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Höhe des Umsatzsteuersatzes bei der Anwaltsvergütung

1. Der Umsatzsteuersatz richtet sich nach der Rechtslage zum Zeitpunkt des Eintritts der Fälligkeit der Anwaltsvergütung, die sich gem. § 8 Abs. 1 Satz 1 RVG und in gerichtlichen Verfahren auch nach § 8 Abs. 1 S. 2 RVG richtet.

2. Ist die das gerichtliche Verfahren abschließende und vom Gericht nicht verkündete Kostenentscheidung zwar vor dem 31.12.2020 ergangen, dem Verfahrensbevollmächtigten jedoch erst nach dem 31.12.2020 zugegangen, so ist die Anwaltsvergütung mit einem Umsatzsteuersatz von 19 % zu versteuern.

3. Die außergerichtlichen Kosten des Erinnerungsverfahrens können der Staatskasse auch dann nicht auferlegt werden, wenn die angefochtene Entscheidung auf einer unrichtigen Sachbehandlung beruht.

(Leitsätze des Verfassers)

VG Berlin, Beschl. v. 28.4.2021 – 14 KE 21/21

I. Sachverhalt

Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle berücksichtigte im Kostenfestsetzungsbeschluss die Anwaltsvergütung mit einem Umsatzsteuersatz von 16 %. Die dagegen gerichtete Erinnerung war erfolgreich und führte zur Festsetzung eines Umsatzsteuersatzes von 19 %.

II. Entscheidung

Der Umsatzsteuersatz richtet sich nach der Rechtslage zum Zeitpunkt des Eintritts der Fälligkeit (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 24. Aufl. 2019, RVG VV 7008 Rn 46 m.w.N.). Gemäß § 8 Abs. 1 S. 2 RVG wird die Vergütung fällig, wenn der Auftrag erledigt oder die Angelegenheit beendet ist. Ist der Rechtsanwalt in einem gerichtlichen Verfahren tätig, wird die Vergütung gemäß § 8 Abs. 1 S. 2 RVG auch fällig, wenn eine Kostenentscheidung ergangen oder der Rechtszug beendet ist oder wenn das Verfahren länger als drei Monate ruht. Eine Kostenentscheidung ist ergangen, sobald das Gericht in der Sache in irgendeiner Weise über Kosten erkannt hat, sei es auch nur über die Gerichtskosten. Dabei ist es gleichgültig, ob der Kostenausspruch konstitutiv wirkt oder aber nur eine bereits kraft Gesetzes eingetretene Folge bestätigt. Die Kostenentscheidung ist ergangen mit der Verkündung, anderenfalls mit der Zustellung (Gerold/Schmidt/Mayer, a.a.O., RVG § 8 Rn 13 f.) oder dem formlosen Zugang.

Das VG Berlin hat entschieden, dass der Vergütungsanspruch des Verfahrensbevollmächtigten der Erinnerungsführerin mit dem zwischen den Beteiligten nicht umstrittenen Zugang des die Kostengrundentscheidung enthaltenden Beschlusses vom 3.12.2020 am 11.1.2021 fällig geworden ist. Der Ab-Vermerk der Geschäftsstelle stamme vom 6.1.2021, Zu diesem Zeitpunkt sei die vorübergehende Herabsenkung des Umsatzsteuersatzes von 19 % auf 16 % für den Zeitraum vom 1.7 2020 bis zum 31.12.2020 gemäß § 28 Abs. 1 UStG auf Grundlage von Artikel 3 Nr. 2 des Zweiten Corona-Steuerhilfegesetzes vom 29. 6.2020 (BGBl I, S. 1512) bereits wieder außer Kraft getreten.

Das VG Berlin hat darauf hingewiesen, dass außergerichtliche Kosten nach überzeugender höchstrichterlicher Rechtsprechung und verbreiteter Auffassung im Schrifttum weder direkt noch analog über § 154 Abs. 4, § 155 Abs. 4 oder § 162 Abs. 3 VwGO der Staatskasse auferlegt werden können. Hierfür fehle es an einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage. Das Gesetz biete keine Handhabe dafür, die durch eine unrichtige Sachbehandlung entstandenen außergerichtlichen Kosten der Staatskasse zu überbürden (vgl. nur BVerwG, Beschl. v. 20.8.2001 – BVerwG 3 B 88/01; Beschl. v. 2.6.1999 – BVerwG 4 B 30/99; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 27.2.2012 – OVG 2 S 78.11). Unter Berücksichtigung des den gesetzlichen Kostenregelungen der §§ 154 ff. VwGO zugrunde liegenden Veranlasserprinzips, nach dem derjenige Beteiligte die Kosten zu tragen habe, durch dessen Verhalten sie verursacht worden seien, erscheine die getroffene Kostenentscheidung auch nicht unbillig, denn die Erinnerungsgegnerin habe durch die Klageerhebung das Verfahren im Ganzen und damit auch etwaige Kosten im Rahmen einer Erinnerung gegen die Kostenfestsetzung veranlasst (vgl. hierzu OVG Berlin-Brandenburg, a.a.O.).

III. Bedeutung für die Praxis

1. Auf seine Vergütung (Gebühren und Auslagen, § 1 Abs. 1 Satz 1 RVG) erhält der Rechtsanwalt als Auslage i.S.v. Teil 7 VV RVG Umsatzsteuer nach Nr. 7008 VV RVG in voller Höhe. Maßgebend ist hierfür immer der Steuersatz von 19 %. Umsatzsteuerpflicht besteht nicht, wenn die Umsatzsteuer nach § 19 Abs. 1 UStG unerhoben bleibt (Kleinunternehmer/in), der Rechtsanwalt in eigener Sache tätig ist (vgl. § 91 Abs. 2 S. 3 ZPO) bzw. eine betriebsbezogene Tätigkeit vorliegt oder es wegen Auslandsbezogenheit an der Umsatzsteuerpflicht fehlt. Durch das 2. Corona-Steuerhilfegesetz (Corona-Konjunkturpaket; vom 29.6.2020 – BGBl I 1512) sind durch Einfügung der neuen Abs. 1 und 2 in § 28 EStG für alle Unternehmer beide Umsatzsteuersätze (19 % und 7 %) für die Zeit vom 1.7.2020 bis zum 31.12.2020 (sechs Monate) von 19 % auf 16 % bzw. von 7 % auf 5 % ermäßigt worden.

Das VG Berlin hatte zu entscheiden, ob die Vergütung des Verfahrensbevollmächtigten der Beklagten einem Umsatzsteuersatz von 19 % oder nur 16 % unterfällt.

2.a) Bei einer Änderung des Umsatzsteuersatzes richtet sich die Höhe des für die Vergütung maßgebenden Umsatzsteuersatzes nicht nach der Übergangsvorschrift des § 60 RVG (vgl. auch Schneider NJW 2007, 325; Hansens RVGreport 2007, 41). Insbesondere kommt es daher nicht auf den Zeitpunkt der Auftragserteilung, der Vereinnahmung der Vergütung oder der Erstellung der Rechnung durch den Rechtsanwalt oder der Zahlung der Vergütung durch den Auftraggeber an.

b) Gem. § 27 Abs. 1 Satz 1 UStG sind die geänderten Steuersätze auf Umsätze anzuwenden, die ab dem Inkrafttreten der maßgeblichen Änderungsvorschrift ausgeführt werden. Über die Höhe des für die Vergütung des Rechtsanwalts geltenden Umsatzsteuersatzes entscheidet deshalb der Zeitpunkt der Ausführung der anwaltlichen Leistung (vgl. auch § 13 Abs. 1 Nr. 1 UStG; OLG Koblenz AGS 2007, 302 = RVGreport 2007, 191; OLG Oldenburg JurBüro 1994, 179; LG Karlsruhe RVGreport 2008, 26; Hansens RVGreport 2007, 41; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 24. Aufl., VV 7008 Rn 35). Da es sich bei der anwaltlichen Tätigkeit um eine Dauertätigkeit handelt, kommt es grds. auf die Beendigung der Tätigkeit an. Maßgebend ist das Ende des Leistungszeitraums, in dem die anwaltliche Tätigkeit erbracht worden ist. Dieser Zeitpunkt wird häufig mit dem Zeitpunkt der Fälligkeit der Vergütung (vgl. § 8 RVG) zusammenfallen, weil auch die Fälligkeit der Vergütung auf die Beendigung der Tätigkeit abstellt (vgl. OLG Düsseldorf AGS 2006, 201; OLG Dresden AGS 2008, 70; OLG Koblenz AGS 2007, 302 = RVGreport 2007, 191; AGS 1999, 94; LG Karlsruhe RVGreport 2008, 26).

Gem. § 8 Abs. 1 Satz 1 RVG wird die Vergütung grundsätzlich dann fällig, wenn

  • der Auftrag erledigt oder
  • die Angelegenheit beendet ist.

Ist der Rechtsanwalt in einem gerichtlichen Verfahren tätig, wird die Vergütung gem. § 8 Abs. 1 S. 2 RVG auch fällig, wenn

  • eine Kostenentscheidung ergangen oder
  • der Rechtszug beendet ist oder

wenn das Verfahren länger als drei Monate ruht.

Maßgebend ist, welcher dieser fünf verschiedenen Fälligkeitszeitpunkte als erster erfüllt worden ist (BGH, Beschl. v. 13.7.1984 – III ZR 137/83, juris; Volpert VRR 2020 Nr. 8, 4 und RVGreport 2020, 322; a.A. N. Schneider ErbR 2021, 196, nur § 8 Abs. 1 Satz 1 RVG ist maßgebend).

In dem hier vom VG Berlin entschiedenen Verfahren kommt es hierauf nicht an. Denn auch bei Anwendung nur der Fälligkeitstatbestände des § 8 Abs. 1 Satz 1 RVG (so N. Schneider, a.a.O.) ist die Vergütung des Verfahrensbevollmächtigten des Beklagten erst nach dem 31.12.2020 fällig geworden. Denn der Rechtsstreit vor dem VG Berlin war erst erledigt, nachdem der Rechtsanwalt das Rechtsschutzziel seines Mandanten erreicht hatte. Das war hier der Fall, nachdem der Beschluss mit der nicht verkündeten Kostenentscheidung durch Zugang bei dem Rechtsanwalt wirksam geworden ist.

3. Die Auferlegung der außergerichtlichen Kosten des Erinnerungsverfahrens auf die Staatskasse konnte das VG Berlin schon deshalb nicht vornehmen, weil diese Entscheidung gem. § 21 GKG nur möglich ist für Gerichtskosten. Hierzu gehören gem. § 1 Abs. 1 Satz 1 GKG nur die Gebühren und Auslagen, die bei Gericht anfallen. Wird im Kostenfestsetzungsverfahren eine unrichtige Entscheidung erlassen und werden hierdurch außergerichtliche Kosten verursacht, können diese allenfalls im Wege einer Amtshaftungsklage nach Art. 34 GG verfolgt werden.

Dipl.-Rpfleger Joachim Volpert, Willich/Düsseldorf

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