Meine Kanzlei liegt in Nordrhein-Westfalen, im Rheinland, um genau zu sein. Traditionell sind hier Anwälte und Notare zwei getrennte Berufsgruppen – den Anwaltsnotar/ die Anwaltsnotarin anderer Bundesländer kennen wir nicht. Wir sind ent- oder weder, sozusagen.
Erklärungsbedarf
So gerate ich ab und zu zwischen die Fronten, wenn ich Mandant*innen erklären muss, dass ich den gewünschten Erbvertrag zwar vorbereiten und mit dem Steuerberater feinjustieren kann, nicht aber dingfest machen. Oder dass ich die Vorsorgevollmacht der/des Geschäftsführer-Gesellschafter*in mit Immobilieneigentum zwar inhaltlich sinnvoll, aber eben nicht formell-sinnvoll hinbekommen kann. Dass es dafür Spezialist*innen gibt, die dafür einstehen, worauf sie das Landeswappen mit Fluss und Pferd prägen und die davon leben müssen, dass sie es tun. „Wappentiere“ heißen sie in meiner Kanzlei, gemeint als Respektsbezeichnung im allerbesten Sinne – und, nota bene, geschlechtsunspezifisch.
Während die unterschiedlichen Tätigkeitsbereiche von Richter*in/Staatsanwalt*in/Anwalt*in auch Laien durchaus geläufig sind, wird die Frage des Unterschieds zwischen Anwalt*in und Notar*in für Mandant*innen gerne zu sieben Büchern um ein Siegel. Die „Doppelbelastung“ der Berufsgruppen in einer Angelegenheit wirft da naturgemäß Fragen auf.
Erklärungslast und Überzeugungskraft
Für kostenbewusste Mandanten schreit das doch auch wirklich erst einmal nach Abzocke. Da schieben sich doch vermeintlich zwei Krähen das Wurstbrot zu. Und da ich die Krähe bin, die erst einmal näher dran ist am Wurstbrot, trifft mich auch als Erste die Erklärungslast. Manchmal auch die Erklärungsnot. Warn- und Beweisfunktion hin oder her – auch ich weiß nicht immer Sinn, Herkunft und Inhalt jeder Formvorschrift zu erklären. Das bloße Deuten auf Paragrafen hat der Rechtsvermittlung auch noch nie genutzt.
Tatsächlich punkte ich mit Überzeugung. Auch ohne Kennerin der Notarkostenordnung zu sein oder je danach abgerechnet zu haben, kann ich nämlich reinen Gewissens meinen Mandanten gegenüber behaupten, dass sie bei guter Zusammenarbeit zwischen Anwält*innen und Notar*innen durchaus profitieren UND sparen können.
Störfeuer im System: Die Ausnahmeerscheinungen
In die Quere kommt mir dann leider gelegentlich eine seltene Unterart des „Wappentiers“: die Mähnenschüttler (jeglicher Geschlechtervarianz). Sie betrachten sich als höhere Wesen. Eine Aussage á la „Na, dann wollen wir mal sehen, was Sie glauben, zu können“ ist da noch harmlos. Noch deutlicher: „Ich sehe mir nie an, was Anwält*innen vorbereitet haben, das ist eh´ nichts.“ Und die Krönung des Mähneschüttelns: „Schicken Sie mir die Mandanten, bevor Sie etwas falsch machen.“ Das ist extrem, bissig, keilig, aber leider vorkommend. Meist dann, wenn die Benennung dieser NRW-Amtsschimmel von den Mandant*innen selber kam und erstere daher, so will ich das mal freundlich werten, eine vermutete Revierverletzung zu sanktionieren suchten.
Beseitigen konnte ich solche Vorurteile gegenüber meiner Person, meinen Fähigkeiten oder auch gegenüber der Zusammenarbeit der beiden Berufsgruppen generell, übrigens noch nie. Nicht mit Wurstbrot-(oder Möhrenpellet-)Aussicht, nicht mit weißer Fahne und auch nicht mit guten Worten. Ich trete inzwischen den Rückzug aus Erfahrung an und teile den Mandant*innen mit, sie mögen ihr Heil direkt beim höheren Wesen suchen und sich erst wieder in meine Niederungen verirren, wenn sie es dort gefunden hätten.
Die häufigste Seite des Wappens: Die Win-Win-Situation
So frech ich das hier auch formulieren möge, bei der Vermittlung an Mandanten achte ich strikt auf eine absolut neutrale Wortwahl. Vor allem deswegen, weil es so viel mehr an wunderbaren „Wappentieren“ gibt, die von der Schelte mitgetroffen würden, und die das nicht verdient hätten. All´ die, denen ich so wunderbar zuarbeiten, mit denen ich so wunderbar zusammenarbeiten kann, neudeutsch: mit denen ich Synergieeffekte nutzen kann.
Vorbesprechungen, Textentwurf und Abstimmungsarbeiten mit Drittbeteiligten (etwa Steuerberatern) erledige ich vorab, bereite den Sachverhalt sozusagen schon einmal auf. Das Notariat prüft, merkt Änderungen an, macht vielleicht noch Vorschläge, stimmt ab, bis, ja, bis alle, vor allem die Mandanten, vollständig zufrieden sind. Wie in jedem guten Team bringt jeder seine Fähigkeiten ein. Ein gutes Beispiel ist die Vermittlung der Vorgänge im kommenden Beurkundungstermin an die Mandant*innen – nicht alle sind Urkundssprachenprofis oder wissen, was sie im Amtszimmer erwartet. Die daraus resultierenden Sorgen zu zerstreuen, das ist für die Notariate, geschweige denn, für die Amtsräger*innen dort, oft zeitlich einfach nicht drin. Um im Bild zu bleiben: Sie führen eine Herde, ich bin Einzelgängerin, und meist kenne ich wurstbrot-liefernden Mandant*innen auch einfach besser.
Im Urkundstermin gibt es so für niemanden böse Überraschungen und wenn alles vorbei ist, auch bei den Rechnungen nicht. Mit einem prima Notariat mit kollegialem „Wappentier“ an der Spitze wird Mandant*in – Anwalt*in – Notar*in statt zur Fresskette zur Win-Win-Situation. Eine, die gerne honoriert wird – menschlich und monetär. Eine, die nach Wiederholung schreit – mit diesen Mandant*innen, und denen, die ihnen folgen.
Mal drüber nachdenken, liebe*r Mähnenschüttler*in.