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Schadenshöhe und Nutzungsausfall bei einem Oldtimer

(1) Handelt es sich bei einem Vorschaden um einen Kleinschaden, der keine der dahinterliegenden Bauteile betrifft, kann eine sach- und fachgerechte Reparatur mit überwiegender Wahrscheinlichkeit bereits durch entsprechende Lichtbilder nachgewiesen werden, die eine fachgerechte Beseitigung erkennen lassen.

(2) Oldtimer weisen als Liebhaberstücke die Besonderheit auf, dass sie im Regelfall nicht für die eigenwirtschaftliche Lebensführung zwingend notwendig sind und daher ein Nutzungsausfall ausscheidet, solange der Geschädigte keine anderen Umstände nachweist. (Leitsätze des Gerichts)

OLG Celle, Urt. v. 1.3.202314 U 149/22

I. Sachverhalt

Streit um Reparatur eines Kleinstschadens als Alt- schaden und Nutzungsausfall

Der Oldtimer des Klägers wurde unfallbedingt beschädigt. Die beklagte Kfz-Haftpflichtvsicherung hat den Einwand einer Vorschadenproblematik erhoben und war nicht bereit, einen Nutzungsausfall zu erstatten. Bezüglich des Vorschadens aus dem Jahr 2010 war bereits schon einmal der hintere Stoßfänger betroffen, wobei es sich allerdings um einen geringen Schaden in Form eines Kratzers gehandelt hat, der an der Fahrzeugüberfläche verblieben ist Darüber hinaus begehrte der Kläger einen Nutzungsausfall für 17 Tage à 50,00 EUR, da er den Oldtimer nicht während der Reparaturzeit habe nutzen können.

II. Entscheidung

Nachweis der Reparatur des Vorschadens durch Lichtbilder

Das OLG Celle ging davon aus, dass der Nachweis einer vollständigen und fachgerechten Reparatur des Vorschadens in diesem Einzelfall geführt worden wäre. Bereits aus eigener Sachkunde könnte das Gericht aufgrund einer Inaugenscheinnahme der vorgelegten Lichtbilder erkennen, dass der Vorschaden, der als Kleinstschaden einzustufen war, vollständig und fachgerecht beseitigt worden wäre. Es wäre kein weiterer detaillierter Vortrag zur Beseitigung des Vorschadens erforderlich, da bereits mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eine ausreichende Beseitigung des Schadens angenommen werden könnte.

Keinen Nutzungsausfall bei Oldtimer als reinem Freizeitobjekt

Der Anspruch des Klägers auf einen Nutzungsausfall wurde jedoch abgelehnt: Hierbei wäre zu berücksichtigen, dass es sich um ein Liebhaberstück handeln würde, das von vornherein gerade nicht für die eigenwirtschaftliche Lebensführung zwingend notwendig wäre. Im Regelfall wären derartige Fahrzeuge als Zweitfahrzeug einzustufen und der Kläger habe nicht dargelegt, dass entweder er oder auch ein anderes Familienmitglied das Fahrzeug während der Reparaturdauer konkret und tatsächlich für die Lebensführung in erheblichem Umfang gebraucht hätte. Der vorübergehende Verlust der Gebrauchsmöglichkeit eines nur gelegentlich genutzten reinen Freizeitfahrzeuges begründet aber aus Sicht des Senats keinen Anspruch auf eine Nutzungsausfallentschädigung.

III. Bedeutung für die Praxis

Bei Kleinstschaden keine höheren Anforderungen an den Reparaturnachweis

Der Fall des OLG Celle zeigt anschaulich, dass bei den Anforderungen zu einer vollständigen und fachgerechten Beseitigung eines Vorschadens immer genau auf den jeweiligen Einzelfall zu schauen ist (vgl. auch Böhm/Nugel, VRR 2017, 4 ff; Nugel VRR 9/2022, 5 ff.). Im Regelfall ist dafür erforderlich, sowohl den Umfang des Vorschadens als auch die notwendigen Maßnahmen, die zu seiner vollständigen und fachgerechten Beseitigung erforderlich sind, sowie auch die sodann tatsächlich durchgeführten Maßnahmen im Einzelnen darzulegen und notfalls zu beweisen. Wenn es sich, wie hier, allerdings um einen Kleinstschaden mit Kratzern handelt, die an der Fahrzeugoberfläche verbleiben und deren Beseitigung auch schon durch Vorlage entsprechender Lichtbilder nachgewiesen werden kann, dürfen die Anforderungen nicht zu hoch gesteckt werden und gegebenenfalls kann der Tatrichter auch ohne einen weiteren Eintritt in die Beweisaufnahme nach § 287 ZPO eine vollständige und fachgerechte Beseitigung dieses überschaubaren Vorschadens feststellen.

Kein Nutzungsausfall für typisches Zweitfahrzeug

Im Hinblick auf den geltend gemacht Nutzungsausfall nach einem Verkehrsunfall ist allerdings zu berücksichtigen, dass reine Freizeitobjekte nicht zu einem derartigen Nutzungsausfall berechtigen, sondern das Fahrzeug für die eigenwirtschaftliche Lebensführung von zentraler Bedeutung sein muss. Handelt es sich dagegen typischer Weise lediglich um ein Zweitfahrzeug, wozu der Geschädigte im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast vorzutragen hat und was bei einem Oldtimer naheliegt, besteht im Regelfall kein Anspruch auf Ersatz eines Nutzungsausfalls, wenn dieser schon durch ein anderes Fahrzeug kompensiert werden kann (BGH, Urt. v. 11.10.2022 – VI ZR 35/22 = VRR 2/2023, 9).

RA Dr. Michael Nugel, FA für Verkehrsrecht und Versicherungsrecht, Essen

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