Die Feststellung eines Fahrzeugführers war auch dann im Sinne des § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO unmöglich, wenn der Fahrzeughalter sich zur Frage, wer das Fahrzeug geführt hat, so spät geäußert hat, dass die Behörde die erforderlichen Maßnahmen zur Ahndung der Zuwiderhandlung vor Eintritt der Verjährung nicht mehr in zumutbarer Weise ergreifen konnte. (Leitsatz des Gerichts)
I. Sachverhalt
Späte Benennung des Fahrzeugführers
Die Klägerin, eine GmbH, wendet sich gegen eine Fahrtenbuchauflage. Mit ihrem Fahrzeug wurde am 23.6.2017 innerhalb einer geschlossenen Ortschaft die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h um 27 km/h überschritten. Auf ihre Befragung teilte sie am Freitag, 22.9.2017, um 17.34 Uhr den Namen der Fahrzeugführerin mit. Der Beklagte stellte das Verfahren ein und ordnete mit Verfügung vom 14.11.2017 das Führen eines Fahrtenbuchs für die Dauer von neun Monaten an.
OVG versus VG
Auf die Klage der GmbH hat das VG den Bescheid aufgehoben. Das OVG hat dieses Urteil geändert und die Klage abgewiesen. Dem Beklagten sei die Feststellung der Fahrzeugführerin trotz angemessener Bemühungen nicht rechtzeitig möglich gewesen. Der Tag der Mitteilung sei der Tag gewesen, an dem die Verjährungsfrist abgelaufen sei. Eine zielführende Bearbeitung an diesem Tag sei dem Beklagten nicht mehr zumutbar gewesen. Die gegen das OVG-Urteil gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde hatte keinen Erfolg.
II. Entscheidung
Keine grundsätzliche Bedeutung
Das BVerwG verneint die die grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Die Klägerin meine, von grundsätzlicher Bedeutung sei die Frage, ob die Fahrzeugführerin rechtzeitig benannt wurde. Das OVG habe lediglich darauf abgestellt, dass die Fahrzeugführerin so rechtzeitig bekannt gegeben werden müsse, dass die begangene Verkehrsordnungswidrigkeit mit Aussicht auf Erfolg geahndet werden könne. Die Inanspruchnahme von Fristen sei zulässig und könne ihr, der Klägerin, nicht entgegengehalten werden. Es liege in der Sphäre des Empfängers (rechtzeitig) zu handeln, was durch eine Mitwirkungsobliegenheit nicht aufgeweicht werden dürfe.
Frage in der Rechtsprechung geklärt
Eine grundsätzlich klärungsbedürftige Frage ergibt sich aus diesem Vorbringen nach Auffassung des BVerwG nicht. In der Rechtsprechung des BVerwG sei geklärt, dass die Feststellung eines Fahrzeugführers – wie in § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO vorausgesetzt – nicht möglich gewesen sei, wenn die Behörde nicht in der Lage gewesen sei, den Täter zu ermitteln, obwohl sie alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen ergriffen habe (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.12.1982 – 7 C 3.80; Beschl. v. 9.12.1993 – 11 B 113.93 und v. 23.12.1996 – 11 B 84.96). Die Feststellung des Fahrzeugführers ziele darauf, die Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften mit Aussicht auf Erfolg ahnden und auf dieser Grundlage die im Interesse der Verkehrssicherheit gebotenen Maßnahmen ergreifen zu können. Das erfordere, dass der verantwortliche Fahrzeugführer rechtzeitig vor Ablauf der maßgeblichen Verjährungsfrist – hier: von drei Monaten (§ 26 Abs. 3 StVG) – bekannt werde (BVerwG, Beschl. v. 1.3.1977 – 7 B 31.77 und Urt. v. 17. 12.1982 – 7 C 3.80). Unbeschadet eines Rechts, die Auskunft oder das Zeugnis in einem Ordnungswidrigkeitsverfahren zu verweigern, sei der Fahrzeughalter gehalten, an der Feststellung des Fahrzeugführers mitzuwirken, wolle er von einer Fahrtenbuchauflage verschont bleiben. In diesem Sinne sei der Fahrzeughalter zur Mitwirkung verpflichtet (BVerwG, Beschl. v. 14.5.1997 – 3 B 28.97 – und v. 11.8.1999 – 3 B 96.99 – NZV 2000, 385). Habe der Fahrzeugführer nicht rechtzeitig festgestellt werden können, so könne eine Fahrtenbuchauflage verhängt werden. Das gelte unabhängig davon, ob der Fahrzeughalter die Aussage verweigere (BVerwG, Beschl. v. 22.6.1995 – 11 B 7.95) oder sich so spät erklärt habe, dass die Behörde die erforderlichen Maßnahmen zur Ahndung der Zuwiderhandlung vor Eintritt der Verjährung nicht mehr in zumutbarer Weise ergreifen konnte (vgl. BVerwG, Beschl. v. 12.2.1980 – 7 B 179.79).
Auf der Grundlage dieser gefestigten Rechtsprechung lasse – so das BVerwG – die Beschwerde einen weiteren fallübergreifenden Klärungsbedarf nicht erkennen. Mit ihr sei geklärt, dass ein Fahrzeughalter – entgegen der Vorstellung der Klägerin – jedenfalls nicht ohne das Risiko der Anordnung einer Fahrtenbuchauflage mit der Auskunft des Fahrzeugführers zuwarten könne, bis die Verjährungsfrist fast abgelaufen sei.
Verjährungsfrist
Das Berufungsgericht sei unter Bezugnahme auf Kommentierungen zu § 31 Abs. 3 Satz 1 OWiG auch zutreffend davon ausgegangen, dass die dreimonatige Verjährungsfrist am Freitag, 22.9.2017, ablief. Folglich habe es sich mit der das Urteil des VG tragenden, auf § 46 Abs. 2 OWiG gestützten Anwendung der Sonnabend-, Sonn- und Feiertagsregelung des § 43 Abs. 2 StPO nicht auseinandersetzen müssen. Zu der danach nicht entscheidungserheblichen Anwendung der Sonnabend-, Sonn- und Feiertagsregelung sei im Übrigen anzumerken, dass § 43 StPO auf die Verjährung der Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten seit jeher keine Anwendung findet (RG, Urt. v. 19.10.1885 – 2138/85 – RGSt 13, 57, 59). Das sei – soweit ersichtlich – auch unverändert einhellige Auffassung der straf-, strafprozess- und ordnungswidrigkeitenrechtlichen Kommentierungen. Ihr liege zugrunde, dass Verjährungsfristen unbeschadet ihrer dogmatischen Einordnung nicht mit Fristen für Verfahrenshandlungen gleichzusetzen seien. Entsprechend führe auch die in § 46 Abs. 1 OWiG vorgesehene sinngemäße Anwendung der Vorschriften der allgemeinen Gesetze über das Strafverfahren, namentlich der StPO, des GVG und des JGG nicht zu einer Anwendung von § 43 Abs. 2 StPO. § 46 OWiG solle in seinem Anwendungsbereich die Zweigleisigkeit von Bußgeld- und Strafverfahren im Interesse der Rechtsvereinheitlichung beseitigen (BT-Drucks 5/1269 S. 31). Die Anwendung von § 43 Abs. 2 StPO auf die Verjährung von Ordnungswidrigkeiten würde zum Gegenteil führen. Der Wortlaut der Vorschrift zwinge hierzu entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht.
III. Bedeutung für die Praxis
Zutreffend
Die Entscheidung ist auf der Grundlage der Rechtsprechung des BVerwG, die ja auch angeführt, leider zutreffend. Es bringt also nichts, mit der Angabe des Fahrzeugführers so lange zu warten, bis dann der Eintritt der Verjährung unvermeidlich ist. Diese Verfahrensweise wird unter „Unmöglichkeit der Feststellung des Fahrzeugführers“ subsumiert und führt dann im Zweifel zu einem Fahrtenbuch (zum Fahrtenbuch Gübner in: Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 7. Aufl., 2024).