Beitrag

Haftungsverteilung bei Sicherungsübereignung

Zur Haftungsverteilung nach §§ 426 BGB, 17 StVG bei Sicherungsübereignung

(Leitsatz des Verfassers)

OLG Frankfurt, Urt. v. 27.1.202222 U 49/21

I. Sachverhalt

Verkehrsunfall mit sicherungsübereignetem Pkw

Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall. Der Kläger war zum Unfallzeitpunkt Halter eines Pkw, der zum Unfallzeitpunkt an die X wegen einer Finanzierung sicherungsübereignet war. Die Beklagte war zum Unfallzeitpunkt Haftpflichtversicherer des an dem Verkehrsunfall beteiligten Lkw. Die Sicherungsnehmerin hat ihr Einverständnis damit, dass der Kläger etwaige Versicherungsansprüche im eigenen Namen und auf eigene Rechnung geltend mache, erklärt.

Haftungsverteilung gemäß § 17 Abs. 2 StVG scheidet aus

Das LG im angefochtenen Urteil zunächst festgestellt, dass der Kläger die Klage in gewillkürter Prozessstandschaft für die Sicherungseigentümerin gelten machen könne. Es hat dann die Haftung der Beklagten dem Grunde nach hinsichtlich des Sachschadens in vollem Umfang bejaht, da vorliegend eine Haftungsverteilung gemäß § 17 Abs. 2 StVG ausscheide. Die dagegen eingelegte Berufung war nach Auffassung des OLG unbegründet.

II. Entscheidung

Beweiswürdigung und Verursachungsabwägung ok

Das OLG hat die Ausführungen und die Beweiswürdigung des LG zum Unfallhergang und zur Verursachungsabwägung im Sinne des § 17 Abs. 2 StVG nicht beanstandet. Es sei zutreffend zunächst davon ausgegangen, dass sich aus der Haftung gemäß § 7 StVG für beide Seiten und des Fehlens eines Unabwendbarkeitsnachweises im Sinne des § 17 Abs. 3 StVG eine beiderseitige gleich hohe Haftungsverteilung nach Kopfteilen ergebe (§§ 426 BGB i.V.m. 17 Abs. 1 StVG).

Ansprüche der Sicherungseigentümerin

Zu den Ansprüchen der Sicherungseigentümerin habe das LG weiter zutreffend erkannt, dass der Kläger keine eigenen, sondern Ansprüche der Sicherungseigentümerin im Wege der Prozessstandschaft geltend mache, deren Schicksal sich allein durch eine Abtretung oder Prozessstandschaft nicht geändert habe. Es habe deshalb angenommen, dass § 17 Abs. 2 StVG für die Sicherungseigentümerin nicht gelte, da sie nicht als Halterin des Fahrzeugs anzusehen sei. Dies entspreche der Rechtsprechung des BGH (BGH NJW 2017, 2352 = VRR 10/2017, 8) und sei auch vom OLG hinsichtlich der Ansprüche einer Leasinggeberin bestätigt worden (RuS 2022, 44).

Keine Anrechnung im Wege eines Gesamtschuldregresses

Das OLG folgt auch nicht der Auffassung, dass hier eine Anrechnung im Wege eines Gesamtschuldregresses möglich wäre, da eine Gleichstufigkeit vertraglicher Ansprüche gegen den Sicherungsgeber mit solchen aus § 7 StVG nicht angenommen werden könne. Dagegen spreche, dass der bloße Gebrauch im Straßenverkehr noch keine Schutzpflichtverletzung darstellt. In Betracht käme allenfalls eine nicht leistungsbezogene Nebenpflicht des Sicherungsgebers, nicht zur Beschädigung des Fahrzeuges durch seine Nutzung beizutragen. Dies erscheine aber konstruiert, denn es steht im Widerspruch dazu, dass der Sicherungsgeber grundsätzlich zum vertragsgemäßen Gebrauch berechtigt ist. Eine zufällige Beschädigung der Sache, die beim vertragsgemäßen Gebrauch eintritt, könne daher nicht gleichzeitig als Nebenpflichtverletzung bewertet werden (vgl. zu allem auch Schiemann NZV 2019, 5). Hinzu komme, dass für einen Regressanspruch auf vertraglicher Grundlage weder die Haftpflichtversicherung noch die Kaskoversicherung des Fahrzeugs eintreten dürfte. Dies habe der BGH in seiner neuesten Entscheidung bestätigt (NJW 2021, 550).

Keine gestörte Gesamtschuld

Der BGH habe weiter auch die Anwendung einer gestörten Gesamtschuld verneint, weil eine solche bei Verneinung eines gleichstufigen Ersatzanspruchs der Sicherungsnehmerin gegen den Sicherungsgeber von vornherein bereits nicht vorliege und nicht – wie die Rechtsprechung zur gestörten Gesamtschuld voraussetzen würde (vgl. nur die Rechtsprechung zu §§ 1359, 1664 BGB BGH MDR 1988, 766; OLG Hamm NJW 1993, 542; OLG Celle NJW 2008, 2353; OLG Karlsruhe OLGR 2008, 864) – durch Vereinbarung oder in sonstiger Weise (z.B. §§ 104 ff. SGB X) ausgeschlossen wäre (BGH NJW 1987, 2669; OLG Köln zfs 1996, 372).

§ 242 BGB/Drittschadensliquidation

Das Gleiche gilt nach Auffassung des OLG auch für die Anwendung des § 242 BGB (dolo agit-Einrede) oder des Instituts der Drittschadensliquidation (vgl. nur Scholten in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht § 17 StVG, Rn 18_4; anders allerdings LG Nürnberg-Fürth 18.2.2021 – RuS 2021, 413; LG Coburg DAR 2021, 459, das einen Haftungsschaden des Besitzers annimmt; für eine Anwendung der Drittschadensliquidation allerdings Bitter/Vollmerhausen ZIP 2021, 2509).

Vertrag zu Lasten Dritter

Auch die Annahme eines Vertrags zu Lasten Dritter sei – so das OLG – abwegig. Der Sicherungsübereignungsvertrag habe keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Haftung der Beklagten aus §§ 7 StVG, 115 VVG. Dass ein Regressanspruch ausgeschlossen sei, folge aus der gesetzlichen Regelung, nicht aus dem Sicherungsvertrag.

Anwartschaft als dingliches Recht

Soweit der BGH (NJW 2021, 550) annehme, dass im Bereich der Sicherungsübereignung auch das Anwartschaftsrecht als dingliches Recht Rechtsgut sein könnte, so dass je nach Erstarkung dieses Rechts eine Teilgläubigerschaft – mit der Folge der Berücksichtigung des Mitverschuldens – vorliegen könnte, sei das auf den diesen Fall nicht übertragbar. Vorliegend könnte, wie dies im vom BGH entschiedenen Fall vorlag, ein Anwartschaftsrecht nur angenommen werden, wenn die Übertragung des Sicherungseigentums auflösend bedingt erfolgt wäre. Vorliegend sei nach IV. Ziff. 4 der Vertragsbedingungen lediglich die Verpflichtung der Bank zur Rückübertragung der Sicherheit geregelt, was nach allgemeiner Ansicht lediglich ein schuldrechtliches Anwartschaftsrecht begründe, dass für ein dingliches Recht und mithin eine Teilgläubigerschaft, wie vom BGH angenommen, nicht ausreiche (vgl. dazu ausführlich, wenn auch mit anderem Ergebnis Bitter/Vollmerhausen ZIP 2021, 2509). Im Übrigen sei im Unfallzeitpunkt gerade einmal ein Betrag von 27 % der Darlehenssumme zurückgezahlt gewesen, auf den der Haftungsanteil von 60 % angerechnet werden könnte. Dies würde einen anrechenbaren Prozentsatz von 17 % ergeben.

Besonderen Verschränkung zwischen Sicherungsnehmerin und -geber

Schließlich werde vertreten, dass sich aus der besonderen Verschränkung zwischen Sicherungsnehmerin und Sicherungsgeber eine Berücksichtigung der Haftungsverteilung ergeben könnte (in diesem Sinne Tomson VersR 2021, 183). Dafür könnte sprechen, dass die Sicherungsnehmerin verpflichtet ist, erhaltene Ersatzzahlungen für die Reparatur des Fahrzeugs zu verwenden (BGH NJW 2021, 5523), und der Sicherungsgeber fiktive Ersatzansprüche nur mit Zustimmung der Sicherungsnehmerin geltend machen kann (BGH NJW 2019, 1669), mithin auch insoweit eine Verwendung der Ersatzbeträge auf das Fahrzeug gesichert ist. Eine solche Auslegung sei allerdings zu weitgehend, weil dadurch aus einer bloßen Zweckbindung zum Schutz des Vertragspartners, die sich aus der vertraglichen Vereinbarung ergebe, eine eigenständige dingliche Rechtsfigur entsprechend dem Anwartschaftsrecht erwachsen würde. Dafür spreche vorliegend nichts und sei vom BGH auch in der Ausgangsentscheidung vom 7.3.2017 auch nicht problematisiert worden (NJW 2017, 2352 = VRR 10/2017, 8). Hinzu komme, dass fraglich sei, ob dafür die Vollkaskoversicherung des Sicherungsgebers eintreten würde.

III. Bedeutung für die Praxis

Revision zugelassen

Das OLG hat die Revision zugelassen, da der Fall grundsätzliche Rechtsfragen bei der Haftungsverteilung und Gesamtschuld aufweise und nach der Entscheidung des BGH zum Sicherungseigentum und entsprechender Teilgläubigerschaft eine solche Klärung hinsichtlich bestehender Sicherungsübereignungen der vorliegenden Art noch ausstehe (§ 543 Abs. 2 Ziff. 1). Hinzu komme, dass es in der obergerichtlichen Rechtsprechung Divergenzen gebe (§ 543 Abs. 2 Ziff. 2 ZPO), nachdem das OLG Nürnberg (VA 2017, 155, 73) wie auch die zitierten Landgerichte (LG Nürnberg-Fürth und LG Coburg, jeweils a.a.O.) einen Gesamtschuldnerausgleich auf der Basis des § 242 BGB bejaht haben.

RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg

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