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Bedürfnisse von Rechtsanwalts- und Notarfachangestellten – subjektive Wahrnehmung oder echte Probleme?

Vor einigen Wochen ist eine Umfrage auf der Seite www.alles-für-renos.de erschienen, in der es um die Bedürfnisse Ihrer Fachangestellten ging. Die Antworten – für Kenner der Branche keine Überraschung. In Hinblick auf den Fachkräftemangel in den Kanzleien – bedenklich.

Allein aus dieser kleinen Umfrage lässt sich sehr gut die Flucht der Fachangestellten aus den Kanzleien erklären. Auch die Unattraktivität des Ausbildungsberufes der Rechtsanwalts- und Notarfachangestellten wird hier deutlich.

 

Ergebnisse der Umfrage

Schauen wir uns die Ergebnisse der Umfrage genauer an:

 

1. Leistungsgerechte Bezahlung

An erster Stelle steht der Wunsch nach einer leistungsgerechten Bezahlung.

Jetzt ehrlich? Im Jahr 2022? Das kann doch gar nicht sein! Oder doch?

Der Beruf der/des Rechtsanwaltsfachangestellten ist einer, der in vielen Teilen Deutschlands absolut unterbezahlt ist. In dem sehr gut ausgebildete Vollzeitkräfte den Mindestlohn erhalten oder mit weniger als 2.500,00 EUR brutto/Monat nach Hause gehen. Und das auch, wenn sie schon über 30 Jahre in dem Beruf arbeiten. Teilweise sogar, wenn sie sich zur Rechtsfachwirtin weitergebildet haben.

Das ist ein Gehalt, das in der Wirtschaft an ungelernte Kräfte bezahlt wird.

Und wir reden hier von den Stützen Ihrer Kanzlei. Von sehr gut ausgebildeten Fachkräften, die eine dreijährige duale Ausbildung absolviert haben und tiefgreifendes Fachwissen haben. Die für Sie Ihre komplette Verwaltung und Ihr komplettes Sekretariat managen. Fortgebildete Rechtsfachwirte/-wirtinnen haben noch dazu tiefgreifenderes Wissen in Wirtschaft, Steuern, Arbeitsrecht, RVG, ZV, Mandantenbetreuung. Auch der Gutachtenstil wird ihnen vermittelt.

 

2. Wertschätzung, Anerkennung und Lob der Arbeit

An zweiter Stelle stehen die Bedürfnisse Wertschätzung, Anerkennung und Lob der Arbeit.

Hier reden wir eigentlich über Selbstverständlichkeiten oder etwa nicht?

Nun ja, meiner Erfahrung nach und der Erfahrung vieler Rechtsanwalts- und Notarfachangestellten nach, ist es immer noch ein großes Thema. Oftmals werden wir nicht wertschätzend behandelt, Anerkennung gibt es selten und Lob für die Arbeit noch viel seltener. Da werden kleinste Fehler wie Staatsverbrechen geahndet und kritisiert, was das Zeug hält. Wenn die Kanzlei aber läuft, die ReNo mal wieder länger bleibt, um die verdrängte Frist noch zu retten, dann ist das selbstverständlich. Das gehört halt zum Beruf dazu. Ok, möglicherweise ist ein kleines Danke zu hören, aber auch nur, wenn die ReNo schon das dritte Mal die Woche länger da war.

 

3. Flexible Arbeitszeiten

Darauf folgen die flexiblen Arbeitszeiten. Flexible was bitte? So oder so ähnlich kam es mir in manchen Vorstellungsgesprächen vor.

Die Arbeitswelt, aber auch die Welt um uns herum wandelt sich gerade massiv. Dabei werden die Menschen immer mehr herausgefordert, sodass sich viele eine gewisse Flexibilität und freie Einteilbarkeit ihrer Arbeitszeit wünschen. Starre Arbeitszeiten von 9:00 bis 18:00 oder 8:00 bis 17:00 Uhr, wie sie in vielen Kanzleien noch üblich sind, sind für viele nicht mehr händelbar.

Tatsächlich können flexible Arbeitszeiten auch im Anwaltsbereich funktionieren und ein Erfolgsmodell werden, bei dem alle, auch die Kanzleien und die Mandanten gewinnen. Aber da stoßen wir Fachangestellten immer noch auf taube Ohren und Misstrauen.

 

4. Vertrauen, Miteinander und Augenhöhe

Aufgrund des knappen Ergebnisses zwischen Punkt 3 und 4 komme ich auch noch etwas ausführlicher zu Punkt 4. Hier steht der Wunsch nach Vertrauen, Miteinander und Augenhöhe von Fachangestellten und Anwälten/Anwältinnen. Ganz ehrlich, das Thema „#miteinanderstattgegeneinander!“ ist ganz eng mit Punkt 1 und 2 verknüpft.

Warum ist es nicht möglich, dass Anwälte und Anwältinnen auf Augenhöhe mit ihren Fachangestellten arbeiten, akzeptieren und respektieren, dass Fachangestellte eine fundierte Ausbildung mitbringen, die ebenso viel wert ist wie ein Jurastudium?

Dieses Vertrauen und Miteinander kann so viel Mehrwert schaffen, von dem alle profitieren, die Kanzlei, die Mandanten, jeder/jede Einzelne.

Stattdessen bekomme ich häufiger mit, dass es immer noch Anwälte gibt, die ihre Fachangestellten wie Leibeigene behandeln. Sie sind der Auffassung, dass Fachangestellte einfach nur machen sollten und das Gehirn zu Hause lassen sollten.

Hart? Ja, aber leider Realität für viele Fachangestellte.

Deswegen seien wir einmal ehrlich, Anwälte/Anwältinnen brauchen ihre Fachangestellten. Fachangestellte, sofern sie nicht den Beruf wechseln wollen, brauchen ihre Anwälte/Anwältinnen. Wie würde Ihre Kanzlei aussehen, wenn Sie alles alleine machen müssten und Sie noch mehr Dinge erledigen müssten, die Sie im Studium nicht oder nicht vertieft gelernt haben?

Ach, das wäre kein Problem, das würden sie schon irgendwie hinbekommen?

Wenn Sie dieser Auffassung sind und überlegen, die Seite zu schließen, können Sie es ja auf einen Versuch ankommen lassen, um dann weiterzusehen, wie ReNos immer häufiger die Kanzleien verlassen und in die Wirtschaft wechseln – bloß raus aus der Branche.

Aber das kann eigentlich nicht Ihr Ziel sein, oder?

 

5. und 6. Bezahlte Weiterbildung und Urlaub

Im Übrigen kommen als letzte Punkte noch bezahlte Weiterbildung und Urlaub.

Auch hier ist es so, dass Anwälte und Anwältinnen Weiterbildung für ihre Fachangestellten oft als überflüssig und zu teuer ansehen. Häufig verlangen Anwälte und Anwältinnen, dass die Weiterbildung selbst bezahlt wird oder sich Urlaub dafür genommen werden muss. An Urlaub gibt es häufig auch nur den gesetzlichen Mindesturlaub.

Ach, Sie denken immer noch, Ihre Fachangestellten können froh und dankbar sein, dass sie überhaupt einen Job haben.

Stopp! Genau hier ist ein grundlegender Fehler. Mittlerweile stehen Fachangestellte nicht mehr auf der Straße Schlange. Keiner wartet mehr auf genau den Job in Ihrer Kanzlei. Denn immer weniger Fachangestellte sind bereit, auf die hier genannten Punkte zu verzichten. Sie suchen sich lieber einen Job in der Wirtschaft, wo sie gerne gesehen sind.

 

Fazit

Doch was ist das Fazit, was muss sich ändern?

  • Die Bezahlung sollte der Ausbildung und der von den Fachangestellten erwarteten und erfüllten Leistung angepasst werden.
  • Urlaubstage sollten wie fast überall auf 30 Tage angepasst werden.
  • Arbeitszeiten sollten flexibel gestaltet sein.
  • Ständige Überstunden sollten die Ausnahme und nicht die Regel sein.
  • Pausen sollten eingehalten werden.
  • Bezahlte Fortbildungen und Weiterbildungen sollten selbstverständlich zum Alltag gehören.
  • Anwälte/Anwältinnen sollten ihre Fachangestellten endlich ihrer Ausbildung angemessen ernst nehmen und die Kompetenz schätzen. Es sollte eine gegenseitige Kultur der Wertschätzung, des Vertrauens und des Miteinanders entstehen. In dieser Kultur sollte gegenseitiges Lob und Anerkennung für die getane Arbeit selbstverständlich sein. Auch gegenseitige Wertschätzung auf Augenhöhe sollte geäußert werden und normal sein.

 

Die Vorteile aus diesen Maßnahmen sind beachtlich

Zum Beispiel gut ausgebildete Fachangestellte, die flexibel über den Tag verteilt einsetzbar sind. Die möglicherweise mehr Stunden arbeiten können. Und die möglicherweise durch eine hybride Arbeitsweise (teilweise in der Kanzlei, teilweise im Homeoffice) eine längere Erreichbarkeit für Ihre Mandanten bieten können.

Außerdem stehen Mitarbeitende die Wertschätzung, Anerkennung und Lob sowie Vertrauen und Augenhöhe erhalten, deutlich mehr hinter einem Unternehmen, einer Kanzlei. Das heißt auch, wenn Probleme auftauchen, sind diese Mitarbeitenden eher bereit, der Kanzlei den Rücken zu stärken und die Probleme mit Ihnen zusammen zu lösen.

Die einer Fachkraft angemessene Bezahlung führt dazu, dass sich Ihre Mitarbeitenden nicht mehr einen Kopf um ihre Kosten machen müssen. Dadurch haben sie den Kopf frei für die Arbeit und können so entspannter und effizienter arbeiten sowie freundlicher zu den Mandanten, Kollegen/Kolleginnen und auch zu Ihnen sein. Daraus ergibt sich wiederum mehr erledigte Arbeit und eine lockerere, entspanntere Atmosphäre in der Kanzlei.

Das Ergebnis daraus ist dann bestenfalls: eine gute Arbeitsatmosphäre, mehr Mandanten, die auf Empfehlung wegen der qualitativ hohen und schnellen Arbeit Ihres freundlichen Teams zu Ihnen kommen.

Sicher denken Sie jetzt, dass Sie, die Anwälte und Anwältinnen, hier aber ziemlich schlecht wegkommen und, dass es auch bei den Fachangestellten ganz schön schwarze Schafe gibt – Sie es daher auch mit den ReNos nicht immer leicht haben.

Deswegen möchten wir von Ihnen wissen:

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