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Haftet ein Drittschuldner für die weiteren Zustellkosten an nachfolgende Drittschuldner?

Haftet ein Drittschuldner für die weiteren Zustellkosten an nachfolgende
Drittschuldner?

Ausgangsbeispiel:

Pfändungs- und Überweisungsbeschluss mit mehreren Drittschuldnern

Drittschuldner zu 1): A-Bank, Bonn

Drittschuldner zu 2): B-Bank, München

Drittschuldner zu 3): Vermieter, Hannover

Die Zustellung erfolgt an jeden Drittschuldner gemäß § 840 ZPO, also zeitlich
versetzt durch persönliche Zustellung über den Gerichtsvollzieher. Die Schuldnerzustellung
erfolgt mittels Postzustellungsurkunde über den Gerichtsvollzieher, der den Pfändungs- und
Überweisungsbeschluss bezüglich des Drittschuldners zu 3) zugestellt hat. Pro Zustellung
sind rund 25,00 EUR Zustellungskosten angefallen.

Dieses Beispiel ist in der Praxis keine Seltenheit und es kommt hin und wieder dazu,
dass mit Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses an den Drittschuldner zu 1)
(A-Bank) die Forderung vollständig inklusive der Zustellungskosten für den Drittschuldner zu
1) an den Gläubiger gezahlt wird. Oftmals ist diese Auszahlung sodann mit einem
Begleitschreiben der Bank (Drittschuldner zu 1) verbunden, dass damit die Pfändung erledigt
ist.

Das Problem für den Gläubiger ist allerdings, dass die Forderung gerade nicht
vollständig bezahlt ist, weil noch weitere Zustellungskosten für die Zustellungen an die
nachfolgenden Drittschuldner und den Schuldner entstehen. Soweit diese Kosten sodann gegenüber
dem Drittschuldner zu 1) nochmals geltend gemacht werden, stellt sich der Drittschuldner zu 1)
oftmals auf den Standpunkt, diese weiteren Zustellungen wären von der Pfändung nicht umfasst.
Weiterhin hätte er bereits mitgeteilt, dass aufgrund der Zahlung die Pfändung erledigt
sei.

Ist diese Rechtsauffassung des Drittschuldners zu 1)
zutreffend?

Nach meiner Auffassung ist es selbstverständlich, dass auch die weiteren
Zustellungskosten an die weiteren Drittschuldner, die auch erst im Nachhinein für den gleichen
Pfändungs- und Überweisungsbeschluss entstehen, von der Pfändung gegenüber dem Drittschuldner
zu 1) mitumfasst sind. Schließlich ergibt sich aus dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss
unmissverständlich, dass sich die Pfändung auch auf die „Zustellungskosten“ erstreckt. Denklogisch bedeutet das: Wenn mehrere
Drittschuldner aufgeführt sind, sind auch die Zustellungskosten an die weiteren Drittschuldner
damit umfasst.

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Ein Weiteres kommt nach meiner Auffassung noch hinzu: Es kann nur als Wunschdenken
einer drittschuldnerischen Bank gelten, wenn sie meint, bestimmen zu können, ob eine
gerichtliche Pfändung erledigt sei. Die drittschuldnerische Bank verkennt dabei, dass gemäß
§ 843 ZPO selbstverständlich die Pfändungswirkungen, also Pfändungspfandrecht und Verstrickung
solange bestehen, bis der Gläubiger gegenüber dem Schuldner den Verzicht erklärt.
Selbstverständlich hat es sich in der Praxis bewährt, diese Erklärung (Pfändung erledigt)
gegenüber dem Drittschuldner abzugeben. Fakt ist allerdings, dass es einer Erklärung des
Gläubigers bedarf und eben nicht der Drittschuldner darüber befinden kann, ob ein Pfändungs-
und Überweisungsbeschluss für ihn gilt oder nicht.

Alternativ kann selbstverständlich der Schuldner und Drittschuldner beim
Vollstreckungsgericht erwirken, dass der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss aufgrund Zahlung
aufzuheben ist und damit die Pfändungswirkungen entfallen. Dem Gläubiger ist aber auch bei
einem solchen Antrag rechtliches Gehör zu gewähren.

Somit darf als Zwischenergebnis festgehalten werden, dass freilich die Wirkungen des
Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses gegenüber der drittschuldnerischen Bank auch dann noch
bestehen, obwohl diese schriftlich mitteilt, sie betrachte die Pfändung als erledigt. In
dieser Konstellation kommt nunmehr die aktuelle Entscheidung des Bundesgerichtshofes (Urt. v.
10.6.2021, IX ZR 90/20) zum Tragen. Seitens des Bundesgerichtshofes wurde folgender Leitzsatz
aufgestellt:

„Ergeht ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss auch wegen der
Zustellungskosten für diesen Beschluss, erstreckt sich die Pfändung auf die Kosten der
Zustellung des Beschlusses an den Schuldner und an die im Beschluss genannten
Drittschuldner.“

In dem vom BGH entschiedenen Fall hatte sich ebenfalls die drittschuldnerische Bank
geweigert, die weiteren Zustellungskosten für die nachfolgenden Drittschuldner und für die
Schuldnerzustellung trotz vorhandener Deckung auf dem schuldnerischen Konto auszuzahlen. Der
dortige Gläubiger hat sodann die drittschuldnerische Bank im Wege der Einziehungsklage für die
noch offenen Zustellungskosten in Anspruch genommen. Dabei obsiegte der Gläubiger in allen
drei Instanzen. Die Bank wurde zur Zahlung der weiteren Zustellungskosten
verurteilt.

Durch diese höchstrichterliche Entscheidung dürfte es nunmehr für die Gläubiger
einfacher werden, die drittschuldnerischen Banken von der Leistungspflicht für die weiteren
Zustellungskosten bereits außergerichtlich zu überzeugen.

Diese Entscheidung bedeutet allerdings für die drittschuldnerischen Banken wohl auch,
dass diese ggf. einen „Sicherungseinbehalt“ hinsichtlich der fiktiven weiteren
Zustellungskosten vornehmen sollten, vor allem dann, wenn sie gleichzeitig nachrangige
Pfändungsgläubiger befriedigen, da sie sich anderenfalls womöglich schadensersatzpflichtig
machen. Naturgemäß setzt die Zahlungspflicht der drittschuldnerischen Bank voraus, dass das
Konto des Schuldners über ausreichende Deckung verfügt bzw. im Falle eines P-Kontos ein
entsprechender pfändbarer Überschuss vorhanden ist.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes macht ferner deutlich, dass es keineswegs so
ist, dass die Bank oder überhaupt ein Drittschuldner darüber zu befinden hätte, ob eine
Pfändung erledigt ist oder nicht. Würde das Pfändungspfandrecht und die Verstrickung nicht
fortbestehen, wäre es dem Gläubiger auch nicht möglich gewesen, die weiteren Zustellungskosten
klagweise geltend zu machen.

Und schließlich macht die Entscheidung des Bundesgerichtshofes deutlich, dass auch
seitens des Gläubigers unter Schadensminderungsgesichtspunkten keine Verpflichtung besteht,
die Zustellung an die weiteren nachfolgenden Drittschuldner zu verhindern.

Im Übrigen wäre es jedoch so, dass ein Drittschuldner dem Gläubiger gegenüber nur
solche Einreden einwenden kann, die er gegenüber dem Schuldner einwenden könnte, nicht
hingegen Einreden bezüglich der Forderung des Gläubigers gegenüber dem Schuldner.

Hierzu zählen auch die weiteren Zustellungskosten an die anderen Drittschuldner,
sodass die Notwendigkeit dieser weiteren Zustellungskosten sodann vom Schuldner im Wege des
Erinnerungsverfahrens zu klären wäre.

Mit dieser Entscheidung des Bundesgerichtshofes ist allerdings ein weiteres
Praxisproblem leider noch nicht geklärt: Oftmals kommt es vor, dass parallel oder vor dem
Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses ein vorläufiges Zahlungsverbot
vom Gläubiger veranlasst wird. Regelmäßig sind die für das vorläufige Zahlungsverbot
anfallenden Zustellungskosten zum Zeitpunkt des Antrages auf Erlass eines Pfändungs- und
Überweisungsbeschlusses dem Gläubiger noch nicht bekannt, sodass diese nicht in die
Gesamtforderung miteingestellt werden können.

Zu dieser Problematik existiert eine verhältnismäßig aktuelle Entscheidung des
Landgerichts Wuppertal (Beschl. v. 29.7.2019, 16 T 390/17), wonach das Landgericht Wuppertal
zu der Auffassung gelangt, dass künftige Zustellungskosten, die betragsmäßig nicht bekannt
sind, nicht in den Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses aufgenommen
werden können. Auch das Landgericht Dresden (Beschl. v. 15.5.2009, 2 T 310/09) gelangt zu
diesem Ergebnis.

Jedoch stellt das Landgericht Wuppertal in diesem Beschluss weiter fest, dass, sollte
sich ein Erinnerungsverfahren bezüglich dieses Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses
anschließen, die sodann nunmehr durch Zeitablauf betragsmäßig bekannten Zustellungskosten
durch Beschlusserstreckung nachträglich aufgenommen werden können. Offen gelassen hat das
Landgericht Wuppertal allerdings die Frage, ob die Wirkung ab Zustellung dieses
Ergänzungsbeschlusses gilt – eine Frage, also, die sich auf die Rangstellung des Gläubigers
bezüglich dieser Zustellkosten auswirkt.

Die Frage bezüglich der weiteren Zustellungskosten ist damit erfreulicherweise
zugunsten des Gläubigers höchstrichterlich geklärt worden.

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