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Unberechtigte Beschwerden

Hat schonmal jemand so etwas zu Ihnen gesagt: „Ich habe Ihr Schreiben erhalten. Da merkt man ja gleich, WIE BLIND Sie durch meine Sache fliegen!“ Ich glaube nicht, dass es irgendjemanden in unserer Zunft gibt, der noch niemals mit Beschwerden oder jedenfalls Unzufriedenheit von Mandanten zu tun hatte und das liegt natürlich in der Natur der Sache.

Wer über rechtliche Themen informiert, wer Menschen in Rechtsstreitigkeiten vertritt und durch Gerichtsverfahren und möglicherweise mehrere Instanzen begleitet, der hat auch manchmal schlechte Nachrichten zu überbringen oder die Botschaft, dass die tatsächliche Rechtslage nicht in allen Einzelheiten zum Rechtsempfinden der Mandantschaft passt. Direkt von Blindflügen zu sprechen, ist vielleicht eine etwas fortgeschrittene Art der Beschwerde, aber wenn wir eine Sammlung machen würden, kämen wahrscheinlich noch ganz andere Vorwürfe zutage. Mich jedenfalls hat vor einiger Zeit eine Dame mit diesem durchaus empört vorgetragenen Satz am Telefon begrüßt.

Ist wirklich ein Fehler passiert?

Was für solche Situationen aus meiner Sicht die wichtigste Erkenntnis ist: Sie haben fast nie etwas mit uns zu tun. Nicht, weil wir keine Fehler machen, jeder Mensch macht welche. Sollten Sie einen gemacht haben, ist nach meiner Erfahrung eine offene Kommunikation dazu – und die Korrektur natürlich – die beste Reaktion. Aber über diese Fälle spreche ich hier gar nicht, darum ging es auch bei meinem Telefonat nicht. Es geht in dem Beispiel darum, dass Sie, wie ich in diesem Fall, etwas geschrieben haben: Irgendeine normale Information, wie dass es nun mal keinen automatischen Anspruch auf eine Abfindung gibt bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses – am besten noch in einem Kleinbetrieb, solche Sachen. Manche Menschen müssen die Frustration über eine Nachricht, deren Inhalt sie sich irgendwie anders vorgestellt hatten, einfach mal irgendwo hinschleudern.

Phasen der Veränderung

Das hat zu tun mit den Phasen der Veränderung, durch die wir alle immer wieder gehen, wenn Dinge anders laufen als erwartet. Nach dem kurzen Moment der Überraschung und dem „Das-kann-doch-nicht-wahr-sein“-Gedanken folgt die Emotion. Der Ärger, die Enttäuschung oder Trauer. Manche machen diesen Teil mit sich selbst aus, Andere teilen sie mehr oder weniger ungefiltert mit. Je unmittelbarer die Reaktion zeitlich auf irgendeine Sache folgt, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie aus genau dieser Phase kommt. Und da sind wir dann manchmal die, denen das alles hingeworfen wird.

3 Tipps zum Umgang mit ungerechtfertigten Beschwerden

  • Nicht persönlich nehmen. Da ist irgendjemand gerade total sauer oder enttäuscht oder traurig über etwas, das nicht nach seinem Plan läuft. An Ihrer Berufswahl ist deshalb nichts auszusetzen – und vermutlich sind Sie ja auch bisher für Blindflüge nicht gerade bekannt geworden. Es hat mit diesem einfachen, aber wahren Satz zu tun: Was Peter über Paul sagt, sagt mehr über Peter als über Paul.
  • Trotzdem nicht alle Entgleisungen hinnehmen. Es funktioniert zum Beispiel eine Antwort wie: „Ich kann gut verstehen, dass Sie über XY frustriert sind, gleichzeitig bin ich über Ihre Wortwahl etwas irritiert. Wir können das Problem gern nochmal besprechen.“ In Ihren Worten natürlich, auswendig aufgesagte Floskeln wirken selten beruhigend auf unser Gegenüber.
  • Schauen, ob es gerade Sinn macht, die Rechtslage nochmal zu erläutern oder ob das Gegenüber erst noch einmal drüber schlafen muss. Denn wenn jemand gerade so richtig in seinem Ärger feststeckt, ist er für Lösungen meistens nicht gerade empfänglich und dann verschwenden wir hauptsächlich unsere Energie und ärgern uns womöglich noch mit. Schlagen Sie vor, am nächsten Tag oder zumindest ein paar Stunden später noch einmal zu sprechen, meistens ist auch das Gegenüber dann schon einen Schritt weiter.

Der erste Punkt ist der wichtigste. Denn, wenn wir uns von einer – unberechtigten – Beschwerde aus dem Gleichgewicht bringen lassen, womöglich mit Gegenvorwürfen kontern und selbst in aufgebrachter Stimmung in das Gespräch gehen, landen wir eher in einer Spirale, aus der dann beide Seiten nicht so schnell wieder herausfinden. Nehmen wir den Vorwurf nicht persönlich, können wir leichter sachlich auf die Angelegenheit eingehen. Das bedeutet nicht, dass wir nicht empathisch auf unser Gegenüber reagieren können. Es fällt sogar leichter, Verständnis aufzubringen, wenn wir wissen: Dieser Ausbruch hat nichts mit uns zu tun. Ich wünsche Ihnen natürlich trotzdem, dass Ihnen Blindflüge nicht so häufig vorgeworfen werden.

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