Beitrag

Hinweispflichten eines Rechtsanwalts auf Fristablauf in der Unfallversicherung

Ein Mandat, das einem Rechtsanwalt „wegen Verkehrsunfall“ erteilt wird, erstreckt sich nicht auf die Geltendmachung von Ansprüchen gegenüber einem privaten Unfallversicherer auch wenn dieser mit dem Haftpflichtversicherer des Unfallgegners identisch ist.

Hat ein Unfallversicherer den Mandanten mehrfach verständlich über eine Ausschlussfrist belehrt und hat der Mandant den Hinweis verstanden, besteht keine Pflicht des Anwalts, diesen Hinweis zu wiederholen.

(Leitsatz des Gerichts)

OLG Schleswig, Urt. v. 10.2.202211 U 73/21

I. Sachverhalt

Streit um Pflichtverletzung aus einem Anwaltsvertrag

Die Parteien streiten um Ansprüche wegen Pflichtverletzung aus einem Anwaltsvertrag. Der Kläger wurde als Motorradfahrer bei einem Verkehrsunfall mit einem Auto schwer verletzt. Der Beklagte zu 2, der zu diesem Zeitpunkt als Anwalt in Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit der Beklagten zu 1 tätig war, vertrat den Kläger bei der Abwicklung der Unfallschäden. Der Kläger war Inhaber einer Unfallversicherung bei der X-Versicherung, diese Gesellschaft war auch Haftpflichtversicherer des Unfallgegners. Der Unfallversicherer wies den Kläger mehrfach schriftlich darauf hin, dass Leistungen ausgeschlossen seien, wenn nicht eine ärztliche Feststellung der Invalidität erfolge. Die Schreiben des Versicherers übersandte der Kläger an den Beklagten zu 2., der gegenüber dem Unfallversicherer nicht tätig wurde. Der Versicherer lehnte später Leistungen ab, da die Invalidität nicht innerhalb der hierfür vereinbarten Frist festgestellt worden sei.

Schadensersatz wegen fehlerhafter Beratung

Mit der Klage verlangt der Kläger von den Beklagten Schadensersatz wegen fehlerhafter Beratung bei der Abwicklung der Unfallfolgen. Der Kläger hat dem Beklagten zu 2 vorgeworfen, dieser habe ihm wiederholt mitgeteilt, dass zunächst die Schuldfrage bei dem Unfall geklärt werden müsse. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hatte beim OLG keinen Erfolg.

II. Entscheidung

Kein Anspruch des Mandanten

Nach Auffassung des OLG hat der Kläger keinen Anspruch gegen die Beklagten aus einem Anwaltsvertrag, denn die beklagten Anwälte haben – so das OLG – keine vertraglichen Pflichten schuldhaft verletzt.

Kein schriftliches Mandat in Bezug auf Unfallversicherer

Eine zum Schadensersatz verpflichtende Pflichtverletzung bestehe nicht deshalb, weil die Beklagten vom Kläger ausdrücklich oder schlüssig beauftragt worden seien, seine Ansprüche gegenüber dem Unfallversicherer durchzusetzen oder ihn hinsichtlich der Durchsetzung dieser Ansprüche zu beraten, beides aber unterlassen haben. Es stehe nicht fest, dass sich das Mandat der Beklagten auf diesen Gegenstand erstreckte. Vertragspartner des Klägers seien beide Beklagte geworden, auch wenn die Beratung und Vertretung nur durch den Beklagten zu 2 erfolgte. Zum Zeitpunkt der Mandatierung im Juni 2015 seien die beiden beklagten Rechtsanwälte in Gesellschaft bürgerlichen Rechts tätig gewesen. Darlegungs- und beweisbelastet für den Umfang des Mandats sei der Kläger, er müsse also beweisen, dass sich das Mandat auch auf den Gegenstand „Unfallversicherung“ erstreckte (vgl. Vill in Fischer/Vill/Fischer/Rinkler/Chab Handbuch der Anwaltshaftung, 4. Aufl., § 2 Rn 32). Aus den schriftlichen Erklärungen, insbesondere aus der Vollmachtsurkunde ergebe sich aber kein Hinweis auf eine Mandatierung mit diesem Gegenstand. Zwar werde dort Vollmacht erteilt „wegen Verkehrsunfall“. Nach der Wortbedeutung können zwar die Interessenvertretung gegenüber dem Unfallversicherer darunter fallen, da auch diese Ansprüche durch den Verkehrsunfall verursacht worden seien, im weitesten Sinne also wegen Verkehrsunfalls bestehen konnten. Bei dieser weiten Auslegung wäre der Mandatsgegenstand nach Auffassung des OLG indessen kaum einzugrenzen und würde eine Vielzahl von Rechtsverhältnissen umfassen. Denn auch eine mögliche Auseinandersetzung mit einem Krankenversicherer könne durch den Verkehrsunfall verursacht werden, ebenso wie die Auseinandersetzung mit einer Autowerkstatt, sollte es Probleme bei der Reparatur des Autos geben, oder mit dem eigenen Vollkaskoversicherer, sollte dieser eine Regulierung ablehnen. Üblicherweise stehe bei der anwaltlichen Vertretung nach Verkehrsunfällen die Auseinandersetzung mit dem Unfallgegner im Vordergrund. Ein darüber hinausgehendes Mandat hätte zur Folge, dass hierfür Rechtsanwaltsgebühren anfallen können, die nicht vom Unfallgegner oder dem eigenen Kfz-Haftpflichtversicherer zu tragen seien. Anders als bei der Auseinandersetzung mit dem Unfallgegner bedürfe es für die Interessenwahrnehmung gegenüber einem Unfallversicherer im Regelfall zunächst keiner anwaltlichen Beratung. Es wäre deshalb zu erwarten, dass bei einem Mandat, das sich auch auf die Auseinandersetzung mit den eigenen Versicherern erstreckt, ausdrücklich ein gesonderter Auftrag erteilt wird.

Auch kein mündlicher Auftrag

Ein mündlicher Auftrag, auch in Sachen Unfallversicherung zu beraten und zu vertreten, stehe ebenfalls nicht fest. Das LG haben sich nicht die Überzeugung bilden können, dass ein solcher mündlicher Auftrag erteilt wurde. An diese Feststellung sei der Senat nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gebunden, da keine konkreten Anhaltspunkte zu Zweifeln an dieser Feststellung vorliegen. Die Schilderung des Beklagten zu 2, er habe als Reaktion auf eine E-Mail in der sich der Kläger über ihn beklagte, mit diesem Kontakt aufgenommen, sei plausibel. Dies gelte auch für die Darstellung des Beklagten zu 2, man sei wegen der durch die Mandatierung entstehenden Kosten so verblieben, dass der Kläger sich selbst darum kümmere, dass der Arzt die notwendigen Angaben gegenüber dem Versicherer mache. Denn zur Wahrung der Frist habe es einer anwaltlichen Tätigkeit tatsächlich nicht bedurft. Der Kläger habe nur eine formularmäßige ärztliche Bescheinigung benötigt. Diese habe er ohne weiteres selbst beschaffen können. Die Darstellung des Beklagten zu 2 sei ausreichend detailliert, so dass er damit einer möglichen sekundären Darlegungslast genügt habe. Dem Kläger obliege deshalb der Beweis seiner abweichenden Darstellung. Einen solchen Beweis habe der Kläger aber nicht in geeigneter Weise angeboten. Da für seine Darstellung kein sogenannter Anbeweis spreche, sei er hierzu auch nicht als Partei zu vernehmen (gewesen).

Keine Verletzung von Hinweis- und Warnpflichten

Die Beklagten haften nach Auffassung des OLG auch nicht wegen der Verletzung von Hinweis- oder Warnpflichten, denn der Kläger sei über den Fristablauf und dessen Folgen informiert gewesen. Auch wenn ein Rechtsanwalt nur eingeschränkt beauftragt sei, bestehe eine Nebenpflicht, den Auftraggeber auf mögliche Fristversäumnisse hinzuweisen. Dies gelte bei drohenden Nachteilen durch die Versäumung einer Ausschlussfrist in den allgemeinen Bedingungen einer Unfallversicherung (vgl. Vill, a.a.O., § 2 Rn 171). Dabei habe der Anwalt grundsätzlich von der Belehrungsbedürftigkeit des Mandanten auszugehen. Den anwaltlichen Berater treffe aber in der Regel keine weitere Beratungspflicht gegenüber seinem Mandaten, wenn diesem die Risiken bereits hinreichend deutlich geworden sind (vgl. Vill a.a.O. § 2 Rn 95). So es sich für den Beklagten zu 2 dargestellt. Den beiden Schreiben des Unfallversicherers habe der Beklagte zu 2 entnehmen dürfen, dass der Kläger selbst den Unfall gegenüber dem Unfallversicherer gemeldet hatte und der Unfallversicherer daraufhin den Kläger zweimal schriftlich über die Ausschlussfrist belehrt hatte. Der Beklagte zu 2 habe keinen Grund zu der Annahme gehabt, dass der Kläger diese inhaltlich einfachen Hinweise nicht verstanden habe oder vor Fristablauf wieder vergessen würde. Spätestens durch seine handschriftliche Beschwerde, dass er nicht auch vom Beklagten auf die Frist hingewiesen worden sei, habe der Kläger dokumentiert, dass er inzwischen Bescheid wusste. Der Beklagte zu 2 habe auch nicht in der bis zum Fristablauf noch verbleibenden Zeit von gut einem Monat sicherstellen müssen, dass der Kläger die Frist nicht wieder vergessen würde.

III. Bedeutung für die Praxis

Vollmacht konkret fassen

Die Entscheidung ist m.E. zutreffend. Sie zeigt anschaulich, welche Gefahren in einem zu „weiten“ Vollmachtext lauern können. Man sollte daher den Mandatsgegenstand möglichst konkret/eng fassen, um von vornherein klar zu stellen, zu was man als Rechtsanwalt dann gegenüber dem Mandanten verpflichtet ist.

RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg

Diesen Beitrag teilen

Facebook
Twitter
WhatsApp
LinkedIn
E-Mail

Unser KI-Spezial

Erfahren Sie hier mehr über Künstliche Intelligenz – u.a. moderne Chatbots und KI-basierte…