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Burn-on in der Anwaltschaft

Ein Rechtsanwalt kann seine Kanzlei nicht mehr betreten, weil plötzlich nichts mehr geht. Untergegangen in Stress und Druck, plötzliche Vollbremsung, Burn-out. Erzählt wurde mir seine Geschichte noch ziemlich am Beginn meiner Tätigkeit als Anwältin, kurz nachdem ich mich zusammen mit zwei Kollegen selbständig gemacht hatte. Und wir waren erschrocken und haben uns vorgenommen, gut auf uns und unsere Stimmung aufzupassen. Uns sollte so etwas jedenfalls nicht passieren und wir fühlten uns gerade zu Beginn auch unverwundbar.

Ist bisher alles gut gegangen. Kein Burn-out in Sicht, keine Zusammenbrüche. Krisen natürlich dann und wann, Sinnkrisen vor allem, Änderungen auch an allem Möglichen. Aber das Weitermachen ist eine meiner Superkräfte und das habe ich bis heute ununterbrochen getan und habe nicht vor, damit aufzuhören. Nachdenklich hat es mich aber schon gemacht, als ich hörte:

Es gibt nicht nur ein Burn-out, es gibt auch ein Burn-on.

Das Burn-on ist schwerer zu erkennen, es ist nicht eines dieser ganz großen Zeichen, die die Gesundheit uns präsentiert, damit wir einmal wirklich innehalten und möglicherweise eine Kurskorrektur vornehmen. Vielmehr sind Menschen mit Burn-on sehr leistungsfähig und stressresistent, sie mögen ihre Arbeit und brechen auch bei ständig großem Pensum darunter nicht zusammen. Kommt Ihnen das bekannt vor?

 

Anzeichen eines Burn-on

Sätze wie „Am Wochenende ist es so schön ruhig, da kann ich mal so richtig etwas wegarbeiten und gelassen in die Woche gehen“ habe ich selbst unzählige Male gesagt und gehört. Das nachgeschobene Argument gerade der Selbständigen unter uns, man könne ja dafür auch unter der Woche mal einen Tag frei machen, findet selten Umsetzung.

Merken wir denn eigentlich, wenn es wirklich zu viel wird? Die Grenzen scheinen fließend zu sein zwischen einer hohen Belastbarkeit und einer chronischen Erschöpfung, die durch Dauerstress verursacht wird und die mit körperlichen wie seelischen Beschwerden einherkommt. Und die Anzeichen werden oft deshalb nicht wahrgenommen, weil Betroffene sich weiterhin mit ihrer Arbeit identifizieren und sie eigentlich gern machen. Das „eigentlich“ ist es, das mit der Zeit größer und schließlich zu groß werden kann.

Eines der Anzeichen des Burn-on ist es, dass die Freude über die Tätigkeit und ihre Ergebnisse nicht mehr so richtig gefühlt werden kann und dass der Bezug zum Sinn des Ganzen verloren geht. Diese Menschen mögen, was sie tun und kommen doch nicht richtig dazu, darüber froh oder zufrieden zu sein. Zusätzlicher Stress entsteht dadurch, dass auch Freizeitaktivitäten und familiäre Aufgaben mit dem gleichen Leistungswillen erledigt werden. Neben der fehlenden Freude oder einer gefühlten seelischen Leere können Anzeichen für ein Burn-on auch körperlicher Art sein wie ständige Verspannungen, Kopfschmerzen oder Schlafstörungen, Bluthochdruck oder Gefäßerkrankungen.

 

Wie sieht es bei Ihnen aus?

„Im Moment ist es stressig, aber nächste Woche wird es besser werden“ ist auch so ein geflügelter Satz, der manchmal schon die Form eines Running-Gags annimmt. Wenn Sie sich dabei ertappen, das immer wieder zu vermuten, ohne dass es je eintritt oder wenn Sie die oben beschriebenen Zeichen bei sich bemerken – nehmen Sie sich doch direkt jetzt einen Moment zum Reflektieren.

  • Was war es nochmal, was Ihnen wichtig ist im Leben? Hat das noch Raum?
  • Haben Sie Bereiche, in denen nichts gemessen, getrackt oder abgehakt wird? Zeiten, die wirklich ohne Druck verstreichen können?
  • Wenn es mit Ihrem Leben genau so weitergeht wie es im Moment läuft – werden Sie dann zufrieden darauf zurückschauen?

Ändern können wir jederzeit etwas und manchmal reichen schon kleine Veränderungen in der Struktur des Alltags, ein wenig mehr „Nein“ an der einen Stelle und etwas mehr „Ja“ an der anderen. Für wieder mehr gefühlte Freude lohnt es sich allemal, oder?

Den Kollegen, der seine Kanzlei nicht mehr betreten konnte, habe ich nie so richtig persönlich kennengelernt. Ich weiß, dass er wieder begonnen hat, ganz sicher hat er dabei viel verändert - sich offenbar so einiges an seinem Arbeitsumfeld passender gemacht, als es vorher war. Lassen Sie uns auch ohne so einen größeren Schuss vor den Bug wachsam bleiben und gegensteuern, wenn wir Anzeichen von dauerhafter Erschöpfung bei uns selbst erkennen. Es ist nicht ganz leicht, sich selbst gegenüber einzugestehen, schon etwas drüber zu sein. Und es ist ja auch wunderbar, für eine Sache zu brennen und sie gern zu betreiben. Damit wir damit weitermachen können, sollten wir dennoch bei uns selbst genauso genau schauen wie in der Beweisaufnahme - und rechtzeitig handeln.

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