Bei einer beidseitigen Fahrbahnverengung (Gefahrenzeichen 120 nach Anlage 1 zu § 40 Abs. 6 und 7 StVO) gilt das Gebot der wechselseitigen Rücksichtnahme (§ 1 StVO). Ein regelhafter Vorrang eines der beiden bisherigen Fahrstreifen besteht nicht.
BGH, Urt. v. 8.3.2022 – VI ZR 47/21
Für die Bewertung eines schädigenden Verhaltens als sittenwidrig im Sinne von § 826 BGB ist in einer Gesamtschau dessen Gesamtcharakter zu ermitteln und das gesamte Verhalten des Schädigers bis zum Eintritt des Schadens beim konkreten Geschädigten zugrunde zu legen.
BGH, Urt. v. 5.4. 2022 – VI ZR 485/20
Die Abtretung von Schadensersatzforderungen im sog. Diesel-Abgasskandal zur Geltendmachung im massenhaften Sammelklageverfahren ist wegen Verstoßes gegen § 3 RDG nichtig. Die Geltendmachung der abgetretenen Forderung im Sammelklageverfahren hemmt deshalb die Verjährung nicht.
OLG Schleswig, Urt. v. 22.4.2022 – 1 U 36/21
Bei Zustellung einer einfachen statt beglaubigten Abschrift eines Urteils wird der Zustellungsmangel geheilt, wenn die Übermittlung der Abschrift durch das Gericht an das besondere elektronische Anwaltspostfach des Parteivertreters erfolgt.
BGH, Urt. v. 11.2.2022 – V ZR 15/21
Die einem Rechtsanwalt ohne Verschulden gebotene Erkenntnis, dass die Statthaftigkeit der beabsichtigten sofortigen Beschwerde zweifelhaft ist, weil sie von obergerichtlicher Rechtsprechung zugunsten der Statthaftigkeit der Berufung in Abrede gestellt wird, muss diesen dazu veranlassen, das Rechtsmittel innerhalb von zwei Wochen (auch) beim Rechtsmittelgericht einzulegen, um sicher zu gehen, dass es – ob als sofortige Beschwerde oder als Berufung (ggf. nach Umdeutung) – die Frist wahrt.
OLG Karlsruhe, Beschl. v. 27.4.2022 – 6 W 39/21
Die Aufhebung der Sperre für die Erteilung der Fahrerlaubnis hat zu erfolgen, wenn eine auf neue Tatsachen gestützte hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass sich der Verurteilte im Straßenverkehr nicht mehr als gefährlich erweisen wird. Die Beurteilung dieser Wahrscheinlichkeit darf dabei nicht schematisch erfolgen., sondern muss sämtliche, allein täterbezogene Umstände des Einzelfalls berücksichtigen. Sind solche Umstände festzustellen, steht dem Gericht kein Ermessen zu.
LG Berlin, Beschl. v. 5.5.2022 – 506 Qs 27/22
Der Betroffene hat nach einer Geschwindigkeitsmessung mit dem Laserhandmessgerät Riegl FG 21-P keinen Anspruch auf Einsichtnahme in das Display mit dem (noch) angezeigten Messergebnis. Das Messergebnis ist auch dann verwertbar, wenn dem Betroffenen eine solche Einsichtnahme wegen der örtlichen Gegebenheiten am Tatort (hier: Messstelle an einer Autobahn) nicht ermöglicht werden konnte.
OLG Düsseldorf, Beschl. v. 25.4.2022 – 2 RBs 51/22
Das Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um mind. 41 km/h indiziert grundsätzlich die Verhängung eines Fahrverbots von einem Monat. Davon kann nur abgesehen werden, wenn Anhaltspunkte für eine außergewöhnliche Härte vorliegen. Der Verlust des Arbeitsplatzes kann im Einzelfall eine solche unverhältnismäßige Härte darstellen. Dies bedarf jedoch der ausführlichen Begründung und Darlegung der zugrundliegenden Tatsachen.
OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 26.4.2022 – 3 Ss-OWi 415/22
Der Verteidiger ist – auch als bevollmächtigter Vertreter des abwesenden Betroffenen – weder zum letzten Wort aufzufordern noch kann er verlangen, nach seinem Schlussvortrag noch ein letztes Wort zu haben.
OLG Hamm, Beschl. v. 12.4.2022 – 5 RBs 98/22
Der Angeklagte ist auch dann als bei Beginn des Hauptverhandlungstermins nicht erschienen zu behandeln (§ 329 Abs. 1 Satz 1 StPO), wenn er zwar zum Termin erscheint, sich aber nicht als Angeklagter zu erkennen gibt und Fragen des Gerichts zu seiner Identität verweigert. Zu aufwändigen, dem Zweck des § 329 Abs. 1 Satz 1 StPO zuwiderlaufenden Ermittlungen zur Feststellung der Identität einer in der Hauptverhandlung erschienenen Person, bei welcher es sich nur möglicherweise um den Angeklagten handelt, ist das Gericht nicht verpflichtet.
OLG Karlsruhe, Beschl. v. 27.4.2022 – 1 Rv 34 Ss 173/22
Der Beschränkung des Einspruchs auf die Rechtsfolge (§ 67 Abs. 2 OWiG) steht im Verfahren über eine nach dem Bußgeldbescheid fahrlässig begangene Ordnungswidrigkeit nicht entgegen, dass das Tatgericht bereits den rechtlichen Hinweis erteilt hat (§ 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 265 Abs. 2 Nr. 1 StPO), dass eine Vorsatzverurteilung in Betracht kommt (Anschluss unter Aufgabe eigener Rechtsprechung und Fortführung: OLG Oldenburg, Beschl. v. 7.3.2016 – 2 Ss (OWi) 55/16, 2 Ss OWi 55/15; entgegen: OLG Frankfurt, Beschl. v. 23.3.2016 – 2 Ss-OWi 52/16).
OLG Rostock, Beschl. v. 14.4.2022 – 21 Ss OWi 24/22
Wird ein Rechtsanwalt in einer eigenen Angelegenheit gerichtlich tätig, besteht für ihn die Pflicht zur elektronischen Einreichung von Schriftsätzen nach § 55d VwGO jedenfalls dann, wenn er explizit als Rechtsanwalt auftritt.
VG Berlin, Beschl. v. 5.5.2022 – VG 12 L 25/22
Für die Einziehung des Führerscheindokuments fällt nicht die Gebühr Nr. 4142 VV RVG an, da die Nr. 4142 VV RVG den Entzug der Fahrerlaubnis nach § 69 StGB nicht umfasst. Die Kosten für die Wiedererlangung des Führerscheindokuments, das eingezogen wurde, sind mit 300 EUR anzusetzen. Eine Festsetzung des Gegenstandswertes nach dem Auffangstreitwert der Verwaltungsgerichtsbarkeit kommt nicht in Betracht.
LG Amberg, Beschl. v. 18.5.2022 – 11 Qs 9/22
Kommt es für eine Gebühr auf die Dauer der Teilnahme an der Hauptverhandlung an, so sind Unterbrechungen von jeweils mindestens einer Stunde, soweit diese unter Angabe einer konkreten Dauer der Unterbrechung oder eines Zeitpunkts der Fortsetzung der Hauptverhandlung angeordnet wurden, nicht zu berücksichtigen. Ordnet der Vorsitzende unter Nennung des Zeitraums eine Unterbrechung an und wird die Hauptverhandlung aus von dem Rechtsanwalt nicht zu vertretenen Gründen erst nach dem genannten Zeitraum fortgesetzt, ist nur der durch den Vorsitzenden angeordnete Zeitraum zu berücksichtigen und nicht die Dauer der tatsächlichen Unterbrechung.
LG Mannheim, Beschl. v. 11.5.2022 – 4 KLs 300 Js 40140/20
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