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Vorlage eines Ausleseprotokolls durch den Fahrzeughersteller

Ein Fahrzeughersteller ist nach §§ 142, 144 ZPO verpflichtet, dem Gericht das Protokoll ausgelesener Fahrzeugdaten aus der Fahrzeugelektronik auf entsprechende Anordnung zur Verfügung zu stellen.

LG Essen, Beschl. v. 18.2.202218 O 330/19

I. Sachverhalt

Überprüfung des VS-Falls durch Auslesen der Fehlerspeichereinträge

Der Kläger verlangt in diesem Rechtsstreit von der beklagten Vollkaskoversicherung eine Leistung wegen einer behaupteten Entwendung seines Fahrzeuges als Versicherungsfall. Die Versicherung ließ durch einen Sachverständigen überprüfen, ob die vom Kläger behaupteten Angaben zur letzten Nutzung des Fahrzeuges und dem fehlenden Wiederauffinden stimmen. Zu diesem Zweck wurde bei einer Niederlassung des Herstellers Porsche ein Protokoll mit entsprechend hinterlegten Einträgen aus der Fahrzeugelektronik ausgelesen, welches insbesondere Fehlerspeichereinträge zu dem Ausbau der angeblich entwendeten Komponenten und weiterer Einträge zu der letzten Nutzung des Fahrzeuges enthalten hat. Diese konnten von einem Sachverständigen der beklagten Versicherung ausgewertet werden, wo das vollständige Protokoll beim Hersteller verblieben ist. Im Rechtsstreit wurde es dann erforderlich, dass das vollständige Protokoll einem vom Gericht beauftragten Sachverständigen zum Zwecke der Prüfung des Eintritts des Versicherungsfalls und der bestehenden Einwendungen zur Verfügung gestellt wird.

II. Entscheidung

Verpflichtung des Herstellers zur Vorlage im Gerichtsverfahren

Zu diesem Zweck hat das LG Essen nach den §§ 142, 144 ZPO angeordnet, dass der Fahrzeughersteller verpflichtet ist, das gesamte Ausleseprotokoll der Fahrzeugelektronik von einem bestimmten Datum zu dem klägerischen Fahrzeug dem Gericht in auswertbarer Form zur Weiterleitung an den Sachverständigen zur Verfügung zu stellen. Dies insbesondere mit allen Einträgen, die insoweit in dem Protokoll hinterlegt sind, damit der Versicherungsfall umfassend geprüft werden kann. Auf die Anordnung des Gerichts hin wurde dann das mehrere Hundert Seiten umfassende Protokoll durch den Fahrzeughersteller zur Verfügung gestellt und konnte durch den vom Gericht beauftragten Sachverständigen ausgewertet werden.

III. Bedeutung für die Praxis

Die Auswertung von Fahrzeugdaten wird angesichts der erheblichen Menge der gespeicherten Informationen und Übertragung an den Fahrzeughersteller bei sogenannten „Online-Fahrzeugen“ immer wichtiger, um entweder eine Unfallrekonstruktion eines bestimmten Geschehens zu ermöglichen oder aber auch wie hier den behaupteten Diebstahl einzelner Komponenten zu seinem Fahrzeug zu überprüfen. Bei vielen Fahrzeugen lässt sich ein Auslesen der entsprechenden Fahrzeugelektronik allerdings nur mit Hilfe des Herstellers vornehmen, der, wie in diesem Fall, dann sich auch die „Datenhoheit“ durch ein Zurückhalten der vollständigen Protokolle in der Praxis vorbehält.

Fehlerspeichereinträge belegen/widerlegen den behaupteten Versicherungsfall

Umso wichtiger ist es, dass in einem Parteiprozess mit Hilfe des Gerichtes dafür Sorge getragen werden kann, dass diese Daten den Parteien und einem vom Gericht beauftragten Sachverständigen vollständig zur Verfügung gestellt werden. Das richtige Instrument findet sich hierbei in einer Anordnungsbefugnis des Zivilgerichtes nach den §§ 142, 144 ZPO, welcher die Gerichte dann nachzukommen haben (vgl. auch LG Wuppertal, Beschl. v. 2.9.2016 – 5 U 381/14, VRR 11/2016, 3 zur Bekanntgabe von Standortdaten). Für den Hersteller ist es an dieser Stelle auch ohne Weiteres zumutbar, dieser Anordnung nachzukommen und im Regelfall sind keine überwiegenden Interessen einer Partei oder gar Dritter zu bejahen, wenn es wie hier um die Aufklärung eines Versicherungsfalles geht und die Vorlage der entsprechenden Fahrzeugdaten auch erforderlich ist (vgl. im Einzelnen Nugel ZD 2019, 341). Auch im Rahmen einer datenschutzrechtlichen Güterabwägung ist daher eine solche Anordnung gerechtfertigt, wobei sich die Rechtsgrundlage zugunsten des Fahrzeugherstellers bei einer Vorlage dieser Unterlagen aus Art. 6 Abs. 1c DS-GVO ergibt.

Anordnungsmöglichkeit des Gerichts nach den §§ 142, 144 ZPO.

RA und FA für VerkehrsR und VersR Dr. Michael Nugel, Essen

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