allerdings vor, nicht genug auf den Kontext der Äußerungen geachtet zu haben. Diese hatten die Bezeichnungen als Beleidigung gewertet. Das BVerfG hat diese „charmanten“ Titelzuschreibungen zwar nicht einfach als zulässig angesehen. Aber es hat betont, dass es beim „Kampf um das Recht“ grundsätzlich erlaubt sei, „auch besonders starke und eindringliche Ausdrücke zu benutzen, um Rechtspositionen und Anliegen zu unterstreichen“. Im Eifer des (Verfahrens)gefechts darf es verbal also etwas härter zur Sache gehen, ohne dass ein Gericht gleich zu einer Beleidigung tendieren darf. Es darf nicht einfach vom Wortlaut bzw. Begriffen ausgehen, sondern muss sich den sprachlichen Kontext und die Begleitumstände, unter denen die umstrittenen Aussagen fallen, genau anschauen.

 

Fazit

Wie für Privatpersonen gilt auch für Anwälte: Wer von Satire betroffen ist, muss schon in Sachen Meinungs- und Kunstfreiheit einiges aushalten. Gefragt ist dann ein dickes Fell.

Medienwirksame Gerichtsverfahren, die öffentliche Aufmerksamkeit auf sich ziehen, rücken Anwälte ohnehin stärker in den Fokus.

Im Einzelfall müssen auch polemische und überspitzte Kritiken oder gar gravierende Äußerungen ausgehalten werden, wenn diese letztlich (überschießendes) Mittel zum Zweck der Kritik eines Sachverhalts sind (BVerfG, Beschl. v. 19.08.2022, Az. 1 BvR 2249/19).

Zudem kann es für den Anwalt im Einzelfall zu einer aufwendigen Sache werden den Beweis zu erbringen, dass eine Persönlichkeitsverletzung tatsächlich ursächlich war für konkret entgangene Mandate und Einbußen bei seiner Berufsausübung.

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