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Verjährungsunterbrechung durch wiederholte Anhörung

Nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 OWiG unterbricht jeweils nur die „erste“ der dort genannten Maßnahmen die Verjährung. Eine wiederholte Unterbrechung durch mehrfache Anhörung zur selben Tat kommt nicht in Betracht.

Leitsatz des Verfassers

AG Dillingen, Beschl. v. 19.1.2021 – 303 OWi 611 Js 142243/20

I. Sachverhalt

Dem Betroffenen wurde eine am 3.6.2020 begangene Geschwindigkeitsüberschreitung zur Last gelegt. Mit Schreiben vom 17.6.2020 eröffnete die Verwaltungsbehörde dem Betroffenen den Tatvorwurf unter Nennung von Tatzeit, Tatort und den ihrer Einschätzung nach einschlägigen Vorschriften der §§ 3 Abs. 3, 49 StVO, § 24 StVG und 11.3.3. BKat und benannte die Beweismittel „Sensormessung mit Foto (ES 3.0)“ und „Zeuge“ ohne Nennung einer konkret beabsichtigten Rechtsfolge. Mit Schriftsatz vom 23.6.2020 meldete sich ein Rechtsanwalt als Verteidiger des Betroffenen und bat um – und erhielt – Akteneinsicht. Mit Schriftsatz vom 27.7.2020 wies der Verteidiger darauf hin, dass die Tatzeit nach der – missglückten – Bußgeldkatalogreform liege und daher eine Rechtsgrundlage für eine Ahndung nicht vorläge.

In Reaktion hierauf schrieb die Bußgeldbehörde unter dem 14.8.2020 den Verteidiger erneut an, erklärte unter Bezugnahme auf eine Bund-Länder-Besprechung vom 13.7.2020, dass das Schreiben vom 17.6.2020 „unwirksam“ sei und übersandte einen geänderten Anhörungsbogen. Der Bußgeldbescheid gegen den Betroffenen wurde dann am 21.9.2020 erlassen. Das AG hat das Verfahren eingestellt.

II. Entscheidung

Das AG hat sich der Auffassung des Verteidigers angeschlossen, dass das zweite Schreiben der Verwaltungsbehörde nicht erneut die verjährungsunterbrechende Wirkung des § 33 Abs. 1 Nr. 1 OWiG herbeiführen konnte. Die Verjährungsfrist habe zum hier maßgeblichen Zeitpunkt nach § 26 Abs. 3 StVG drei Monate betragen. Die einzige bis zum Erlass des Bußgeldbescheides am 21.9.2020 in Betracht kommende verjährungsunterbrechende Maßnahme sei – so das AG -die erste Vernehmung des Betroffenen, die erste Bekanntgabe, dass gegen ihn das Ermittlungsverfahren eingeleitet ist, oder die erste Anordnung einer Vernehmung oder ihre erstmalige Durchführung (§ 33 Abs. 1 Nr. 1 OWiG). Wie sich schon aus dem Gesetzeswortlaut ergebe, könne nur jeweils die „erste“ der dort genannten Maßnahmen die Verjährung unterbrechen. Eine wiederholte Unterbrechung durch mehrfache Anhörung zur selben Tat komme nicht in Betracht. Der Anhörung des Betroffenen oder der Mitteilung an ihn, dass Ermittlungen eingeleitet wurden, gehe – als reines Verwaltungsinternum, für dessen Wirksamkeit die Kenntnisnahme durch den Betroffenen irrelevant ist – die Anordnung der Bekanntgabe gedanklich notwendig stets voraus. Diese Anordnung erfolgte hier am 17.6.2020 und sei durch Schreiben vom selben Tage dem Betroffenen auch bekanntgegeben worden. Die Übersendung eines Anhörungsbogens genüge diesen Voraussetzungen stets, selbst wenn der Anhörungsbogen dem Betroffenen nicht zugehe.

Eine weitere Unterbrechung der Verjährung durch das Schreiben vom 14.8.2020 sei darüber hinaus nicht mehr eingetreten. Es handele sich bei diesem nicht um die erste Anordnung einer Vernehmung oder die erste Durchführung einer Vernehmung, sondern allenfalls um eine – erneute – Bekanntgabe des Ermittlungsverfahrens – da sich das Schreiben auf denselben Tatvorwurf beziehe wie schon das Schreiben vom 17.6.2020. Dass über den Inhalt des seinerzeitigen Schreibens hinaus nun auch – erstmals – ein Verwarngeld angeboten worden sei, ändere hieran nichts. Maßgeblicher Inhalt der Anhörung bzw. Bekanntgabe sei die Tat, die nach Ort, Zeit und Art des Verstoßes hinreichend konkretisiert sein und als Tat im prozessualen Sinne verstanden werden müsse (§ 264 StPO), nicht die hierfür beabsichtigte Rechtsfolge oder gar die von der Verwaltungsbehörde vorgenommene rechtliche Würdigung. Entscheidend sei lediglich das tatsächliche Geschehen. Bekannt gegeben werden könne nur, was dem Betroffenen nicht bereits durch ein vorangegangenes Geschehen bekannt sei. Die Unwirksamkeit der Bußgeldkatalognovelle stehe in keinem rechtlichen Zusammenhang mit der Frage der Verjährung. Insbesondere gebe die Erkenntnis, dass die Novelle „- diplomatisch ausgedrückt“ – „missglückt“ gewesen sei der Verwaltungsbehörde nicht die Befugnis, bereits ausgereichte Anhörungsschreiben zurückzunehmen oder für gegenstandslos zu erklären. Verjährung sei somit am 17.9.2020 eingetreten.

III. Bedeutung für die Praxis

M.E. zutreffend. Es kann nicht in der Hand der Verwaltungsbehörde liegen durch wiederholte Anhörungen quasi die Verjährungsfrist zu verlängern. Denn das wäre die Folge, wenn man der zweiten Anhörung ebenfalls verjährungsunterbrechende Wirkung zumessen würde (zu allem auch Gübner in: Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 6. Aufl., 2021, Rn 3959 ff.). Das hat im Übrigen, worauf das AG ebenfalls auch zutreffend hinweist, nichts mit dem Streit um die Wirksamkeit der StVO-Novelle zu tun (vgl. dazu u.a. BayObLG VRR 12/2020, 14).

RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg

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