Es ist Donnerstag, 16. Dezember – noch drei Tage bis zum vierten, ja zum vierten (!) Advent und nur noch eine Woche bis Heiligabend.
Auf meinem Schreibtisch türmen sich die Akten, im Kalender sind eigentlich alle Termine mit roten Flaggen für „unendlich wichtig“ gekennzeichnet und nahezu im Minutentakt vermeldet mein Rechner klingend den Eingang einer weiteren Mail in mein ganz persönliches Postfach.
Da haben wir den (Vorbereitungs-)Salat
Das Texten meiner diesjährigen Weihnachtsbotschaft fällt mir unendlich schwer, will ich doch in dieser dünnhäutigen Zeit keinem auf die Füße treten: mit dem Inhalt will ich auch alle Glaubensrichtungen (ich kenne Odins-Anhänger!), Orientierungen, Einstellungen und Seelen gendergerecht werden. Mit *, versteht sich.
Dann die Auswahl der Empfänger, die Beschriftung dutzender Briefumschläge. Die Jahresendrallye der Verlage, die zu meinen Lektoratskunden zählen. Die Buchhaltung für nach dem Jahreswechsel vorbereiten, mit ihr die Budget- und Jahresplanung. Tausend plötzlich aufgetauchter, unendlich wichtiger Fälle die ich, und ganz bestimmt nur ich, jetzt und hier und am besten sofort lösen muss … Dazu unendlich viele Kleinigkeiten.
Erschrecken
Ich blicke auf die gesamte To-Do-List und erschrecke. Schon wieder sind die ganz privaten Dinge irgendwo im Nirgendwo gelandet, unter „ferner liefen“. Selbst die von meinem Sohn so liebevoll gestaltete Nikolaus-Weihnachts-Wunschliste liegt fast vergessen im Stapel „Mache-ich-irgendwann“.
Weihnachten ist plötzlich mehr Drohung als Freudenfest – herrliche Kindheitserinnerungen hin oder her.
Ich lasse meinen dezembermüden Kopf mit der verschnieften Nase hängen und will aufgeben.
Mein Blick fällt noch einmal auf die Wunschliste meines Sohnes. Das bunt bemalte Dokument mit der kindlichen Handschrift erinnert mich daran, wie es sein sollte. Ein stückweises Zurückschalten, ein abgestuftes Geschwindigkeit-Rausnehmen. Adveniat, das gespannte Erwarten. Vorausstrahlender Glanz der Feststage, so überzuckert süß das auch klingen mag.
Rescue-Button
Worte einer Freundin kommen mir in den Sinn. Sie ist Unternehmerin mit Leib und Seele, Pendlerin zwischen ihrem Heimatland und ihrer neuen Heimat, ein stets fröhliches 24-Stunden-Energiebündel. Sie aktiviere die „Mama-Superheldinnenkraft“, hat sie mir einmal lachend geantwortet, als ich wissen wollte, wie sie Dienst und Privatleben unter einen Hut bekomme. „Kinder ansehen, den kurzfristigen Zusatzenergieschub ausnutzen, um sich freizuhauen, danach zwei Runden runterschalten. Wie im Video-Spiel. Mein Rescue-Button.“
Power On!
Das Foto meines Sohnes auf dem Regal hinter mir grinst. Power on!
Energisch schiebe ich den Stuhl zurück, bringe den kaltgewordenen Kaffee in die Spülküche. Schon auf dem Weg gehe ich durch, welche Aufgaben delegiert werden können: Meine immer bereite Superheldinnen-Mama wird aktiviert: Korrekturlesen und lektorieren meines Artikels, Plätzchenbacken mit Enkel, den Zettel mit der Blumenbestellung für die Mandant*innen in Pflegeheimen zum Floristen am Ort bringen. Check. Dank meiner Mama drei Haken an der To-Do-Liste.
Das Listen-Bereinigungs-Fieber packt mich. Binnen einer Stunde habe ich mich neu sortiert. Der Weihnachtswunschzettel rangiert jetzt ganz oben, noch vor den Tickets fürs Weihnachtsmärchen und der Deko-Orgie in den Dienst- und Privaträumen. First things first.
Ja, und auch das mache ich: Ich sage ab. Lasse los. Sage ehrlich, was einfach nicht mehr geht. Paritätisch bei meinen Mandanten und bei meiner Familie. Siehe da: ich werde verstanden.
Die Rückkehr des Weihnachtsgeistes
Als ich nach diesem – immer noch anstrengenden und vollgepackten – Arbeitstag den Schreibtisch räume, spüre ich etwas Wunderbares: Vorfreude. Überzuckersüße, goldene Vorfreude auf eine immer wieder hektische und doch genauso außergewöhnliche Zeit:
(Jahres-)ENDE
In diesem Sinne Ihnen allen eine fröhliche, hoffnungsvolle und, auf Wunsch, auch arbeitsfreie Fest- und Jahreswechselzeit. Was auch immer Sie feiern möchten: tun Sie‘s!