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Elektronischer Rechtsverkehr und Zwangsvollstreckung – geht das zusammen?

Zum 1.1.2022 wurde der elektronische Rechtsverkehr in der 3. Stufe nunmehr flächendeckend eingeführt. Daher ist die Anwaltschaft verpflichtet, das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA)

  • nicht nur passiv (also für den Empfang),
  • sondern auch aktiv (zum Versenden)

zu nutzen.

In diesem Beitrag geht es nicht um sämtliche rechtliche Besonderheiten des elektronischen Rechtsverkehrs, insbesondere im Hinblick auf Datenformate, elektronische Signaturen, Ausnahmeregelungen im Falle von Ersatzeinreichungen usw. Es geht schwerpunktmäßig um die durch den elektronischen Rechtsverkehr entstehenden Probleme in der Zwangsvollstreckung.

Dass es einen Beitrag dieser Art überhaupt braucht, ist schon mehr als enttäuschend. Man dürfte eigentlich vom Gesetzgeber erwarten, sämtliche Problemstellungen der einzelnen Rechtsgebiete in den Blick genommen zu haben, wenn er den elektronischen Rechtsverkehr schon mit einer Vorlaufzeit von über fünf Jahren einführt. Für den Bereich der Zwangsvollstreckung gilt jedoch eher Blindheit, als Durchblick.

I.Ausgangssituation

Nach derzeit geltender Rechtslage kommt der elektronische Rechtsverkehr – mehr oder weniger praxistauglich – nur aufgrund zweier Vorschriften in der ZPO in Betracht.

Einmal für den Vollstreckungsauftrag an den Gerichtsvollzieher:

§ 754a ZPO Vereinfachter Vollstreckungsauftrag bei Vollstreckungsbescheiden

(1) Im Fall eines elektronisch eingereichten Auftrags zur Zwangsvollstreckung aus einem Vollstreckungsbescheid, der einer Vollstreckungsklausel nicht bedarf, ist bei der Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen die Übermittlung der Ausfertigung des Vollstreckungsbescheides entbehrlich, wenn

1. die sich aus dem Vollstreckungsbescheid ergebende fällige Geldforderung einschließlich titulierter Nebenforderungen und Kosten nicht mehr als 5 000 EUR beträgt; Kosten der Zwangsvollstreckung sind bei der Berechnung der Forderungshöhe nur zu berücksichtigen, wenn sie allein Gegenstand des Vollstreckungsauftrags sind;

2. die Vorlage anderer Urkunden als der Ausfertigung des Vollstreckungsbescheides nicht vorgeschrieben ist;

3. der Gläubiger dem Auftrag eine Abschrift des Vollstreckungsbescheides nebst Zustellungsbescheinigung als elektronisches Dokument beifügt und

4. der Gläubiger versichert, dass ihm eine Ausfertigung des Vollstreckungsbescheides und eine Zustellungsbescheinigung vorliegen und die Forderung in Höhe des Vollstreckungsauftrags noch besteht.

Sollen Kosten der Zwangsvollstreckung vollstreckt werden, sind dem Auftrag zusätzlich zu den in Satz 1 Nummer 3 genannten Dokumenten eine nachprüfbare Aufstellung der Kosten und entsprechende Belege als elektronisches Dokument beizufügen.

(2) Hat der Gerichtsvollzieher Zweifel an dem Vorliegen einer Ausfertigung des Vollstreckungsbescheides oder der übrigen Vollstreckungsvoraussetzungen, teilt er dies dem Gläubiger mit und führt die Zwangsvollstreckung erst durch, nachdem der Gläubiger die Ausfertigung des Vollstreckungsbescheides übermittelt oder die übrigen Vollstreckungsvoraussetzungen nachgewiesen hat.

(3) (weggefallen)

Die zweite Vorschrift betrifft den Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses:

§ 829a ZPO Vereinfachter Vollstreckungsantrag bei Vollstreckungsbescheiden

(1) Im Fall eines elektronischen Antrags zur Zwangsvollstreckung aus einem Vollstreckungsbescheid, der einer Vollstreckungsklausel nicht bedarf, ist bei Pfändung und Überweisung einer Geldforderung (§§ 829, 835) die Übermittlung der Ausfertigung des Vollstreckungsbescheides entbehrlich, wenn

1. die sich aus dem Vollstreckungsbescheid ergebende fällige Geldforderung einschließlich titulierter Nebenforderungen und Kosten nicht mehr als 5 000 EUR beträgt; Kosten der Zwangsvollstreckung sind bei der Berechnung der Forderungshöhe nur zu berücksichtigen, wenn sie allein Gegenstand des Vollstreckungsantrags sind;

2. die Vorlage anderer Urkunden als der Ausfertigung des Vollstreckungsbescheides nicht vorgeschrieben ist;

3. der Gläubiger eine Abschrift des Vollstreckungsbescheides nebst Zustellungsbescheinigung als elektronisches Dokument dem Antrag beifügt und

4. der Gläubiger versichert, dass ihm eine Ausfertigung des Vollstreckungsbescheides und eine Zustellungsbescheinigung vorliegen und die Forderung in Höhe des Vollstreckungsantrags noch besteht.

Sollen Kosten der Zwangsvollstreckung vollstreckt werden, sind zusätzlich zu den in Satz 1 Nr. 3 genannten Dokumenten eine nachprüfbare Aufstellung der Kosten und entsprechende Belege als elektronisches Dokument dem Antrag beizufügen.

(2) Hat das Gericht an dem Vorliegen einer Ausfertigung des Vollstreckungsbescheides oder der übrigen Vollstreckungsvoraussetzungen Zweifel, teilt es dies dem Gläubiger mit und führt die Zwangsvollstreckung erst durch, nachdem der Gläubiger die Ausfertigung des Vollstreckungsbescheides übermittelt oder die übrigen Vollstreckungsvoraussetzungen nachgewiesen hat.

(3) (weggefallen)

Fasst man diese im Wortlaut nahezu identischen Vorschriften einmal zusammen, so gelangt man zu dem Ergebnis, dass ein Gläubiger seine Aufträge bzw. Anträge sortieren muss, nämlich einmal nach

  • Titelart (Vollstreckungsbescheide ohne qualifizierte Vollstreckungsklausel) und zum anderen nach
  • Forderungshöhe (bis 5.000,00 EUR)

II.Zulässige Vollstreckungstitel

Wie den genannten Vorschriften unmissverständlich zu entnehmen ist, sind für die elektronische Antragstellung zugelassene Vollstreckungstitel ausschließlich klausellose Vollstreckungsbescheide, die sodann als elektronisches Dokument beizufügen sind.

In typisch deutscher Manier sieht der Gesetzgeber auch hier zusätzlich einen „doppelten Boden“ vor. Nach Absatz 2 kann also das Vollstreckungsorgan gleichwohl die Ausfertigung des Vollstreckungsbescheides anfordern, wenn es Zweifel am Bestand des Vollstreckungsbescheides oder den Vollstreckungsvoraussetzungen hat. Dass dies nicht generell und ohne Begründung durch das Vollstreckungsorgan erfolgen darf, hat zumindest das AG Kassel mit Beschluss v. 28.7.2017, 630 M 546/17 in Bezug auf § 754a ZPO entschieden.

Weshalb eine solche Beschränkung in Bezug auf Vollstreckungsbescheide als einzig zugelassene Titel, die als elektronisches Dokument beigefügt werden dürfen, seitens des Gesetzgebers erfolgt ist, ist nicht nachvollziehbar. Sinnvoll wäre eine solche Regelung allenfalls dann, wenn man bei der Titelart „Vollstreckungsbescheid“ gänzlich auf die Beifügung eines solchen zum Vollstreckungsauftrag bzw. eines Pfändungs.- und Überweisungsbeschlusses hätte verzichten können. Ein vom Gesetzgeber z.B. geschaffenes elektronisches Titelregister, bei dem sämtliche Titel der zentralen Mahngerichte für die jeweiligen Vollstreckungsorgane abrufbar bzw. einsehbar wären, hätte Abhilfe schaffen können. Ein solches Titelregister oder auch sonst eine irgendwie geartete praktikable zukunftsweisende Lösung, die tatsächlich einmal als innovativ gewertet werden könnte, ist nicht in Sicht.

Letztlich soll also der Originaltitel durch einen PDF-Scan als elektronisches Dokument ersetzt werden. Dann wiederum erschließt sich nicht, weshalb ein PDF-Scan eines Urteils, eines gerichtlichen Vergleichs, einer Urkunde, eines Kostenfestsetzungsbeschlusses etc. nicht den gleichen Zweck eines eingescannten Vollstreckungsbescheides erfüllen soll. Auch ist bislang ungeklärt, wie künftig der in diesen Fällen nach § 757 ZPO erforderliche Teilzahlungsvermerk auf den „elektronischen“ Titeln erfolgen soll bzw. die in § 757 ZPO normierte Titelaushändigung an den Schuldner.

Ziel ist es hier nicht, den elektronischen Rechtsverkehr schlecht zu reden, sondern den Gesetzgeber zum Nachdenken zu bewegen, um den in der Zwangsvollstreckung beteiligten Personen und Organen einen praxistauglichen Weg zu eröffnen.

Praxisbeispiel:

Ein Gläubiger erwirkt einen Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Coburg über 3.200,00 EUR. Der Antragsgegner legt gegen den Vollstreckungsbescheid Einspruch ein und dieser wird vom Prozessgericht verworfen. In diesem Verfahren ergeht sodann ein Kostenfestsetzungsbeschluss gegen den Antragsgegner über die Verfahrenskosten des Einspruchstermins.

Dieses Beispiel macht deutlich, dass eine gemeinsame Vollstreckung beider Titel in der Praxis in Form einer elektronischen Antragstellung ohne Vorlage der Ausfertigung des Titels nicht möglich ist. Zwar liegt dem Gläubiger ein Vollstreckungsbescheid ohne Klausel vor, der auch betragsmäßig i.S.d. §§ 754a, 829a ZPO zur Vollstreckung geeignet wäre. Eine gemeinschaftliche Beauftragung im Wege der elektronischen Antragstellung ohne Vorlage des Original-Titels scheitert jedoch an dem Kostenfestsetzungsbeschluss.

Folgeprobleme

Durch eine getrennte Vollstreckung entsteht nicht nur ein Mehraufwand durch Führung zweier Forderungskonten, sondern tatsächlich auch erhebliche Mehrkosten in Form von Gerichts- und Gerichtsvollzieherkosten, welche auch einer Nachprüfung im Hinblick auf die Notwendigkeit nach § 788 ZPO standhalten müssen.

Diese Folgeprobleme würden sich erübrigen, wenn der Gesetzgeber die Einschränkungen bei der Titelart in den §§ 754a, 829a ZPO für den elektronischen Rechtsverkehr aufheben würde.

Ein weiteres Praxisproblem stellt sich durch die Einführung der zwingenden aktiven Nutzungspflicht. Gemäß §§ 753 Abs. 5, 130d ZPO ist man als Rechtsanwalt verpflichtet, den Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses bzw. den Vollstreckungsauftrag an den Gerichtsvollzieher in elektronischer Form einzureichen und zwar unabhängig davon, welcher Titel zugrunde liegt. Dies bedeutet aber dann denklogisch weiter, dass in jedem Falle – sofern die Voraussetzungen der §§ 754a, 829a ZPO nicht erfüllt sind – ein mangelhafter Antrag vorliegt, da schlicht und ergreifend der Vollstreckungstitel als allgemeine Vollstreckungsvoraussetzung fehlt. Dieser muss nach der aktuellen Gesetzeslage sodann im Original vorgelegt werden.

Dies führt in der weiteren Konsequenz dazu, dass das Gericht den Vorgang anlegt, ein Aktenzeichen vergibt, jedoch zwingend eine Monierung erfolgen muss, da schließlich die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen nicht erfüllt sind, also weder der Titel noch die Klausel, noch die Zustellung durch die elektronische Einreichung des Antrages geprüft werden kann.

Der Mehraufwand entsteht auf beiden Seiten:

  • auf Seiten des Gerichtes bzw. des Gerichtsvollziehers durch Verfassen eines Monierungsschreibens und
  • auf Seiten des Gläubigervertreters der Aufwand, zunächst den Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses elektronisch bei Gericht bzw. beim Gerichtsvollzieher einzureichen und im Anschluss die zwingende Monierung des Gerichtes zu bearbeiten sowie die Vollstreckungstitel auf dem Postwege (!) nachzusenden.

Eine gleichzeitige Übersendung bei der Übermittlung des Antrages via beA und des Titels via Post scheidet wohl deshalb aus, weil eine Zuordnung mangels Vorliegens eines gerichtlichen Aktenzeichens nicht möglich sein wird. Die Anträge auf Erteilung weiterer vollstreckbarer Ausfertigungen werden sich häufen, da Titel verloren gehen.

Ein weiterer Aspekt ist zudem der Zeitverlust, der ausschließlich zu Lasten des Gläubigers geht.

Der Gläubigervertreter muss die Monierung abwarten, muss sodann den Vollstreckungstitel nachsenden, dieser muss bei Gericht wiederrum zugeordnet werden und erst jetzt beginnt die eigentliche Prüfarbeit des Rechtspflegers bzw. Gerichtsvollziehers, ob der Antrag sämtlichen Voraussetzungen entspricht oder ob weitere Monierungen inhaltlich erforderlich werden.

Wollte der Gesetzgeber mit dem elektronischen Rechtsverkehr nicht eigentlich die Gerichte und Vollstreckungsorgane entlasten und das Verfahren beschleunigen?

Vor diesem Hintergrund könnte man sich durchaus auf den Standpunkt stellen, dass eine Pflicht zur Einreichung des Antrages auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses auf elektronischem Wege nur dann besteht, sofern die Voraussetzungen des § 829a ZPO erfüllt sind, also ein klauselloser Vollstreckungsbescheid mit einer Forderung bis zu 5.000,00 EUR zugrunde liegt. In allen anderen Fällen könnte man überlegen – solange keine höchstrichterliche gegenteilige Rechtsprechung vorliegt – weiterhin auf dem Postweg einzureichen. Schließlich hat der Gesetzgeber die Voraussetzungen für den elektronischen Rechtsverkehr in diesen Fällen schlicht und ergreifend nicht geschaffen.

Alternativ könnte man auch überlegen die Anträge/Aufträge, die nicht unter die Voraussetzungen der §§ 754a, 829a ZPO fallen, trotzdem weiterhin postalisch einzureichen. Damit liegt dem Vollstreckungsorgan der Original-Titel wenigstens bereits vor. Der sodann vom Vollstreckungsorgan gemäß § 139 ZPO zu monierende Formmangel ließe sich im Anschluss durch Einreichung des jeweiligen Antrags/Auftrags via beA unter Angabe des Aktenzeichens beheben.

Beachte:

Dieser Weg birgt allerdings für den Gläubiger das nicht erhebliche Risiko, dass die Formvorschriften nicht eingehalten wurden, und damit der Schuldner die Vollstreckungsmaßnahme angreifen könnte, sofern das Vollstreckungsorgan auf Basis des „Papier-Auftrages“ die Vollstreckungsmaßnahme ausführt.

Wir können davon ausgehen, dass diese Frage in der nächsten Zeit die Gerichte beschäftigen wird und man darf gespannt sein, wie lange sich künftig Vollstreckungen hinziehen.

III.Forderungshöhe

Auch bezüglich der Forderungshöhe bis 5.000,00 EUR bestehen in der Praxis unterschiedliche Sichtweisen.

Stellt man tatsächlich auf die zum Zeitpunkt des Antrages zu vollstreckende Forderung – also mit Kosten und Zinsen – ab, so kann es durchaus sein, dass zunächst die Einreichung des Antrags bzw. Auftrags im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs erst möglich ist, wenn die Folgemaßnahme durch zwischenzeitliche Erhöhung der Vollstreckungskosten und laufender Zinsen die 5.000,00 EUR Grenze übersteigt. Damit ist dann eine Einreichung per elektronischem Rechtsverkehr in der gleichen Fallkonstellation nicht mehr möglich.

Diese Sichtweise ist allerdings m.E. mit dem Gesetzestext nicht in Einklang zu bringen. Diese Problematik stellt sich nämlich nur dann, wenn ausschließlich nicht titulierte Kosten der Vollstreckung vollstreckt werden. Richtigerweise wird man auf die im Vollstreckungsbescheid titulierte Gesamtforderung (also Hauptsache, Kosten und titulierte Zinsen) abstellen müssen. Ein nachvollziehbarer Grund für diese betragsmäßige Beschränkung ist nicht ersichtlich.

IV.Bisherige Rechtsprechung zu den §§ 829a, 754a ZPO

Im nachfolgenden wollen wir uns noch mit der bisherigen Rechtsprechung zu den §§ 829a, 754a ZPO beschäftigen. Der Bundesgerichtshof hat aktuell mit zwei Entscheidungen für deutliche Ernüchterung gesorgt und dabei zutage gefördert, wie unausgereift der elektronische Rechtsverkehr in der Zwangsvollstreckung ausgearbeitet wurde.

1. BGH-Entscheidung vom 23.9.2021, I ZB 9/21 zu § 754a ZPO

In dieser Entscheidung hatte sich der BGH mit der Frage zu beschäftigen, ob sich bei einem erteilten Kombiauftrag (Vermögensauskunft Modul G und Haftbefehlsantrag Modul H) das Vollstreckungsgericht im Rahmen der Erteilung eines Haftbefehls wegen nicht wahrgenommenen Termins zur Abgabe der Vermögensauskunft mit dem als elektronisches Dokument eingereichten Vollstreckungsbescheid i.S.d. § 754a ZPO begnügen muss.

Dabei hat der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung folgenden Leitsatz aufgestellt:

„Die Regelung des § 754a Abs. 1 ZPO erfasst ausschließlich an den Gerichtsvollzieher gerichtete Vollstreckungsaufträge und nicht auch einen an das Vollstreckungsgericht gerichteten Antrag auf Erlass eines Erzwingungshaftbefehls.“

Die in der Sache selbst völlig richtige Entscheidung des Bundesgerichtshofes zeigt ein weiteres Mal, dass der elektronische Rechtsverkehr im Bereich der Zwangsvollstreckung nicht ansatzweise durchdacht ist. Es kann doch nicht ernsthaft gewollt sein, dass ein Gläubiger einerseits verpflichtet wird elektronisch einen Vollstreckungsauftrag zu erteilen, wenn sodann innerhalb dieses Auftrages doch wiederrum die Vorlage des Originaltitels mangels gesetzlicher Regelungen erforderlich wird. Es liegt auf der Hand, dass dadurch weder die Ziele nach Entlastung der Vollstreckungsorgane, noch die Beschleunigung des Vollstreckungsverfahrens erreicht wird – im Gegenteil!

Das AG Kiel hatte noch mit Beschluss v. 16.9.2021, 21 M 1194/21 die Auffassung vertreten, dass die ebenfalls etwas merkwürdige und nicht eindeutige Neuregelung des Gesetzgebers in § 753a S. 2 ZPO, wonach für den Erlass eines Haftbefehls eine Original-Vollmacht vorzulegen ist, gerade nicht für Rechtsanwälte gelte. Diese Einschränkung gelte nur für die in § 79 Abs. 2 ZPO genannten Personen, also beispielsweise Inkassounternehmen. Die Auffassung des AG Kiel einmal als zutreffend unterstellt: Sie hilft dem Anwalt dann wiederum nicht weiter, wenn er nach der genannten Entscheidung des BGH vom 23.9.2021 den Original-Titel auf dem Postwege übersenden muss. Auch steht die Entscheidung des AG Kiel konträr zur Entscheidung des LG Zwickau, Beschluss v. 18.10.2021, 8 T 204/21, wonach Rechtsanwälte zumindest die ordnungsgemäße Bevollmächtigung zu versichern haben.

Auch hier stellt sich die wohl berechtigte Frage, ob es nicht insgesamt zielführender wäre, schon dem Gerichtsvollzieher den Originaltitel auch in den Fällen des § 754a ZPO vorzulegen, um derartige Mehrbelastung und Zeitverlust zu Lasten des Gläubigers zu vermeiden.

2. BGH-Entscheidung vom 29.9.2021, VII ZB 25/20 zu § 829a ZPO

Auch die weitere Entscheidung des Bundesgerichtshofes ist für den elektronischen Rechtsverkehr in der Zwangsvollstreckung mehr als ernüchternd. So konnte man sich bis zur Entscheidung des Bundesgerichtshofes im Hinblick auf die oben umfangreich dargestellten Einschränkungen in den §§ 754a, 829 a ZPO auf den Standpunkt stellen, dass hier vom Gesetzgeber bewusst eine Erleichterung und Effizienzsteigerung bei den unbestrittenen Kleinstforderungen erreicht werden soll. Wenn man berücksichtigt, dass gerade diese unbestrittenen Kleinstforderungen in einer großen Anzahl von Inkassounternehmen bearbeitet werden, so kann die Entscheidung des Bundesgerichtshofes nicht nur als Tiefschlag für die Inkassounternehmen, sondern für die gesamte Justiz in diesem Bereich gewertet werden.

Der Bundesgerichtshof hat wieder – rechtlich nicht zu beanstanden – festgestellt, dass auf Basis der geltenden Rechtslage zum Zeitpunkt der Antragstellung eine elektronische Antragstellung nach § 829a ZPO durch ein Inkassounternehmen nicht zulässig ist, da diese die ordnungsgemäße Bevollmächtigung nicht versichern können, sondern stets i.S.d. §§ 80, 88 Abs. 2 ZPO die Vollmacht nachzuweisen haben.

Wenn man bedenkt, dass der Gesetzgeber noch mit der Reformierung des Rechtsdienstleistungsgesetzes (vgl. Infobrief 4/2021) die Gleichstellung von Rechtsanwälten und Inkassounternehmen im Forderungseinzugsmandat entscheidend vorangetrieben hat, so stellt doch diese Entscheidung des Bundesgerichtshofes einen Rückschritt dar, zumal ferner für die Anwaltschaft flächendeckend zum 1.1.2022 der elektronische Rechtsverkehr verpflichtend wurde.

Im Ergebnis können sich die Inkassounternehmen zwar glücklich schätzen, dass sie sich mit den oben aufgeführten Problemstellungen an sich nicht auseinandersetzen müssen, jedoch fällt ein wesentlicher Anteil der genannten Forderungen in die Zuständigkeit der Inkassounternehmen. Eine entsprechende effiziente und kostenoptimierte Bearbeitung auf elektronischem Wege darf selbstverständlich auch von dort erwartet werden.

Genau genommen ergibt sich zugunsten der Inkassounternehmen gegenüber der Anwaltschaft sogar ein Wettbewerbs-, zumindest Zeitvorteil, weil diese (noch) nicht zwingend den elektronischen Rechtsverkehr nutzen müssen. Sie können also den Titel im Original auf dem Postwege vorlegen, ohne Zeit dadurch zu verlieren, dass bei elektronischer Antragstellung erst das Original eines Titels durch das Vollstreckungsorgan angefordert werden muss. Nicht zu Unrecht hat der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung darauf hingewiesen, dass es am Gesetzgeber liegt hier die entsprechenden Voraussetzungen zu schaffen, dass es auch Inkassounternehmen möglich wird den Antrag nach § 829a ZPO elektronisch einzureichen. Dies ist erfreulicherweise durch die Einführung des § 753a ZPO geschehen.

Es bleibt zu hoffen, dass sich die Vollstreckungsgerichte nunmehr nicht auf die Entscheidung des BGH stützen und wiederum Original-Vollmachten der Inkassounternehmen anfordern werden. Nach der Definition „bewegliches Vermögen“ fallen auch Forderungen hierunter, sodass die am 1.1.2021 in Kraft getretene Vorschrift des § 753a ZPO auch auf den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses Anwendung findet. Damit können auch Inkassounternehmen die ordnungsgemäße Bevollmächtigung versichern. Der Weg eines Inkassounternehmens, einen elektronischen Antrag nach § 829a ZPO einzureichen, sollte daher wieder möglich sein.

V.Fazit

Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass der Gesetzgeber gut daran täte, hier kurzfristig den elektronischen Rechtsverkehr auch in der Zwangsvollstreckung praktikabel und zeitgemäß zu gestalten, wenn dieser Erfolgsgeschichte schreiben soll.

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