Beitrag

Illegale Kraftfahrzeugrennen – Eine Rechtsprechungsübersicht (Teil 1)

I.

Ausgangspunkt

Über das letzte Jahrzehnt ist die Zahl illegaler Kfz-Rennen deutlich angestiegen. In das Bewusstsein der Öffentlichkeit ist das durch spektakuläre Rennen in Innenstädten geraten, bei den Unbeteiligte zu Tode gekommen sind (u. II.). Das hat den Gesetzgeber veranlasst, mit Wirkung zum 13.10.2017 die Strafvorschrift des § 315d StGB („Verbotene Kfz-Rennen“; BGBl I, 3532) einzuführen. Das beruhte neben den ansteigenden Fallzahlen auf der bis dahin geltenden Rechtslage. Zum einen wurde die damalige Vorschrift des § 29 Abs. 1 StVO, die die Teilnahme an und das Veranstalten von illegalen Kfz-Rennen als Ordnungswidrigkeit eingestuft hat, nicht mehr als ausreichend angesehen (zur damaligen Strafbarkeit und Reformüberlegungen Mitsch DAR 2017, 70; Preuß NZV 2017, 105). Zum anderen hat der BGH bei Rennen mit der Tötung Unbeteiligter die Anforderungen an das Vorliegen eines bedingten Tötungsvorsatz hoch angesetzt (u. II.). Die neue Strafvorschrift sollte diese Lücken füllen (Jansen NZV 2017, 214; Kubiciel/Hoven NStZ 2017, 439; Kusche NZV 2017, 414; Piper NZV 2017, 70). Dabei wurde allerdings in § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB auch unter Strafe gestellt, dass sich ein Kfz-Führer mit nicht angepasster Geschwindigkeit grob verkehrswidrig und rücksichtslos fortbewegt, um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erzielen. Hiermit wird kein Kfz-Rennen erfasst, sondern der sog. Alleinraser. Das ist systemfremd und hat zu Anwendungsproblemen geführt (u. IV).

Nach über fünf Jahren Geltung der Vorschrift werden hier die Problemlagen und die einschlägige Rechtsprechung dargestellt.

Hinweis:

Rechtsprechungsübersicht bei Nowrousian NZV 2022, 1; zur Vorschrift allg. Schulz-Merkel NZV 2020, 397; Ternig zfs 2020, 304. Zu illegalen Autorennen aus verkehrspsychologischer Sicht Barthelmess NZV 2019, 289.

II.

Tötungsdelikte

1. Grundlagen

Kommt im Zusammenhang mit einem Kfz-Rennen eine Person zu Tode, stellt sich neben der Anwendung der Erfolgsqualifikation in § 315d Abs. 5 StGB die Frage, ob ein vorsätzliches Tötungsdelikte (§§ 211, 212 StGB) vorliegen kann. Mangels Absicht oder direkten Vorsatzes ist hierfür entscheidend, ob im konkreten Fall ein bedingter Tötungsvorsatz vorliegt. Neben dem kognitiven Element der Vorstellung, dass die Todesfolge eintreten kann, erfordert das in Abgrenzung zur bewussten Fahrlässigkeit das Vorliegen eines voluntativen Elements. Der Täter muss den für möglich gehaltenen Taterfolg billigend in Kauf genommen haben. Auf dem Hintergrund seiner ständigen Rechtsprechung zum bedingten Tötungsvorsatz (Stichwort: hohe Hemmschwelle zur Tötung) hat der BGH für die hier einschlägigen Fälle strenge Anforderungen an die Annahme eines bedingten Tötungsvorsatzes gestellt (näher zum Vorsatz in solchen Fällen Hörnle NJW 2018, 1576),

Hinweis:

Zu Kfz-Rennen mit tödlichem Ausgang Fromm DAR 2021, 13.

2. Die einzelnen Fälle

Im grundlegenden Berliner Raser-Fall hat das LG Berlin erstmalig zwei Teilnehmer an einem Autorennen in der Berliner Innenstadt mit tödlichem Ausgang bei einem Unbeteiligten wegen Mordes verurteilt (NStZ 2017, 471 m. Bespr. Preuß NZV 2017, 303; Walter NJW 2017, 1350). Der BGH hat dieses Urteil wegen unzureichender Feststellungen zum Vorsatz aufgehoben (BGHSt 63, 88 = NJW 2018, 1621 = NStZ 2018, 409 m. Anm. Schneider 528 = DAR 2018, 216 = StRR 4/2018, 19 = VRR 4/2018, 15 [jew. Hillenbrand]). Dabei stellt der BGH insbesondere auf die Eigenfährdung als vorsatzkritisches Merkmal ab (hierzu Zopf DAR 2018, 375). Bei riskanten Verhaltensweisen im Straßenverkehr, die nicht von vornherein auf die Verletzung einer anderen Person oder die Herbeiführung eines Unfalls angelegt sind, kann eine vom Täter als solche erkannte Eigengefährdung dafürsprechen, dass er auf einen guten Ausgang vertraut. Dementsprechend muss sich der Tatrichter beim Vorliegen einer solchen Konstellation einzelfallbezogen damit auseinandersetzen, ob und in welchem Umfang aus Sicht des Täters aufgrund seines Verhaltens eine Gefahr (auch) für seine eigene körperliche Integrität drohte. Wesentliche Indizien können sich hierfür aus den objektiven Tatumständen ergeben, insbesondere dem vom Täter genutzten Verkehrsmittel sowie den konkret drohenden Unfallszenarien. Einen Erfahrungssatz, nach dem sich ein bestimmter Typ Autofahrer in einer bestimmten Art von Kfz grundsätzlich sicher fühlt und jegliches Risiko für die eigene Unversehrtheit ausblendet, gibt es nicht. Im Bremer Raser-Fall hat der BGH parallel die Nichtverurteilung wegen eines vorsätzlichen Tötungsdelikts gebilligt (NStZ-RR 2018, 154 = DAR 2018, 382 m. Bespr. Zopf 375).

Im 2. Durchlauf des „Berliner Raserfalls“ hat der BGH die erneute Verurteilung eines der Beteiligten u.a. wegen Mordes bestätigt, hinsichtlich des anderen erneut zurückverwiesen. Die Bewertung der Eigengefährdung durch den Täter kann abhängig von seinem Vorstellungsbild über mögliche Tathergänge abgestuft sein; so kann er bei Fassen des Tatentschlusses einen bestimmten gefahrbegründenden Sachverhalt hinnehmen, während er auf das Ausbleiben eines anderen, für ihn mit einem höheren Risiko verbundenen Geschehensablaufs vertraut. Für die Prüfung, ob ein Unfallgeschehen mit tödlichen Folgen vom bedingten Vorsatz des Täters umfasst war, kommt es daher darauf an, ob er den konkreten Geschehensablauf als möglich erkannt und die damit einhergehende Eigengefahr hingenommen hat. Ist dies der Fall und verwirklicht sich dieses Geschehen, ist es für die Prüfung der Vorsatzfrage unerheblich, ob er weitere Geschehensabläufe, die aus seiner Sicht mit einer höheren und deshalb von ihm nicht gebilligten Eigengefahr verbunden waren, ebenfalls für möglich erachtet hat (BGHSt 65, 42 = NJW 2020, 2900 m. Anm. Grünewald = VRR 8/2020, 19 = StRR 8/2020, 21 [jew. Hillenbrand]). Das BVerfG hat die Verfassungsbeschwerde des wegen Mordes Verurteilen auch auf dem Hintergrund des bejahten Tötungsvorsatzes nicht zur Entscheidung angenommen hat (NZV 2023, 118 m. Anm. Obermann = DAR 2023, 135 Ls. m. Anm. Niehaus = VRR 1/2023, 17 = StRR 1/2023, 22 [jew. Burhoff]). Das LG Berlin hat den anderen Angeklagten nach erneuter Zurückverweisung wegen fahrlässiger Körperverletzung verurteilt (becklink 2017997).

Im Moerser Raser-Fall hat der BGH darauf hingewiesen, dass im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtschau die auf der Grundlage der dem Täter bekannten Umstände zu bestimmende objektive Gefährlichkeit der Tathandlung einen wesentlichen Indikator sowohl für das kognitive als auch für das voluntative Vorsatzelement darstellt. Lässt sich der die Gegenfahrspur mit massiv überhöhter Geschwindigkeit befahrende Angeklagte dahin ein, wegen der weiten Einsehbarkeit der benutzten Vorfahrtsstraße darauf vertraut zu haben, dass es aufgrund kollisionsvermeidenden Verhaltens des wartepflichtigen Querverkehrs nicht zu einem Unfall kommen werde, muss sich das Tatgericht diesbezüglich mit der Frage eines fehlenden voluntativen Vorsatzelements auseinandersetzen (BGH NZV 2021, 316 m. Anm. Preuß = DAR 2021, 271 ; nunmehr erneut zurückgewiesen, BGH, Urt. v. 16.2.2023 – 4 StR 211/22). Einen bedingten Vorsatz hat der BGH im Fall DAR 2021, 395 sowie im Hamburger Raser-Fall“ bejaht (NStZ 2019, 276 = NZV 2019, 306 m. Anm. Preuß = zfs 2019, 235). Eine generelle Regel, wonach bei Fahrzeugkollisionen im Straßenverkehr die Risiken unter den Insassen der beteiligten Fahrzeuge nahezu gleichmäßig verteilt sind und deshalb die Inkaufnahme tödlicher Folgen für andere Unfallbeteiligte notwendig die Billigung eines entsprechenden Eigenrisikos einschließt, besteht in dieser Allgemeinheit nicht („Frankfurter Raser-Fall“: BGH NStZ 2018, 460 = DAR 2018, 377 = VRR 5/2018, 14 [Deutscher]; „Bremer Raser-Fall“: BGH DAR 2018, 380 = NStZ-RR 2018, 154, näher hierzu Preuß NZV 2018, 345; zum Vorsatz in einem Polizeiflucht-Fall BGH DAR 2020, 390 = VRR 8/2020, 23 = StRR 6/2020, 23 [jew. Deutscher]).

Im sog. Kölner Raser-Falls hat der BGH die Entscheidung des LG zur erfolgten Strafaussetzung zur Bewährung beanstandet und deutliche Vorgaben zu Beurteilung des Vorliegens besonderer Umstände (§ 56 Abs. 2 StGB) und der Verteidigung der Rechtsordnung (§ 56 Abs. 3 StGB) bei fahrlässiger Tötung eines Unbeteiligten durch „Raser“ gemacht (NJW 2017, 3011 m. Anm. Esposito = NStZ 2018, 29 = VRR 9/2017, 13 = StRR 8/2017, 18 [jew. Deutscher]).

III.

Der Begriff des Kfz-Rennens

Nach § 315d Abs. 1 Nrn. 1 und 2 StGB macht sich strafbar, wer im Straßenverkehr ein nicht erlaubtes Kfz-Rennen ausrichtet oder durchführt oder als Kfz-Führer daran teilnimmt. Dem Begriff des Kfz-Rennens kommt damit zentrale Bedeutung zu. Grundlegend dazu der BGH (BGHSt 66, 294 = NJW 2022, 483 = NZV 2022, 128 m. Anm. Preuß = NStZ 2022, 296 m. Anm. Kulhanek = DAR 2022, 105 = StraFo 2022, 38 = StRR 5/2022, 29 = VRR 1/2022, 14 [jew. Deutscher]): Ein Kfz-Rennen i.S. des § 315d Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StGB ist ein Wettbewerb zwischen wenigstens zwei Kfz-Führern, bei dem es zumindest auch darum geht, mit dem Kfz über eine nicht unerhebliche Wegstrecke eine höhere Geschwindigkeit als der andere oder die anderen teilnehmenden Kfz-Führer zu erreichen. Dabei macht es keinen Unterschied, ob die Teilnehmer zueinander in Bezug auf die Höchstgeschwindigkeit die höchste Durchschnittsgeschwindigkeit oder die schnellste Beschleunigung in Konkurrenz treten. Einer vorherigen Absprache der Teilnehmer bedarf es nicht. Die besondere Gefährlichkeit von Kfz-Rennen liegt darin, dass es zwischen den konkurrierenden Kfz-Führern zu einem Kräftemessen i.S. eines Übertreffenwollens gerade in Bezug auf die gefahrene Geschwindigkeit kommt (BGH NStZ-RR 2022, 373). Gerade die Ermittlung und der Abgleich der für Fahrer hochmotorisierter Fahrzeuge oft wichtigen Beschleunigungspotenziale erfordern keine langen Wegstrecken, weshalb auch eine mit 50 Meter recht kurze Renndistanz einer Würdigung des Geschehens als Kfz-Rennen nicht entgegensteht (KG NStZ 2023, 44 = NZV 2022, 520 m. Anm. Nowrousian). Feststellungen zur Interaktion und zur gemeinsamen Zwecksetzung der beteiligten Fahrer sind dabei unerlässlich. Diese müssen sich darauf geeinigt haben, einen Wettkampf durchzuführen, in dem es zumindest auch um die Erzielung von Höchstgeschwindigkeiten geht (OLG Hamburg NZV 2018 478 [Rinio]; zum Begriff des Rennens Steinert SVR 2022, 201). Die Ermittlung eines Siegers ist kein konstitutives Element eines verbotenen Kfz-Rennens (LG Aachen, Beschl. v. 11.2.2021 – 60 Qs 1/21; LG Deggendorf, Urt. v. 22.11. 2019 – 1 Ks 6 Js 5538/18).

IV.

„Alleinraser“

1. Verfassungsmäßigkeit

§ 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB stellt einen Kfz-Führer unter Strafe, der sich mit nicht angepasster Geschwindigkeit und grob verkehrswidrig und rücksichtslos fortbewegt, um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erzielen. Dieser sog. Alleinraser-Tatbestand, der erst im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens nachträglich in die Neuregelung aufgenommen wurde, ist in der Vorschrift ein systematischer Fremdkörper, da es sich in diesen Fällen gerade nicht um ein „Rennen“ mit mehreren Beteiligten handelt. Zudem bereitet die Abgrenzung zu auch erheblichen Geschwindigkeitsüberschreitungen, die lediglich bußgeldrechtlich mit Geldbuße und Fahrverbot nach § 25 StVG zu ahnden sind, in der Praxis erhebliche Probleme auf. Das AG Villingen-Schwenningen hielt die Vorschrift wegen fehlender Bestimmtheit für verfassungswidrig und hat diese Frage dem BVerfG zur Entscheidung vorgelegt (DAR 2020, 218 = VRR 3/2020, 18 = StRR 3/2020, 32 [jew. Deutscher]). Das BVerfG (NJW 2022, 184 = NZV 2022, 184 m. Anm. Obermann = DAR 2022, 255 m. Anm. Zopf = VRR 3/2022, 21 = StRR 4/2022. 35 [jew. Deutscher]) hält den „Alleinraser“-Tatbestand des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB für hinreichend bestimmt und verfassungsgemäß. Eine unzulässige Verschleifung strafrechtlicher Tatbestandsmerkmale, wie vom AG Villingen-Schwenningen angenommen, liege nicht vor (ebenso OLG Köln NStZ-RR 2020, 224 = NZV 2020, 436 [Quarch]); KG DAR 2020, 149 = VRR 2/2020, 15 = StRR 3/2020, 26 [jew. Burhoff] = NZV 2020, 210 [Winkelmann]).

2. Absicht zur Erreichung einer höchstmöglichen Geschwindigkeit

a) Grundlagen

Zur Auslegung und Anwendung der Vorschrift hat sich der BGH wie folgt geäußert (BGHSt 66, 27 = NJW 2021, 1173 m. Anm. Hoven = NZV 2021, 318 m. Anm. Krenberger und Bespr. Obermann 344 = NStZ 2021, 540 m. Anm. Stam = DAR 2021, 269 m. Bespr. Weidig 292 = VRR 4/2021, 13 = StRR 5/2021, 27 [jew. Burhoff]; BGH DAR 2021, 395; NStZ-RR 2021, 189). Der Gesetzgeber wollte mit der Tatbestandsalternative des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB neben den Rennen mit mehreren Kfz auch Fälle des schnellen Fahrens mit nur einem einzigen Kfz strafrechtlich erfassen, die über den Kreis alltäglich vorkommender, wenn auch erheblicher Geschwindigkeitsüberschreitungen hinausragen, weil der Täter mit einem Kfz in objektiver und subjektiver Hinsicht ein Kfz-Rennen nachstellt. Die Absicht des Täters, nach seinen Vorstellungen auf einer nicht ganz unerheblichen Wegstrecke die nach den situativen Gegebenheiten maximal mögliche Geschwindigkeit zu erreichen, muss nicht Endziel oder Hauptbeweggrund des Handelns sein. Es reicht vielmehr aus, dass der Täter das Erreichen der situativen Grenzgeschwindigkeit als aus seiner Sicht notwendiges Zwischenziel anstrebt, um ein weiteres Handlungsziel zu erreichen.

Die nach § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB strafbarkeitsbegründende Absicht muss darauf gerichtet sein, die nach den Vorstellungen des Täters unter den konkreten situativen Gegebenheiten ‒ wie Motorisierung, Verkehrslage, Streckenverlauf, Witterungs- und Sichtverhältnisse etc. ‒ maximal mögliche Geschwindigkeit zu erreichen. Nicht ausreichend ist, dass es dem Täter auf das Erreichen einer „möglichst hohen“ Geschwindigkeit ankommt, die je nach den Vorstellungen und sonstigen Zielen des Täters auch unterhalb der nach den konkreten Gegebenheiten maximal erreichbaren Geschwindigkeit liegen kann. Erforderlich ist vielmehr, dass der Täter nach seinen Vorstellungen die situativ mögliche Höchstgeschwindigkeit anstrebt. Um dem vonseiten des Gesetzgebers verlangten Absichtserfordernis Rechnung zu tragen, dem für das Nachstellen eines Rennens kennzeichnenden Renncharakter Ausdruck zu verleihen, ist für das Absichtsmerkmal weiterhin zu verlangen, dass sich die Zielsetzung des Täters nach seinen Vorstellungen auf eine unter Verkehrssicherheitsgesichtspunkten nicht ganz unerhebliche Wegstrecke bezieht und sich nicht nur in der Bewältigung eines räumlich eng umgrenzten Verkehrsvorgangs erschöpft (BGH DAR 2021, 522 m. Anm. Danner). Bei der Beurteilung der Erheblichkeit der Fahrtstrecke ist nicht allein deren Längenmaß von Bedeutung. So fallen unter den vergleichbaren Begriff des Kfz-Rennens nach § 315d Abs. 1 Nr. 2 auch sog. Beschleunigungsrennen, deren Gefahrenpotenzial sich wie etwa bei einem Ampelbeschleunigungsrennen nicht aus der Länge der beabsichtigten Fahrtstrecke ergibt, sondern insbesondere aus der mit Wettbewerb und Konkurrenz einhergehenden Ablenkung und Aufstachelung folgt (LG Frankfurt DAR 2023, 163 m. Anm. Zopf).

Das objektive Erreichen der maximal möglichen Geschwindigkeit ist nicht ohne Weiteres gleichzusetzen mit dem zielgerichteten Willen des Täters, die gefahrene Geschwindigkeit nach seinen subjektiven Vorstellungen bis zur Grenze der situativ möglichen Höchstgeschwindigkeit zu steigern, sondern besitzt nur einen Indizwert für die subjektive Tatseite. Die Annahme einer entsprechenden Absicht bedarf daher weiterer tatrichterlicher Ausführungen. Die diesbezüglichen Beweiserwägungen des Tatgerichts sind dann lückenhaft, wenn ihnen nicht zu entnehmen ist, dass das auf ein Ausleben aufgestauter Aggressionen ausgerichtete Handlungsziel des Angeklagten aus seiner Sicht i. S. eines notwendigen Zwischenziels gerade durch ein Fahren mit der nach seinen Vorstellungen situativ maximal möglichen Geschwindigkeit erreicht werden sollte (BGH NStZ-RR 2022, 258 Ls.).

Auch in der Rechtsprechung anderer Gerichte besteht mittlerweile Einigkeit, dass die Absicht zur Erreichung einer höchstmöglichen Geschwindigkeit sich nicht auf die technisch mögliche Höchstgeschwindigkeit des Kfz bezieht, sondern dass es dem Täter situationsabhängig darauf ankommen muss, in der konkreten Verkehrssituation die durch sein Fahrzeug bedingte oder nach seinen Fähigkeiten oder nach den Wetter-, Verkehrs-, Sicht- oder Straßenverhältnissen maximale mögliche Geschwindigkeit zu erreichen (BayObLG NZV 2020, 596 [Sandherr]; OLG Köln NStZ-RR 2020, 224 = NZV 2020, 436 [Quarch]); OLG Stuttgart NJW 2019, 2787 m. Anm. Zopfs = VRR 9/2019, 16 = StRR 11/2019, 23 [jew. Burhoff]); OLG Celle zfs 2021, 409; KG StraFo 2019, 342 = VRR 9/2019, 15 = StRR 11/2019, 21 [jew. Burhoff] = NZV 2019, 314 [Quarch]) und VRR 9/2022, 14 [Deutscher]); LG Berlin VRS 133, 15 = NZV 2018, 481 [Rinio]; anders noch LG Stade DAR 2018, 577 = VRR 11/2018, 18 = StRR 11/2018, 19 [jew. Burhoff]).

Richter am Amtsgericht Dr. Axel Deutscher, Bochum

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