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VRR-Kompakt 2021-10

Wiederbeschaffungswert: Bodykit

Bei der Bestimmung des Wiederbeschaffungswertes eines mit einem sog. Bodykit umgerüsteten, unfallbeschädigten Serienfahrzeuges (hier: Mercedes GLE 350 D Coupe) ist grundsätzlich der Neuwert einer Bodykitausrüstung (hier: 44.050 EUR) auch dann nicht heranzuziehen, wenn ein Gebrauchtwagenmarkt nicht existiert und eine zeitwertgerechte Ersatzbeschaffung des Bodykits nicht möglich ist. Der Anspruch des Geschädigten auf Ausgleich seines Fahrzeugschadens ist dann vielmehr regelmäßig auf den Ersatz des Wiederbeschaffungswertes für das Serienfahrzeug und gegebenenfalls einer durch die Umrüstung herbeigeführten Werterhöhung abzüglich des Restwertes beschränkt.

OLG Düsseldorf, Beschl. v. 31.8.2021 – 1 U 173/20

Radwegbenutzung: Verletzung der Aufsichtspflicht

Ein sorgeberechtigter Elternteil, der veranlasst, dass sein 6jähriges Kind zusammen mit ihm entgegen § 2 Abs. 5 Satz 1, 2 StVO einen baulich nicht abgetrennten Radweg benutzt, haftet bei einem Streifschaden an einem parallel verkehrenden Kraftfahrzeug infolge Ausweichens eines auf dem Radweg abgestellten anderen Kraftfahrzeugs gemäß § 832 Abs. 1 BGB wegen Verletzung der Aufsichtspflicht.

AG Düsseldorf, Urt. v. 3.9.2021 – 37 C 557/20

Nutzungsausfall: Mitverschulden bei langer Reparaturdauer

Begehrt der Geschädigte eines Verkehrsunfalls eine Nutzungsausfallentschädigung, so trifft ihn bei einer ungewöhnlichen langen Reparaturdauer die Obliegenheit, sich nach deren Grund zu erkundigen und auf eine zügige Erledigung des Reparaturauftrages hinzuwirken. Kommt er dieser nicht nach und ist dies für eine verzögerte Reparatur kausal, liegt ein anspruchsminderndes Mitverschulden vor. Der Schädiger trägt die Darlegungs- und Beweislast für eine Verletzung der Schadensminderungsobliegenheit und deren Kausalität für den Schaden. Den Geschädigten trifft jedoch eine sekundäre Darlegungslast, der zufolge er vortragen muss, welche Anstrengungen er unternommen hat, um eine zügige Reparatur zu erreichen.

AG Bautzen, Urt. v. 16.9.2021 – 21 C 570/20

Corona: Ersatzfähigkeit von Kosten einer Desinfektion

Der Schädiger hat die Kosten einer Fahrzeugdesinfektion zu ersetzen, die die Werkstatt zur Vorbeugung gegen eine Coronainfektion nach der Erledigung des Reparaturauftrags vornimmt. Nicht ersatzfähig sind aber die Kosten einer Desinfektion vor Hereinnahme des Fahrzeugs, weil es sich insoweit um eine reine Arbeitsschutzmaßnahme handelt. Auch bei den Kosten einer Fahrzeugreinigung zur Beseitigung reparaturbedingter Verschmutzungen handelt es sich um einen ersatzfähigen Schaden (Anschluss AG Heinsberg, Urt. v. 4.9.2020 – 18 C 161/20 und AG Wolfratshausen, Urt. v. 15.12.2020 – 1 C 687/20).

AG Bautzen, Urt. v. 16.9.2021 – 21 C 570/20

Elektronisches Gerät: Fahrzeugschlüssel

Ein elektronischer Fahrzeugschlüssel mit Display (Smartkey) stellt ein elektronisches Gerät i.S.v. § 23 Abs. 1a StVO dar.

OLG Hamm, Beschl. v. 11.5.2021 – 5 RBs 94/21

Geschwindigkeitsüberschreitung: Messung mit Leivtex XV3

Bei einer Geschwindigkeitsmessung mit einem Messgerät vom Typ Leivtec XV3 handelt es sich angesichts der von der PTB bestätigten unzulässigen Messwertabweichungen in speziellen Konstellationen insgesamt nicht mehr um ein standardisiertes Messverfahren im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs.

OLG Hamm, Beschl. v. 16.9.2021 – 1 RBs 115/21

Berufungsverwerfung: Ausgebliebener, aber vertretener Angeklagter

Erachtet es das Berufungsgericht nach § 329 Abs. 4 Satz 1 StPO für erforderlich, die Berufungshauptverhandlung in Anwesenheit des ausgebliebenen, jedoch durch einen Verteidiger mit nachgewiesener Vertretungsvollmacht vertretenen Angeklagten in einem weiteren Termin fortzuführen, kann es bei Ausbleiben des Angeklagten im Fortsetzungstermin und weiterer Anwesenheit des vorgenannten Verteidigers die Berufung des Angeklagten nur dann nach § 329 Abs. 4 Satz 2 StPO verwerfen, wenn die Ladungsfrist des Angeklagten von einer Woche (§ 217 Abs. 1 StPO) zum Fortsetzungstermin gewahrt wurde.

OLG Bamberg, Beschl. v. 15.9.2021 – 1 Ws 561/21

Dolmetscher: Gestellter Zeuge

Entscheidet sich das Tatgericht aufgrund seiner Aufklärungspflicht dafür, einen von dem Betroffenen mitgebrachten („sistierten“) Zeugen zu vernehmen, so muss es bei Auftreten erheblicher Verständigungsprobleme einen Dolmetscher hinzuziehen. Bricht es hingegen die Vernehmung aufgrund der Verständigungsprobleme ohne Hinzuziehung eines Dolmetschers ab, so ist der absolute Revisionsgrund nach § 338 Nr. 5 StPO erfüllt.

OLG Celle, Beschl. v. 21.9.2021 – 3 Ss (OWi) 220/21

Täteridentifizierung: Urteilsgründe

Hinsichtlich der Feststellung der Fahrereigenschaft müssen die Urteilsgründe so gefasst sein, dass das Rechtsbeschwerdegericht überprüfen kann, ob das Belegfoto überhaupt geeignet ist, die Identifizierung einer Person zu ermöglichen. Ggf. muss sich der Tatrichter mit qualitativen Einschränkungen des Messfotos auseinandersetzen und erörtern, weshalb trotz der qualitativen Einschränkungen, gleichwohl eine Identifikation anhand der von ihm beschriebenen Gesichtsmerkmale möglich gewesen ist.

OLG Hamm, Beschl. v. 5.11.2021 – 3 RBs 211/21

Einstellung des Verfahrens: Kein Zugang zur Bedienungsanleitung

Ermöglicht es die Verwaltungsbehörde weder dem Gericht noch der Verteidigung für die Dauer des Verfahrens nicht die Bedienungsanleitung eines Messgerätes ausreichend zur Kenntnis zu nehmen, sie zur Akte zu nehmen und untersagt sie auch ein Kopieren, so ist die Messung nicht prüfbar. Das Verfahren kann nach § 47 OWiG eingestellt werden.

AG Dortmund, Beschl. v. 23.9.2021 – 729 OWi-261 Js 1345/21-104/21

Unrichtige Sachbehandlung: Einholung eines Sachverständigengutachtens ohne Anhörung

Ein offensichtlicher Verfahrensverstoß und damit eine unrichtige Sachbehandlung i.S.v. § 21 GKG ist zu bejahen, wenn der Betroffene im amtsgerichlichen Bußgeldverfahren nicht vor der beabsichtigten Beauftragung eines Sachverständigen angehört wird, obwohl es in dem Verfahren lediglich um eine geringe Geldbuße wegen einer Ordnungswidrigkeit geht und die Kosten des Sachverständigengutachtens die Geldbuße deutlich übersteigen.

LG Stuttgart, Beschl. v. 14.9.2021 – 20 Qs 16/21

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