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Quiet Quitting in der Kanzlei? Machen Sie etwas daraus!

Seitdem im Internet ein Video zum Thema viral ging, wird es auf allen Plattformen und Kanälen diskutiert: Quiet Quitting. Gemeint ist nicht die „Innere Kündigung“, an die man bei Übersetzung des Begriffes erst einmal denken könnte. Mit der inneren Kündigung ist gemeint, dass jemand sich innerlich schon von seinem Arbeitsplatz verabschiedet hat, seine Motivation nicht wiederfindet und ohne Eigeninitiative oder Engagement nur noch das Nötigste mitmacht. Beim Quiet Quitting geht es dagegen darum, dass Angestellte nicht oder nicht mehr über das vertraglich Vereinbarte hinaus alle Energie auf die Arbeit verwenden. Dass sie gleichzeitig aber engagiert dabei sind. Es geht um das Grenzen setzen, um ein Leben auch außerhalb der Arbeit und darum, auf die eigene Gesundheit zu achten. Ganz neu ist das Thema nicht, denn die Pandemie mit ihren Herausforderungen und so häufig eingeführtem oder verstärktem Homeoffice hat viele ihr Verhältnis zur Arbeit neu überdenken lassen.

Wie bemerken Sie das Quiet Quitting?

Dass sich jemand entschieden hat, nicht mehr weit über die arbeitsvertragliche Vereinbarung hinaus auf Zuruf weiterzuarbeiten, könnten Sie zum Beispiel dann merken, wenn bei Ausfall einer Mitarbeiterin die Andere nicht mehr wie selbstverständlich ohne Aufforderung an ihrem eigentlich freien Tag kommt.  Oder wenn Sie eine Frist am Tag des Ablaufs gerade dann in Angriff nehmen, wenn das Team schon kurz vor dem Feierabend steht - und Sie den Schriftsatz plötzlich nicht nur diktieren, sondern auch selbst ausfertigen und versenden müssen - was viele Kolleginnen und Kollegen möglicherweise lange anders gewohnt waren. Während der Arbeitszeit selbst dagegen werden Sie es wahrscheinlich gar nicht bemerken, weil die Person so engagiert wie immer dabei ist.

Und neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, wenn Sie denn welche finden? Machen auch immer mehr von Beginn an klar, wozu sie bereit sind und wozu auch nicht.

Eine Selbstverständlichkeit?

Quiet Quitting bedeutet nicht, dass nur noch „Dienst nach Vorschrift“ abgeliefert und nicht den ganzen Tag lang gewohnt engagiert gearbeitet wird. Es bedeutet aber, dass die Grenzen deutlicher werden. Eine Selbstverständlichkeit, wenden viele ein. Auch in vielen Kanzleien werden damit offene Türen eingerannt werden, denn auch sie haben sich verändert und verändern sich weiter - wenn auch von außen betrachtet in manchmal sehr kleinen Schritten. Neben innovativen Konzepten frisch durchgestarteter Anwältinnen und Anwälte gibt es noch immer Büros, in denen die Uhren anders ticken – wie von jeher gewohnt eben. Dennoch: Die Digitalisierung, die Pandemie und der Fachkräftemangel in den Kanzleien hat viele auch vor der jetzt losgetretenen Diskussion über das Quiet Quitting zum Um- und Neudenken gebracht.

Welchen Nutzen haben Sie in der Kanzlei von der neuen Einstellung?

Anwältin zu sein oder Anwalt ist eine wunderbare Gelegenheit, sich mit der eigenen Persönlichkeit in einem freien Beruf auszudrücken. So zu arbeiten, wie man es mag, sich die Themen und die Arbeitsumgebung selbst zu wählen. Es ist gleichzeitig auch etwas, das sowohl durch vermeintliche oder tatsächliche Erwartungen oft als eine Rund-um-die-Uhr-Tätigkeit angesehen und gelebt wird. Das birgt die Gefahr, sich selbst ausschließlich über die Arbeit zu definieren. Gerade in der Selbständigkeit ist der ausschließliche Einsatz der eigenen Energie für den Beruf gar nicht selten. Und wahrscheinlich zu schnell wird diese permanente Extrameile auch von anderen erwartet.

Es besteht jedoch Unterschied zwischen der Arbeit in der eigenen Kanzlei und der Arbeit für eine Kanzlei. Auch wenn sich das Team mit der Kanzlei identifiziert, richtig gern dort arbeitet und lange Jahre mit viel Engagement großen Anteil am Erfolg hat: Es bleibt ein Unterschied, ob Sie Inhaberin oder Inhaber eines Unternehmens sind oder dort beschäftigt. Und vielleicht können Sie von „Quiet Quittern“ in Ihrer Kanzlei sogar etwas lernen.

Grenzen setzen und Abläufe verbessern

Es ist zweifellos gesund, die eigene Persönlichkeit in alle Lebensbereiche mit hineinzunehmen und eine erfüllte Berufstätigkeit zu leben. Gern können Sie aber auch arbeiten, wenn Sie gleichzeitig wissen, dass dieser Bereich nur ein Teil Ihres Lebens ist. Und dass Sie genauso qualitativ hochwertige Ergebnisse abliefern können, wenn Sie auch den anderen Lebensbereichen Raum einräumen – vielleicht sogar besser?

Den pünktlichen Feierabend des Teams oder den Urlaub ohne ständige Bereitschaft für Rückfragen über den Messenger können wir zum Anlass nehmen, die Abläufe in der Kanzlei zu verbessern - auch wenn so manche von uns dann beim eigenen Prokrastinationsverhalten beginnen müssen. Es lohnt sich, denn es winkt mehr Lebensqualität für alle.

Attraktive Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber

Damit rückt dann auch das größere Problem weiter in die Ferne - denn ein wirkliches Problem ist schließlich dann gegeben, wenn tatsächlich gekündigt wird und nicht nur das Engagement klare Grenzen bekommt. Der Fachkräftemangel ist längst angekommen in den Kanzleien und engagierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht leicht zu finden. Sich als attraktive Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber zu positionieren, für die eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe und entsprechend der vertraglichen Vereinbarung selbstverständlich ist, wird auch langfristig von Nutzen sein.

Und vielleicht lassen Sie sich ja sogar ein wenig anstecken - veränderte Abläufe könnten auch für Sie dann und wann einen früheren oder klareren Feierabend ermöglichen. Und für den fällt Ihnen sicher noch viel mehr ein, als Videos im Internet anzuschauen.

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