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Die Zwangssicherungshypothek im Lichte der Rechtsprechung des BGH

Der Themenschwerpunkt des aktuellen Infobriefes Zwangsvollstreckung liegt dieses Mal bei der Immobiliarvollstreckung. Dieser Beitrag befasst sich mit zwei relativ aktuellen Entscheidungen des Bundesgerichtshofes rund um die Zwangssicherungshypothek und erläutert die Auswirkungen für die Praxis.

I.BGH, Beschluss vom 21.10.2021, V ZB 52/20

Leitsatz:

1. Bei der Eintragung einer Zwangssicherungshypothek können Zinsen, die in dem Vollstreckungstitel als Nebenforderungen ausgewiesen sind, nicht in kapitalisierter Form der Hauptforderung hinzugerechnet und als Betrag der Hypothek eingetragen werden.

2. Eine Verletzung gesetzlicher Vorschriften i.S.v. § 53 Abs. 1 Satz 1 GBO liegt vor, wenn das Grundbuchamt bei der Eintragung das Gesetz nach seinem objektiven Inhalt nicht oder nicht richtig anwendet; darauf, ob die der Eintragung zugrundeliegende Rechtsauffassung des Grundbuchamtes vertretbar ist oder war, kommt es nicht an.

Mit der oben genannten Entscheidung hat der BGH sich mit der Frage beschäftigt, inwieweit titulierte laufende Zinsen bei einer Zwangssicherungshypothek kapitalisiert eingetragen werden können. Diese Frage ist in der Praxis oftmals von Interesse, nachdem § 866 Abs. 3 ZPO vorsieht, dass eine Zwangssicherungshypothek nur ab einem Betrag von 750,01 EUR zulässig und damit eingetragen werden kann. Gerade bei Nichterreichen dieser Wertgrenze konnte man sich in der Praxis damit behelfen, etwaige laufende Zinsen zu kapitalisieren, also auszurechnen und betragsmäßig der Hauptforderung hinzuzuaddieren, damit auf diesem Wege die Wertgrenze von 750,01 EUR erreicht wurde.

Viele Meinungen in Literatur und Rechtsprechung hielten diese Vorgehensweise für zulässig, sodass über diesen „Umweg“ auch bei einer geringeren Forderungshöhe durch Kapitalisierung der Zinsen eine Zwangssicherungshypothek eingetragen werden konnte. Gerade in jüngster Zeit hat jedoch die obergerichtliche Rechtsprechung vermehrt die Auffassung vertreten, dass eine solche Kapitalisierung dann nicht möglich ist, wenn Zinsen im Ursprungstitel nicht kapitalisiert, sondern als laufend tituliert wurden.

Dieser Auffassung hat sich nunmehr der Bundesgerichtshof in der eingangs erwähnten Entscheidung angeschlossen und der Eintragung von kapitalisierten Zinsen – obwohl lediglich als laufende Zinsen tituliert – eine klare Absage erteilt. Die Begründung des Bundesgerichtshofes ist, wenngleich nicht gläubigerfreundlich, überzeugend und nachvollziehbar. So hat der Bundesgerichtshof ins Feld geführt, dass Sinn und Zweck der Wertgrenze für den Gesetzgeber war, das Grundbuch von dinglichen Rechten im Kleinstforderungsbereich freizuhalten. Somit sieht der Bundesgerichtshof durch die unzulässige Kapitalisierung der Zinsen eine Umgehung des § 866 Abs. 3 ZPO. Darüber hinaus weist der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung zu Recht darauf hin, dass durch die nicht titelkonforme Kapitalisierung der Zinsen bei der Zwangssicherungshypothek auch die Verjährungsvorschriften umgangen werden, nachdem laufende Zinsen der regelmäßigen Verjährungsfrist des § 195 BGB unterliegen, was im Falle der kapitalisierten Eintragung ebenfalls umgangen wird. Und schließlich weist der Bundesgerichtshof darauf hin, dass durch die Eintragung der kapitalisierten Zinsen auch die Rangklassen 4 bzw. 8 des § 10 ZVG umgangen werden, da gerade die laufenden Zinsen in Rangklasse 4 des § 10 ZVG nur rückwirkend für zwei Jahre geltend gemacht werden können, währenddessen bei der Kapitalisierung der Zinsen diese sodann womöglich auch für länger zurückliegende Zeiträume – zu Unrecht – in Rangklasse 4 verfolgt werden könnten.

Insgesamt betrachtet überzeugt die Argumentation des Bundesgerichtshofes durchaus. Nunmehr ist also höchstrichterlich geklärt, dass eine Kapitalisierung von laufenden Zinsen bei der Zwangssicherungshypothek nicht mehr zulässig ist.

Praxistipp:

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes macht wieder einmal deutlich, wie wichtig es ist, bereits zum Zeitpunkt der Titulierung an die Zwangsvollstreckung zu denken.

Oftmals wird aus Bequemlichkeitsgründen davon Abstand genommen, im Rahmen des gerichtlichen Mahnverfahrens Zinsen auszurechnen, also zu kapitalisieren. Damit wird in Kauf genommen, dass die laufenden Zinsen der dreijährigen Verjährungsfrist unterliegen, anstelle der ansonsten 30-jährigen Verjährungsfrist (§ 197 BGB) von titulierten Forderungen. Aber auch das Erreichen der Wertgrenze des § 866 ZPO wird dadurch torpediert.

Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung aber auch klar eine Ausnahme statuiert. Danach dürfen laufende Zinsen sodann kapitalisiert werden, wenn die Hauptsache erfüllt wurde. Insoweit wird die Nebenforderung dann zur Hauptforderung.

Diese Entscheidung des Bundesgerichtshofes sollte dem Praktiker wieder in Erinnerung rufen, dass es sowohl vollstreckungsrechtlich als auch materiellrechtlich strategisch sinnvoll ist, ausgerechnete, also kapitalisierte Zinsen gerichtlich im Rahmen des gerichtlichen Mahnverfahrens oder Klageverfahrens geltend zu machen.

Um die Wertgrenze des § 866 Abs. 3 ZPO bei Kleinst- und Kleinforderungen zu erfüllen, ist es weiterhin zulässig, mehrere Titel in einer Zwangssicherungshypothek zusammenzufassen.

Z.B.:

  • mehrere Vollstreckungsbescheide des gleichen Gläubigers gegen den gleichen Schuldner oder
  • Urteil und Kostenfestsetzungsbeschluss,

wenn dadurch insgesamt die titulierten Hauptsachen oder aber die titulierten Hauptsachen und die titulierten kapitalisierte Zinsen die Wertgrenze von 750,00 EUR überschreiten.

Ein nicht unwesentliches Praxisproblem stellt sich vor allem dann, wenn der Schuldner über mehrere Grundstücke verfügt, da die Zwangssicherungshypothek streng akzessorisch ist: Die Forderung des Gläubigers kann nur einmal auf alle Grundstücke verteilt werden. Aufgrund der Akzessorietät der Zwangssicherungshypothek ist es eben gerade nicht möglich, auf allen Grundstücken in Höhe der Gesamtforderung des Gläubiges Zwangssicherungshypotheken einzutragen. Vielmehr müsste die Gesamtforderung wiederum unter Berücksichtigung der Wertgrenze des § 866 Abs. 3 ZPO strategisch klug, abhängig von der Werthaltigkeit des Grundstücks, der Vorbelastungen, der Eigentumsverhältnisse, der Dienstbarkeiten, etc. verteilt werden.

II.BGH, Urteil vom 10.10.2020, IX ZR 24/20

Leitsatz:

Die Restschuldbefreiung begründet keinen Anspruch auf Erteilung einer Löschungsbewilligung hinsichtlich einer vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingetragenen Zwangshypothek.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes statuiert die Zwangssicherungshypothek letztlich als „Retter in der Insolvenz“. Der Bundesgerichtshof beschäftigt sich in dieser Entscheidung mit der Frage, inwieweit der Gläubiger verpflichtet ist, nach erteilter Restschuldbefreiung des Schuldners diesem eine Löschungsbewilligung für die eingetragene Zwangssicherungshypothek zu erteilen.

Der Bundesgerichtshof stellt zutreffend fest, dass durch die insolvenzfeste Eintragung einer Zwangssicherungshypothek i.S.d. § 88 InsO zugunsten des Gläubigers ein Absonderungsrecht nach § 49 InsO begründet wird. Insoweit hat der absonderungsberechtigte Gläubiger dieses Absonderungsrecht im Rahmen der Insolvenzforderungsanmeldung anzumelden und kann dieser absonderungsberechtigte Gläubiger – nach Freigabe des Grundstücks durch den Insolvenzverwalter – während des Insolvenzverfahrens, aber auch nach Abschluss des Insolvenzverfahrens, aus diesem dinglichen Recht vollstrecken.

Auch die gegenüber dem Schuldner erteilte Restschuldbefreiung hindert den Gläubiger nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofes hieran nicht. Der Grund hierfür liegt darin, dass § 301 Abs. 1 InsO regelt, dass die Forderung des Insolvenzgläubigers nicht etwa erlischt, sondern weiterhin erfüllbar, nicht aber erzwingbar ist (BGH WM 2020, 1313). Gemäß § 301 Abs. 2 InsO werden Rechte eines absonderungsberechtigten Gläubigers durch die Restschuldbefreiung nicht berührt und für eine insolvenzfeste Zwangssicherungshypothek (dinglicher Anspruch) haftet das Grundstück.

Der BGH kam daher in dem vom ihm zu entscheidenden Fall zu dem Ergebnis, dass folglich dem Schuldner kein Löschungsanspruch bzgl. der vom Gläubiger insolvenzfest eingetragenen Zwangssicherungshypothek zusteht. Der BGH wies im Rahmen dieser Entscheidung auch darauf hin, dass dem Gläubiger eine Vollstreckung aus der Zwangssicherungshypothek möglich ist.

In der Praxis ist die Zwangssicherungshypothek nach wie vor die gängigste und beliebteste Maßnahme im Rahmen der Immobiliarvollstreckung. Die Vorteile, wie

  • Schaffung eines dinglichen Rechts,
  • Sicherung einer Rangstelle im Grundbuch,
  • Verhinderung eines freihändigen Verkaufs

liegen auf der Hand.

Praxistipp:

Damit liefert die Entscheidung des Bundesgerichtshofes ein weiteres Argument für den Gläubiger, frühzeitig eine Zwangssicherungshypothek eintragen zu lassen, um die Gefahr der Rückschlagsperre gemäß § 88 InsO zu minimieren.

Klarstellend ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die Eintragung einer Zwangssicherungshypothek allein regelmäßig nicht zur Befriedung eines Gläubigers führt. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes entbindet den Gläubigervertreter nicht zu prüfen, inwieweit die Eintragung der Zwangssicherungshypothek den rechtssichersten Weg auch unter Berücksichtigung etwaiger Eintragungen eines Zwangsversteigerungs- oder Zwangsverwaltungsvermerks in Abteilung II des Grundbuches darstellt. Ebenso wird die Eintragung einer Zwangssicherungshypothek auf absolut aussichtsloser Rangstelle nicht zum Erfolg führen, wenn man die Möglichkeit der Zahlung einer „Lästigkeitsprämie“ einmal außer Acht lässt.

III.Fazit

Beide hier besprochene Entscheidungen des Bundesgerichtshofes überzeugen inhaltlich und klären bisher konträr entschiedene Rechtsfragen.

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