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VRR-Kompakt 2022-05

Schadenregulierung: Desinfektionspauschlage Covid-19

Der allgemeine Aufwand für die Beschaffung von Desinfektionsmaterial aus Anlass der Corona-Pandemie und der Zeitaufwand für die Desinfektion des Kundenfahrzeugs sind den durch das Grundhonorar des Schadengutachters abgegoltenen Gemeinkosten zuzuordnen; die Abrechnung einer „Desinfektionspauschale Covid-19“ als Nebenkosten kommt damit nicht in Betracht.

LG Saarbrücken, Urt. v. 8.4.2022 – 13 S 103/21

Reparaturkostenersatz: Fiktive Abrechnung

Der Anspruch auf Ersatz der den Wiederbeschaffungsaufwand übersteigenden Reparaturkosten wird auch im Falle einer fiktiven Abrechnung des Schadensersatzes auf der Basis eines eingeholten Gutachtens im Regelfall sofort und nicht erst sechs Monate nach dem Unfall fällig.

LG Berlin, Urt. v. 30.3.2022 – 42 O 324/21

Straßenbahnfahrt: Sturz eines Fahrgastes

Mit dem Sturz eines Fahrgastes verwirklicht sich eine mit dem Abbremsen der Straßenbahn typischerweise verbundene Gefahr. Ist diese wiederum durch die verkehrswidrige Fahrweise eines Kraftfahrzeugs verursacht worden war, steht die durch den Sturz verursachte Verletzung eines Dritten in einem engen inneren Zusammenhang mit dem Fahrmanöver des Kfz, sodass sich die Verletzung des Dritten „bei dem Betrieb“ des Kraftfahrzeugs i.S.d. § 7 Abs. 1 StVG ereignet hat mit der Folge einer Haftung des Fahrzeughalters für die Verletzungen des Dritten.

LG Berlin, Urt. v. 31.3.2022 – 44 O 340/21

Darlehensvertrag zur Finanzierung des Erwerbs eines Kfz: Verbraucherwiderruf

Die unzureichende Information über gem. Art. 247 § 3 Abs. 1 EGBGB in den verbundenen Darlehensvertrag aufzunehmende Pflichtangaben führt dazu, dass die Widerrufsfrist nicht zu laufen beginnt. In Fällen, in denen der Darlehensnehmer das Fahrzeug nach Widerruf nicht an den Darlehensgeber zurückgibt, sondern es weiter nutzt, aber gleichzeitig seine Pflicht zur Leistung von Wertersatz dem Grunde nach anerkennt, kommt eine Verwirkung des Widerrufsrechts nicht in Betracht. Im Rahmen der Rückabwicklung des Darlehensvertrags steht dem Darlehensgeber vor Rückgabe des finanzierten Fahrzeugs ein Leistungsverweigerungsrecht aus § 358 Abs. 4, § 357 Abs. 4 BGB sowohl hinsichtlich der vor als auch hinsichtlich der nach Widerruf durch den Darlehensnehmer erbrachten Zahlungen zu.

OLG Celle, Urt. v. 25.3.2022 – 3 U 130/21

Kfz-Miete: Haftungsausschluss nach A.1.5.6 AKB 2015

Vermietet jemand ein Fahrzeug an eine Person (Firma), die hieran einen Schaden mit einem fremden Fahrzeug verursacht, welches bei einem Dritten gemietet und haftpflichtversichert ist, greift der Haftungssauschluss nach A.1.5.6 AKB 2015 nicht, weil nicht dasselbe Versicherungsvertragsverhältnis betroffen ist. Der Fahrer des fremden Fahrzeuges ist nicht mitversicherte Person im Verhältnis zum Vermieter oder Eigentümer. A.1.5.6 AKB 2015 steht nur dem Direktanspruch gegen den Versicherer nach § 115 VVG entgegen. Die Haftung des Schädigers nach den allgemeinen Vorschriften bleibt davon unberührt.

OLG Celle, Urt. v. 30.3.2022 – 14 U 143/21

Elektronisches Dokument: Berufungsbegründung

Eine Ausnahme von der seit dem 1.1.2022 bestehenden Verpflichtung der Rechtsanwälte, vorbereitende Schriftsätze nur noch als elektronisches Dokument bei Gericht einzureichen (§§ 130a, 130d ZPO), besteht gemäß § 130d Satz 2 ZPO nur dann, wenn dies aus technischen Gründen nicht möglich ist, weil entweder das Gericht auf diesem Wege nicht erreichbar ist oder bei dem Rechtsanwalt ein vorübergehendes technisches Problem aufgetreten ist. Sieht sich der Rechtsanwalt aus gesundheitlichen Gründen (hier: ausstehendes Ergebnis eines PCR-Testes zum Ausschluss eines Coronaleidens) nicht in der Lage, seine Kanzleiräume aufzusuchen und den Schriftsatz dort elektronisch zu übermitteln, stellt dies keine vorübergehende Unmöglichkeit der elektronischen Übermittlung aus technischen Gründen dar. Die technische Störung ist gemäß § 130d Satz 3 ZPO unmittelbar bei der Ersatzeinreichung auf herkömmlichem Wege oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen; die Mitteilung von Gründen erst 20 Tage nach Einreichung des Originalschriftsatzes genügt diesen Anforderungen nicht. Ein Grund für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 233 Satz 1 ZPO wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist (§ 520 Abs. 2 ZPO) liegt nicht vor, wenn der Rechtsanwalt vor dem Fristablauf nicht alle ihm noch möglichen und zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, wie etwa die Suche nach einem vertretungsbereiten Kollegen zur formwirksamen Einreichung der fertigen Berufungsbegründungsschrift.

KG, Beschl. v. 25.2.2022 – 6 U 218/21

Beschwerdefrist: Feiertag

Der 24. Dezember – Heiligabend – ist kein Feiertag.

OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 17.3.2022 – 5 UF 184/21

Geschwindigkeitsüberschreitung: Geltungsbereich von Verkehrszeichen

Der Regelungsbereich eines rechts aufgestellten Verkehrszeichens (hier: Beschränkung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit durch Zeichen 274) umfasst im Sinne einer quer zur gesamten Fahrbahn verlaufenden Linie sämtliche Fahrstreifen. Dies gilt auch auf einer Autobahn, die in Höhe des von dem Fahrzeugführer lediglich rechts wahrgenommenen Schildes aus zwei durchgehenden Fahrstreifen sowie einem kombinierten Einfädelungs- und Ausfädelungsstreifen besteht. Dass bei einem standardisierten Messverfahren (hier: Laserhandmessgerät Riegl FG 21-P) Messdaten nicht gespeichert werden, führt nicht zu einem Beweisverwertungsverbot. Die Verwertbarkeit des Messergebnisses hängt nicht von der Rekonstruierbarkeit des Messvorgangs anhand gespeicherter Messdaten ab.

OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14.3.2022 – 2 RBs 31/22

Fahrverbot: Absehen

Ist für einen schweren Verkehrsverstoß ein mehrmonatiges Regelfahrverbot vorgesehen, so ist ggf. zu prüfen, ob zur Abwendung einer (tatsächlich feststellbaren) Existenzgefährdung die Reduzierung der Dauer des Fahrverbots ausreicht.

OLG Hamm, Beschl. v. 3.3.2022 – 5 RBs 48/22

Standardisiertes Messverfahren: Urteilsgründe

Die Grundsätze zum sog. standardisiertes Messverfahren, bei dem der Tatrichter im Urteil nur die Messmethode und den berücksichtigten Toleranzwert anzugeben hat, gelten nur dann, wenn das verwendete Messgerät von seinem Bedienungspersonal auch wirklich standardgemäß, d.h. im geeichten Zustand, seiner Bauartzulassung entsprechend und gemäß der vom Hersteller mitgegebenen Bedienungs- bzw. Gebrauchsanweisung verwendet wurde. Beim Vorliegen konkreter Anhaltspunkte dafür, dass Verfahrensbestimmungen nicht eingehalten wurden oder – substantiiert – Messfehler geltend gemacht werden, müssen im Urteil hierzu Ausführungen gemacht werden.

OLG Karlsruhe, Beschl. v. 5.4.2022 – 1 Rb 35 Ss 193/22

Einstellung: Zwischenbescheid

Regt der Betroffene in der Hauptverhandlung an, das Verfahren nach § 47 Abs. 2 OWiG einzustellen, und möchte das Gericht dieser Anregung nicht folgen, ist es von Rechts wegen nicht geboten, dass sich das Gericht hierzu durch einen Zwischenbescheid äußert. Das Fehlen einer förmlichen Ablehnung durch Beschluss begründet keine Verletzung des rechtlichen Gehörs.

OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14.3.2022 – 2 RBs 31/22

Verjährungsunterbrechung: Anfrage bei einer ausländischen Meldebehörde

Verjährungsunterbrechende Wirkung kann in Anwendung von § 33 Abs. 1 Ziff. 6 OWiG auch der gerichtlichen Anfrage bei einer ausländischen Meldebehörde beikommen.

OLG Köln, Beschl. v. 15.2.2022 – III-1 RBs 26/22

Wiedereinsetzung: Glaubhaftmachung

Ist der Briefumschlag, mit dem ein Beschwerdeführer die rechtzeitige Absendung eines Rechtsmittels nicht mehr belegen kann, nicht mehr vorhanden, kann auf eine Glaubhaftmachung verzichtet werden und. die „schlichte“ Erklärung als geeignet angesehen werden, die richterliche Überzeugung von der Wahrscheinlichkeit des behaupteten Versäumungsgrundes zu begründen.

LG Münster, Beschl. v. 23.3.2022 – 7 Qs 27/21

Einspruch gegen den Bußgeldbescheid: Einlegung per beA

Nach §§ 67, 100c OWiG i.V.m. § 32d StPO ist ein Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid ausschließlich als signiertes elektronisches Dokument über das BeA – Besondere Anwaltspostfach – und das BeBPo – das besondere elektronische Behördenpostfach – zu übermitteln. Eine Übermittlung in Papierform oder als Telefax ist unzulässig.

AG Tiergarten, Beschl. v. 5.4.2022 – 310 OWi 161/22

Entziehung der Fahrerlaubnis: Punktelöschung

Der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Fahrerlaubnisentziehungsverfügung ist ihr Wirksamwerden (§ 43 VwVfG), nicht ihre Abfassung durch die Behörde. Werden Punkte nach der Abfassung der Entziehungsverfügung, aber vor ihrem Wirksamwerden gelöscht, kann sich das auf die Rechtmäßigkeit der Entziehungsverfügung auswirken. Denn die Löschung begründet ein absolutes Verwertungsverbot (§ 29 Abs. 7 Satz 1 StVG), das das Tattagprinzip überlagert. Wurden nach dem Tattagprinzip acht Punkte erreicht, ist die Entziehungsverfügung rechtswidrig, wenn ein Punkt während ihres Postlaufs an den Fahrerlaubnisinhaber gelöscht wird.

VG Düsseldorf, Beschl. v. 11.3.2022 – 6 L 247/22

Probezeit: Vorlage eines Gutachtens

§ 2a Abs. 5 Satz 5 StVG ist nicht auf eine einmalige Anwendung beschränkt. Er greift vielmehr auch dann ein, wenn zuvor bereits ein positives MPU-Gutachten vorgelegt wurde und der Fahrerlaubnisinhaber danach während der laufenden verlängerten Probezeit eine bzw. zwei Zuwiderhandlungen im Sinne des § 2a Abs. 2 Satz 1 StVG begangen hat.

VG Düsseldorf, Beschl. v. 5.4.2022 – 6 L 55/22

Hebegebühr: Entstehen und Erstattungsfähigkeit

Die Hebegebühr ist erstattungsfähig, wenn der Schuldner, ohne vom Gläubiger oder dessen Anwalt dazu aufgefordert zu sein, an den Rechtsanwalt des Gläubigers zahlt.

LG Frankfurt am Main, Beschl. v. 7.4.2022 – 2-15 O 74/20

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