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Versteh’ mich doch! Kanzleikorrespondenz effektiv formulieren

Klar und verständlich zu kommunizieren, ist für Unternehmen, Dienstleister und Freiberufler essenziell. Kaum jemand hat Zeit und Lust, Schachtelsätze in den Versteh-Modus zu schubsen oder unnötig Fremdwörter nachzuschlagen. Und wie ist das bei Anwälten, bei deren Juristenjargon komplizierte Sprache fast "Programm" ist? Mit klugen Ideen lassen sich auch Korrespondenz-Stile in Kanzleien entschlacken und Geschriebenes auf Verständlichkeit trimmen. In diesem Beitrag kommen ein paar Fachleute zu Wort, die sich damit auskennen.

 

1. NICHTSDESTOTROTZ UND AUSGEWOGEN BETRACHTET WIRD'S JETZT EINFACHER ...

Einfach mal umgekehrt: Selbst manche Juristen nehmen gern ironisiert ihre Fachsprache aufs Korn, dieser Workshop hier zeigt, wie man aus einfachsten Sachverhalten kleine Schachtelsatzmonster züchtet. Stichwort Gutachtenstil. Der hockt nach dem Jurastudium fest im Juristenköpfchen, wie auch unterhaltsam skizziert in dem anwaltlichen Videoblog "Herr Anwalt". "Fach- und Fremdwörter zu vermeiden, ist in diesem Bereich nicht einfach – für Juristen gibt es hier Grenzen, da die Sprache ein Werkzeug des Rechts ist und mit historisch gewachsenen Begrifflichkeiten gearbeitet wird", sagt Elke Müller, beeidigte Dipl.-Übersetzerin und Juristin in Leipzig.

Auch bei rechtpräsent, einer Kölner Textschmiede, die sich auf Website-Texte und Suchmaschinenoptimierung versteht, geht man die Ansprache von Lesern gezielt an: "Zunächst schreibt ein Jurist den Text. Anschließend liest ein Laie gegen und markiert, was er erst beim dritten Lesen oder gar nicht versteht. Der Text geht zurück an den Autor, der nun weiß, an welchen Stellen er laiengerechter formulieren sollte", sagt der Jurist und Portal-Betreiber Christopher Runte. "Insbesondere größeren Kanzleien bieten wir außerdem an, deren selbst erstellten Texte für die Suchmaschinen zu optimieren. Die Codes der Suchmaschinen ermitteln bereits sehr präzise, worauf der menschliche Leser Wert legt. Daher bedeutet Suchmaschinenoptimierung zu einem großen Teil schlicht Aufwertung der Sprache. Natürlich sind auch Kanzleimitarbeiter trotz ihrer Rechtskenntnisse eine ideale Unterstützung für die schriftliche Ansprache, weil sie eben nicht das sprachliche Korsett des Jurastudiums mit sich tragen und auch wissen, wie häufig Mandanten mit Vorwissen erscheinen, und man im täglichen telefonischen Kontakt geschickt Sachverhalte und prozessuale Abläufe verständlich darstellt", so Runte.

 

2. WORAN MANDANTEN SCHEITERN ... WISSEN KANZLEIMITARBEITER AM BESTEN

Runte spricht einen entscheidenden Punkt an. Verstehen Mandanten einen Schriftsatz oder ein gegnerisches Schreiben nicht, greifen sie zu Telefon oder Tastatur und fordern "Verständnis" ein. Am anderen Ende der Leitung: die Kanzleikräfte. Welche Fachbegriffe oder Formulierungen Kopfzerbrechen bereiten, wissen sie am besten, bekommen sie doch regelmäßig Feedback hierzu. Genau dies können sich die Anwälte zunutze machen. Warum nicht eine Liste mit den Klassikern oder wiederholten Anfragen erstellen und hierauf reagieren, indem die Begriffe umschrieben oder - wo möglich - mit Synonymen gearbeitet wird? Das klappt bei der juristischen Buchstabensuppe nicht immer, aber muffige Texte mit veralteten Begriffen, umständliche Satzeinleitungen oder Ähnliches lassen sich mit frischem Textwind verbessern und an moderne Sprachgewohnheiten anpassen, ohne dass dies sinnentstellend auf den Inhalt wirkt. Formulierungen wie beispielsweise "anheimstellen", "Unterstellt, dass..", "Die Replik der Gegenseite" können leicht vereinfacht werden. Dies betrifft dann sinnvollerweise auch Texte auf der Kanzleiwebsite, den eigenen Newsletter oder Aushänge im Büro, denn hier wirken überlegt dargestellte juristische Zusammenhänge wie eine Visitenkarte in Sachen Verständlichkeit.

 

So können Sie die sprachliche Frischzellenkur organisieren:

  1. Mitarbeiter tragen ihre Erfahrung aus Telefonaten und Mandantenkontakten im Büro stichpunktartig zusammen.
  2. Komplexe/veraltete Wörter und Satzbauten analysieren und prüfen, ob sie vermeidbar oder zu umschreiben sind.
  3. Welche Begriffe sind veraltet und können dauerhaft durch Synonyme ausgetauscht werden, die auch in der Textverarbeitung gespeichert werden? Wann lohnen sich Textbausteine, die nicht zu vermeidende juristische Begriffe oder Abläufe knapp "übersetzen" und auch universell einsetzbar sind?
  4. Ist es sinnvoll, Sprachcoachs oder Dienstleister einzubinden, die bei einem Konzept sprachlicher Neuorientierung unterstützen?

 

3. AKTIV WERDEN, AKTIV SCHREIBEN - DIE GROSSE ENTSCHLACKUNGSKUR AUF DEM BILDSCHIRM

Bitte knapp, verständlich und auf den Punkt. Ja klar, aber bei Juristen geht das nicht so einfach, heißt es dann. Stimmt auch oft, aber eben nicht immer. "Das ist sehr unterschiedlich", sagt die Rechtsanwältin und Wirtschaftsjuristin Pia Löffler, auf die Frage, ob die Sache mit der Verständlichkeit wirklich in allen Kanzleien angekommen ist. 2013 gründete Löffler anwaltstexte.com, seit 2017 kam anwalts.marketing für rechtsberatende Kanzleien hinzu. "In einigen Kanzleien ist Verständlichkeit ein Thema, das in der Kommunikation mit Mandant*innen und in der Marketingkommunikation angekommen ist. Wenn wir beispielsweise Texte für Kanzleien in der Marketingkommunikation erstellen, legen wir grundsätzlich großen Wert auf Verständlichkeit. Von der Anwaltschaft wird das aber manchmal als zu verkürzt oder banal verstanden. Insofern ist das Thema zwar abstrakt in den Kanzleien angekommen, aber hat oft noch nicht Einzug im Alltag gefunden."

Dabei kann auch verständliche Sprache natürlich juristisch korrekt sein und ist nicht per se ein Haftungsrisiko, meint die Juristin und hakt gleich nach: "Das gilt jedenfalls in der Marketingkommunikation. Bei Vertragsformulierungen kann sich das aber anders darstellen! Deswegen gelten meine nachfolgenden drei Tipps für verständliche Texte grundsätzlich in erster Linie für die Kommunikation mit Mandant*innen und in der Marketingkommunikation.

1. Schreiben Sie aktiv, nicht passiv!; 2. Zu viele Substantive machen einen Satz schwer verständlich. Infinitiv-Konstruktionen wirken deutlich flüssiger. Das gilt allerdings nur, wenn Sie Tipp 3 beherzigen: Schreiben Sie in kurzen Sätzen mit möglichst maximal einem Nebensatz. Zu lange Sätze sind schwer verständlich. Je kürzer der Satz, desto besser verständlich ist er und am Ende macht es die richtige Mischung!"

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