Wenn sich die Situation in der Kanzlei bis Jahresende nicht bessert, dann….
…rede ich endlich mit dem Chef. Zwar wird er dann fragen, warum ich das nicht schon viel früher getan habe, aber…vielleicht klappt es ja auch ohne Konfrontation.
…kündige ich endlich diesen Job, der mir allmorgendlich Sorgen und Magenschmerzen bereitet. Möglich, dass ich bis dahin ein Burnout oder ein Magengeschwür (oder beides) habe, aber vielleicht muss ich mich auch einfach nur zusammenreißen.
Wenn die Kinder groß sind, dann….
…machen wir endlich die Fernreisen, von denen wir immer träumen. Dann sind wir zwar möglicherweise aufgrund der Jahrzehnte ohne exotische Länder gar nicht mehr so (welt)offen und auch Backpacking in Thailand wirkt vielleicht mit 55 erstmal komisch, aber…ach, mal sehen. Notfalls fliegen wir eben wieder nach Spanien.
Wenn wir in Rente sind, dann…
…haben wir das Haus endlich abbezahlt, dessen Raten und Finanzierungsdruck dafür gesorgt haben, dass wir uns jahrzehntelang einschränken mussten. Dann haben wir zwar unsere besten Jahre nicht richtig genutzt, aber dafür bleibt ja noch das Alter. Möglich, dass die Rente dann knapp und die Gesundheit nicht mehr die Beste ist, aber dann liegt man wenigstens im eigenen Garten.
Kommt Ihnen das bekannt vor? Womöglich mehrere dieser Situationen?
Wir alle schränken uns hier und da zugunsten eines „höheren Ziels“ ein. Wir sparen, agieren zurückhaltend, sprechen Themen nicht an.
Das ist wie Fahren mit angezogener Handbremse. So, wie sich das suboptimal auf ein Auto auswirkt, wirkt es sich auch auf unser Leben aus. Wir geben nicht Gas, verfolgen unser (eigentliches) Ziel nicht mit voller Leidenschaft. Wir bremsen uns selbst aus. Das schränkt die Lebensqualität im Jetzt ein, doch das hat oft auch suboptimale Auswirkungen auf das Später. Weil alles zusammenhängt. Unsere Handlungen im Heute sind oftmals mit jenen in der Zukunft verknüpft.
Unser heutiger Verzicht findet in der Hoffnung auf ein erleichtertes, besseres Morgen statt. Doch vielleicht kommt alles anders und das Leben ändert sich unvorhergesehen. Auch mit einer Pandemie rechnete niemand. Und wie sehr schränkte und schränkt sie unser Leben ein! In jeder Hinsicht: unsere Gesundheit, Freiheit, Jobs, Geld, Partnerschaft und Familie, Wirtschaft,… In so vielen, zuvor unvorstellbaren Facetten.
Also: Memento mori. Carpe diem! Gedenke des Todes und nutze den Tag. Es mögen bloß “Kalendersprüche” sein, doch sie sind so bekannt, weil ihre Botschaft wahr und zeitlos ist. Viel zu viele Manager und Unternehmer:innen beherzigen diese Gedanken erst, wenn der große Schicksalsschlag da ist. Oftmals in Form einer schlimmen Diagnose. Dann kommen sie (zwangsläufig) zur Ruhe. Dann sagen sie bedauernd: “Hätte ich doch früher….” Dann sind sie erst bereit, etwas an ihrem Hamsterrad oder der selbstauferlegten Passivität zu ändern.
Muss es wirklich erst so weit kommen?
Darum: Leben Sie jetzt! Gehen Sie (r)aus! Spechen Sie miteinander! Geben Sie das Geld aus! Reisen Sie um die Welt! Essen Sie lecker!
Zuviel Zurückhaltung, Sparen, Kalorien zählen und Aufschieben muss nicht immer zum Positiven führen. Ja, eine gewisse Contenance in manchen Dingen ist richtig, aber: kasteien Sie sich nicht. Dafür ist nämlich eigentlich keine Zeit. Dafür ist das Leben dann doch zu kurz.