Digitales Arbeiten ist in aller Munde, das papierlose Büro auf dem Vormarsch und es wird bereits über den nächsten Schritt nachgedacht, nämlich das Einbinden von KI in den Arbeitsalltag sowohl für Anwälte als auch für ReNos.
Und doch fällt mir immer wieder eines auf: In vielen Kanzleien gibt es einen Porsche, Ferrari oder Lamborghini unter den technischen Tools, der in weiten Teilen ungenutzt in der Ecke steht, weil der richtige Umgang nicht bekannt ist.
Die Kanzleisoftware!
Denn auch wenn es mittlerweile in den meisten Kanzleien eine Kanzleisoftware gibt, ist es immer noch nicht selbstverständlich, dass diese auch in ihrem kompletten Umfang genutzt wird und sämtliche Prozesse der Kanzlei in der Software und gegebenenfalls noch in einem Mailprogramm mit entsprechendem Kalender abgebildet werden.
Auch eine sinnvolle Umsetzung der analogen Prozesse in digitale Prozesse wird oft lange umgangen bzw. einfach irgendwie mit Stückwerk begonnen. Dadurch entsteht oft Chaos, welches nicht sein müsste.
Aus- und Fortbildung im Bereich Digitalität, Soft- und Hardware
Häufig gibt es keine grundlegenden Schulungen für die Mitarbeitenden, sondern lediglich eine kurze Einweisung und der Hinweis darauf, dass man das ja können müsste.
Natürlich sollte mittlerweile jeder den Umgang mit den gängigen Office-Produkten beherrschen, aber ehrlicherweise dürfen wir hier einmal hinterfragen, woher der hohe Anspruch kommt, egal ob es um die Kanzleisoftware oder auch um die Office-Programme geht.
Denn auch wenn es einige marktbeherrschende Programme gibt, so heißt es noch lange nicht, dass uns diese bereits beigebracht worden sind.
So lernen wir in der Regel in der Schule und in der Ausbildung rudimentäre Grundlagen, aber den tiefergehenden Umgang mit Programmen lernen wir nur in Eigenregie oder in zu bezahlenden Schulungen.
Die tiefergehenden Schulungen im Bereich der handelsüblichen Programme sind in der Regel aber privat und auf eigene Kosten zu absolvieren. Und das, obwohl sie Grundlage unserer Arbeit sind.
Noch schlimmer sieht es aber häufig – wenn auch nicht immer – im Bereich der Kanzleisoftwareprogramme aus.
Deswegen meine Frage an Sie: Woher sollen das Wissen und die Kompetenz Ihrer juristischen und nichtjuristischen Mitarbeitenden kommen?
Die Ausbildung
Viele werden nun sagen, aber das lernt man doch in der Ausbildung.
Sicher ist es ein Bestandteil der Ausbildung, zu lernen, wie man mit dem PC umgeht, mit den üblichen Programmen und der Kanzleisoftware. Doch auch hier besteht ein Problem. In der Regel zeigen entweder die Anwälte und Anwältinnen oder die Fachangestellten den Auszubildenden den notwendigen Umgang.
Da aber die Ausbildung und die Einarbeitung in einer Kanzlei häufig von Generationen erfolgt, die wie ich noch im mehr oder weniger analogen Zeitalter aufgewachsen sind und sich selbstständig in die Digitalität eingearbeitet haben, (wenn sie Lust darauf hatten, wenn sie keine Lust darauf hatten, navigieren sie sich bis heute mit oft abenteuerlichen Umwegen durch den PC und Programmdschungel), bleibt hier sehr viel Potenzial auf der Strecke und auch die neuen Auszubildenden erhalten viel zu wenig Fachkompetenz im Umgang mit der digitalen Welt.
Und so wird das Problem von Generation zu Generation weitergeschoben, neue Impulse langsam eingebracht und umgesetzt. Es ist also kein Wunder, dass Social-Media, Videokonferenz und -schulungen, digitale Akten, digitales Arbeiten und KI immer noch stiefmütterlich behandelt werden.
Das sollten Sie im Blick haben, denn hier wird unglaublich viel Potenzial in Ihrer Kanzlei verschenkt.
Der Ist-Zustand aus meiner Sicht
Mitarbeitende, die im Umgang mit PC, Software und Internet gut geschult sind, sind wahre Goldgruben. Denn alles, was in Zeiten des Fachkräftemangels automatisiert und digitalisiert werden kann, ist ein Schritt in den Fortbestand einer Kanzlei.
Auf der einen Seite haben wir zwischenzeitlich voll digitale Legaltech-Kanzleien, in denen Anwälte und soweit noch benötigt, Fachangestellte, die vorhandenen Möglichkeiten von Programmen, KI und digitalen Medien sinnvoll und effektiv nutzen. Die Fachangestellten und Anwälte können flexibel und autonom effektiv und effizient arbeiten.
Auf der anderen Seite haben wir Kanzleien, die sich gerade erst eine Kanzleisoftware angeschafft haben, die nach einer kurzen Einführung mehr schlecht als recht genutzt wird und bei der jede Menge Zeit mit ausprobieren und Rätselraten über die Funktionen sowie mit der Hotline des Softwareherstellers verbracht wird und in denen dann doch wieder vieles über andere Hilfsmittel wie Outlook, Exceltabellen und Papierakten abgedeckt wird. Der Berufsträger/die Berufsträgerin haben häufig das Programm sogar noch nie geöffnet.
Dazwischen befinden sich die Kanzleien, die sich über die letzten Jahre ein Konstrukt mit X Programmen, Prozessen und einer Welt zwischen Digitalität und Papier eingelebt haben, in denen vieles aber über Trial and Error entstanden ist und wo viele Prozesse einfach umständlich, langsam und veraltet sind. Denn hier gab es auch mit wachsenden Möglichkeiten der Programme keine weiteren Schulungen, sondern alles wurde wie immer weitergemacht und nur dort, wo es sein musste auf die Erweiterungen zugegriffen, was dann häufig im Do-It-Yourself-Modus geschehen ist.
In diesen beiden Fällen gibt es jede Menge frustrierte Fachangestellte, Anwälte und Anwältinnen, die die IT verfluchen, die Digitalisierung für ein schlimmes, aber leider unumgängliches Übel halten, was man hoffentlich noch bis zur Rente vor sich herschieben kann und was die Sache nicht besser macht.
Und es geht noch Schlimmer!
Um das Ganze noch abzurunden, wird in vielen Kanzleien sowohl an der Software als auch an der Hardware gespart. Da gibt es unzureichende Internetleitungen, veraltete Server und PCs, die viel zu langsam sind, Programme, bei denen nur die Grundversionen gekauft werden, zu wenige Lizenzen, veraltete Programmversionen und vieles mehr.
Im Zusammenspiel eine Geldvernichtungsmaschine par excellence.
Denn auch wenn gute Infrastrukturen, eine gute IT-Betreuung und gute Hard- und Software einiges kostet, so bringt es am Ende mehr Geld als das es kostet.
Das Potenzial von gut aufgestellten und genutzten IT-Infrastrukturen und Kanzleisoftwaren in Zusammenhang mit gut geschulten Mitarbeitenden
Wo liegt denn nun das Potenzial, von dem ich die ganze Zeit spreche.
Zunächst einmal: Neben Ihrem Fachwissen und dem Fachwissen Ihrer Mitarbeitenden nebst den Sozialkompetenzen den Mandanten gegenüber ist die IT Ihre größte Stellschraube, um Ihre Kosten zu minimieren und Ihren Gewinn zu maximieren.
Gute Internetverbindungen, gute Server und gute PCs in Kombination mit einer guten Kanzleisoftware, die vollumfänglich genutzt wird und den sich darum befindlichen notwendigen Programmen und bestens geschulten Mitarbeitenden, die jederzeit Zugriff auf entsprechende ITler und Kundendienste haben, sowie eine hohe digitale Kompetenz führen dazu, dass mehr Fälle in weniger Zeit halbautomatisiert von zufriedenen Mitarbeitenden bearbeitet werden können.
Denn eine gute Kanzleisoftware bietet das Rundumpaket mit allen notwendigen Schnittstellen und macht fast alle anderen Programme überflüssig.
Wenn diese Software, so wie die entsprechenden drumherum Programme, zusammen mit der Hardware regelmäßig gewartet und erneuert wird und die Internetperformance stimmt, fallen hier Wartezeiten, Reibungsverluste durch Umgehungslösungen und unpassenden Softwareverbindungen weg. Das macht schneller.
Werden dann die Mitarbeitenden regelmäßig und gründlich in den notwendigen Programmen geschult, wird zusätzlich noch dafür gesorgt, dass sämtliche Funktionen genutzt werden und Zeit gespart wird.
Dadurch wiederum können Arbeitsspitzen oder Fehlzeiten besser ausgeglichen werden und es bleibt Zeit, um auch neue Tools auszuprobieren und Prozesse so zu optimieren, dass Raum für neue Mandate bleibt und die Fachangestellten Ihnen deutlich mehr Arbeit abnehmen können.
Gibt es denn Nachteile?
Zugegeben, dass Ganze hört sich zu gut an, um wahr zu sein, oder?
Aber wie schon zu erwarten war, es gibt auch Nachteile.
- Am Anfang kostet eine Umstellung Zeit, Zeit und noch einmal Zeit. Und Geld, manchmal auch viel Geld, je nach Stand der Dinge.
- Die Mitarbeitenden müssen abgeholt und mitgenommen werden, denn der Prozess steht und fällt mit der Bereitschaft der Mitarbeitenden, diesen mitzugehen. Und hier müssen oft Ängste, schlechte Erfahrungen und Unwissenheit überwunden werden.
- Nicht immer funktioniert das allein, häufig braucht man hier neben den IT-Experten auch noch andere Experten, die dafür sorgen, dass der Ablauf reibungslos funktioniert.
Das Fazit
Die Umstellung von einer gewachsenen chaotischen, selbstgemachten, aus vielen Programmen bestehenden IT-Infrastruktur zu einer aus einem Guss rund um die Kanzleisoftware arrangierten IT-Infrastruktur mit vielen Prozessen kostet Zeit und Geld, fordert Geduld und manchmal auch Personalwechsel, aber der Gewinn für alle Beteiligten ist soviel höher, als die negativen Seiten, dass ich nur jedem empfehlen kann, sich auf das Projekt „Kanzleisoftware und weitere technische Tools richtig nutzen“ einzulassen.
Denn seien wir ehrlich, auch einen Ferrari oder Lamborghini fährt man nicht ohne Training wirklich schnell und bevor die Autos in der Garage vergammeln oder auf der Straße zum Verkehrshindernis werden, macht man eine Rennlizenz oder etwa nicht?