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Legal-Tech-Anwendungen: Prognose und Fazit

2024 wird sich unsere Arbeit nicht vollständig geändert haben. 2040 wird es jedoch zu massiven Veränderungen gekommen sein. Routinetätigkeiten werden nicht mehr von Menschen ausgeübt, sondern sind automatisiert und niemand wird dies noch hinterfragen. Die Nutzbarmachung der technischen Möglichkeiten wird alltäglich sein. Dies wird wahrscheinlich auch Auswirkungen auf die Vergütungsstruktur haben und könnte das Ende des sog. Wald- und Wiesenanwalts bedeuten.

Ein Generalist, der alles ein bisschen kann, aber in nichts Spezialist ist, wird es schwer haben, sich auf dem Rechtsmarkt zu behaupten. Noch mehr als heute wird ihm die Laufkundschaft von spezialisierten Experten, die im Internet für sich werben, abspenstig gemacht.

Für die Einarbeitung in eine Spezialmaterie wird wahrscheinlich keine Zeit mehr zur Verfügung stehen, da in der Mischkalkulation davon ausgegangen wird, dass das notwendige Wissen bereits in der unterstützenden Legal-Tech-Anwendung hinterlegt ist.

Auch die Erfassung des zugrunde liegenden Sachverhalts wird bei vielen Anwälten wahrscheinlich teilautomatisiert erfolgen. Erst dann, wenn menschliche Spezialfähigkeiten notwendig sind, wird der Erstkontakt des Mandanten mit einem menschlichen Sachbearbeiter erfolgen.

Ein Chatbot ist jedoch nicht in der Lage empathisch zu reagieren. Er kann nicht durch geschickte Fragen die Besonderheiten des speziellen Einzelfalls  herausarbeiten, die der Mandant selbst gar nicht als wichtig angesehen hat und ohne mehrfache gezielte Nachfragen gar nicht erzählt hätte.

Algorithmische Systeme sind auch nicht zur Subsumtion fähig, sodass es nicht möglich sein wird, komplexe juristische Entscheidungen vollständig zu automatisieren.

Der Spezialist wird somit nicht durch Legal Tech ersetzt werden, aber sein Berufsbild wird sich ändern. Die Anwaltschaft und auch die Richterschaft werden keine abrupte Disruption durch Legal Tech erfahren, sondern eine zunehmende schrittweise Gewöhnung – die schneller als erwartet – zu einem stark veränderten Arbeitsalltag führen wird. Schon jetzt ist es wichtig, die eigene Ausrichtung so vorzunehmen, dass eine Automatisierung nicht möglich ist.

 

Fazit

Was können kleine oder mittelständische Kanzleien heute tun, um von künftigen Entwicklungen nicht überrollt zu werden? Es ist sinnvoll, stets über den technischen Fortschritt informiert zu bleiben und zu überlegen, ob sich neue Entwicklungen sinnvoll in die bestehenden Strukturen integrieren lassen.

Dies müssen nicht immer große und von außen sichtbare Veränderungen sein.

Denkbar ist der Einsatz von Legal-Tech-Tools zur Mandantenerfassung, zur Rechnungslegung oder zur automatisierten Umsetzung von Diktaten in Text.

Des Weiteren ist es sinnvoll, kritisch zu hinterfragen, ob sich die kanzleiinternen Prozesse effektiver gestalten lassen. Digitalisierung sollte kein Selbstzweck sein. Wird festgestellt, dass Umstellungen sinnvoll sein könnten, ist es empfehlenswert, sich externen Rat – entweder durch die Teilnahme an entsprechenden Fortbildungsveranstaltungen oder durch das Einkaufen externen Sachverstandes – zu suchen.

 

Hinweis:

Einen lesenswerten Überblick über die Schritte zur Nutzbarmachung von Legal Tech durch kleine und mittlere Kanzleien aus seiner Perspektive als Legal-Tech-Berater liefert MARCO KLOCK (in: Hartung/Bues/ Halbleib (Hrsg.), Legal Tech, Rn 590 ff.).

 

Es sollte geprüft werden, ob Umstrukturierungen sinnvoll sind. Gibt es Potenzial für eine Spezialisierung? Kommt eine Tätigkeit als überregionaler Experte in einer Spezialmaterie in Betracht? Oder soll die Tätigkeit regional beschränkt bleiben? Kommt in Betracht, vorhandenes Spezialwissen systematisch zu erfassen, sodass es anderen Kollegen, die einmalig einen vergleichbaren Fall bearbeiten, verfügbar gemacht werden kann?

Wichtig ist es, am Ball zu bleiben und Chancen zu ergreifen, wenn sie entstehen. Die Veränderungen durch Legal Tech sind viel mehr als rein technische Prozesse. Die Veränderung, für die wir gewappnet sein müssen, sind die aus den technischen Möglichkeiten resultierenden Modi$kationen unserer lange als bekannt, bewährt und unveränderlich empfundenen Arbeitsweise.

 

 


Inhalt der Reihe:

 


 

Zuerst erschienen in: ZAP Nr.  7 | 13.4.2023; Ändern Legal-Tech-Anwendungen die Arbeit der Anwaltspraxis? (S. 351 – 360)

 

 

 

 

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